Herbe Verluste: Kunstdiebstähle im Norden häufen sich
In Hannover und Bremen werden vermehrt Kunstwerke beschädigt oder gestohlen - aus Ausstellungen und aus dem öffentlich Raum. Die Künstler*innen Joanna Schulte und Siegfried Neuenhausen berichten über ihre Erfahrungen.
Die Ausstellung "Pandemische Collagen 2020-2022, Volume 2" in der Galerie Kubus wurde gerade erst eröffnet, zugleich muss sich der Künstler Siegfried Neuenhausen mit dem Raub von fünf Bronzefiguren seines Ensembles auf einem Friedhof in Bremen beschäftigen. Auch in der Marktkirche in Hannover wurde im vorigen Monat eine Ausstellung wegen eines Diebstahls früher geschlossen als geplant.
Installation von Joanna Schulte in Hannovers Marktkirche
Kunstraub ist für die Künstler selbst ein Schock. Was bedeutet es für den Kunstbetrieb? "Ich entwickle für den jeweiligen Ausstellungsort immer eine multimediale Inszenierung. Hier im Eingangsbereich hatte ich zwei Mobyletten aus Frankreich von 1968", berichtet Joanna Schulte über ihre Ausstellung in Hannovers Marktkirche. "Paximat und was dann folgte" hieß ihre Ausstellung mit den zwei französischen Mofas. Es ging um den Sehnsuchtsort Urlaub. Geblieben sind die Audiodatei, die im Inneren eines Hauszeltes aus den 1970er Jahren abgespielt wurde und Fotos.
Diebstahl eines Mofas bedeutet Zerstörung des Kunstwerks
Das eine Mofa der Installation wurde gestohlen, das Kunstwerk war damit zerstört. "Als Künstlerin entwickle ich ein dreidimensionales Bild. Wenn dann da ein Teil fehlt, ist es eine Verletzung für die ganze Arbeit und die Installation. Das kostet dann viel Überlegungsarbeit, funktioniert die Arbeit, funktioniert sie so nicht. Wenn etwas fehlt, merkt man erst einmal, wie komplex die Komposition ist", sagt die bestohlene Künstlerin.
Eine Notlage oder eine Mutprobe könnten die Gründe für den Diebstahl gewesen sein, überlegt Joanna Schulte, die im ersten Moment geschockt war. Vielleicht spiele auch Social Media eine Rolle. Wenn ständig alles abgebildet wird, wecke das Begehrlichkeiten.
Fünf Bronzen von Siegfried Neuenhausen in Bremen gestohlen
Der Künstler Siegfried Neuenhausen hingegen glaubt, dass es in seinem Fall um den Materialwert geht. Auf einem Bremer Friedhof wurden fünf Figuren eines seiner Werke entwendet. Mehrere tausend Euro bringen die gut 1.000 Kilo Bronze beim Schrotthändler. Ein schmerzhafter Verlust. "Das sind sieben Bronzen gewesen, und zwar figurative, torsohafte Objekte rund um das Thema Trauer. Die sind 1977 entstanden, nach einem gewonnenen Wettbewerb. Die Formen existieren nicht mehr, es ist mittlerweile 50 Jahre her. Da ist nichts mehr zu machen", erklärt Neuenhausen voller Bedauern.
Weitere Kunstdiebstähle im öffentlichen Raum
Sogar 120 Jahre alt war die goldene Engelsstatue, die jüngst vom altehrwürdigen Friedhof Engesode in Hannover gestohlen wurde. Im Stadtwald Eilenriede wurde das bronzene Reiterstandbild zu Fall gebracht, Einkerbungen an den Fesseln erinnern an Sägespuren. Anne Prenzler, Leiterin des Kulturbüros Hannover, hat den Eindruck, dass solche Vorfälle zunehmen.
Für die Suche nach neuen Standorten für Kunstwerke hat das Folgen: "Aus einer pragmatischen Sicht heraus würde ich sagen, dass man für die Zukunft - wenn man neue Standorte sucht - überlegt, ist das vielleicht ein Standort, der gut frequentiert ist, wo genug Menschen vorbeigehen, die dann vielleicht aufmerksam sind und sagen: 'He, was machen die da, ich melde das mal der Polizei, das sieht irgendwie komisch aus'", überlegt Prenzler.
Pfarrer Blessing entsetzt über Diebstahl aus Kirche
In der Marktkirche hat der Diebstahl dazu geführt, das wichtige Kunstwerke auf ihre Sicherung hin überprüft werden, erzählt Pfarrer Marc Blessing. Dass gerade Kunst aus einer Kirche entwendet wird, einem Ort, der für Gläubige Geborgenheit ausstrahlen soll, wiege dabei besonders schwer. Überwachungskameras seien da unangebracht.
Schulte will künftig mehr Sicherheitsvorkehrungen treffen
Für Joanna Schulte hat das Erlebnis aber auch praktische Folgen: "Ich habe noch nicht so viel im öffentlichen Raum gearbeitet. Ich würde in Zukunft darauf achten, dass die Sachen besser verschlossen sind. Ich glaube, ich würde dann viel mehr thematisieren, wie eine Budgetierung für Ausstellungen ist, ob es eine Versicherung oder Aufsichten gibt, dass es einen professionellen Rahmen hat", erklärt Schulte, die insgesamt aber wenig Hoffnung in Sicherheitsvorkehrungen setzt: "Ich glaube, schützen kann man sich letztendlich nicht. Und dass das Mofa wieder auftaucht, ist auch recht unwahrscheinlich."