Lisa Tegtmeier: Shootingstar unter den Illustratorinnen
Die Hamburgerin Lisa Tegtmeier zählt seit Jahren zu den Shootingstars der Illustratoren-Szene. Kunden wie Nike oder Volkswagen lieben ihre kräftigen Empowerment-Zeichnungen. Ein Atelierbesuch.
"Ich finde, dass ich eine Verantwortung habe", sagt die Illustratorin Lisa Tegtmeier. "Mit meinen Bildern trage ich ja zu unserer gesellschaftlichen, visuellen Sprache bei. Diverse Figuren oder starke Frauenbilder zu zeichnen, ist für mich selbstverständlich." Mit ihren schwungvollen, energiegeladenen und farbenfrohen Bildern hat sie einen Nerv getroffen - bei den Betrachtern, aber vor allem in Redaktionen von Magazinen und bei großen Unternehmen. Nike und Volkswagen schätzen das visuelle Empowerment, was in ihren Bildern steckt.
Die Entscheidung in diese Richtung zu gehen, hat sie aber weniger bewusst getroffen: "Es ist eher zu mir gekommen, weil es einfach so angefangen hat, dass ich Frauenfiguren lieber zeichne. Ich habe es für selbstverständlich gehalten, diese Figuren als sehr stark und selbstbewusst darzustellen." Sie arrangiert sie auf dem Blatt und der Komposition des Untergrundes dominant, ja fast schon raumeinnehmend. Dadurch verstärkt sich der Eindruck der Kraft der Figuren. "Und wenn das so gesehen wird, hab ich natürlich nichts dagegen, denn ja, ich möchte empowernde Bilder zeichnen."
Tegtmeiers Markenzeichen: Keine Augen, dafür jede Menge Empowerment
Ihren Stil beschreibt Lisa Tegtmeier selbst als "Poster-plaktiv" und "sehr selbstbewusst, starke Persönlichkeiten abbildend mit oft sehr bunten, aber auch feminine Farben. Ich liebe auch Rosa und hab gerne warme Farben". Bei den Themen geht die Bandbreite von Freundschaft bis hin zu alltäglichen Situationen immer mit einem kleinen Augenzwinkern und einer Prise Humor. Anfänglich malt sie noch viel mit Tusche, grob verschroben, wie sie sagt, bevor es für sie in eine plakative Richtung geht. "Ich hab die Bilder immer sehr großflächig gehalten, um es so bold und stark wie möglich zu halten."
Ihr Markenzeichen dabei ist, dass die Gesichter ihrer Figuren keine Augen oder Nasen haben. Dieser Stil ist aber eher zufällig entstanden, wie Lisa Tegtmeier lachend erzählt: "Früher, als ich in die Illustration tiefer eingestiegen bin, habe ich die Figuren immer sehr klein gezeichnet. Und da waren Details wie Münder oder Augen viel zu präsent und detailreich für das Kleinteilige. Deswegen habe ich diese Gesichtsfeatures damals alle weggelassen. Als ich dann aber mit meinem Stil, den ich dann hatte, weitergegangen bin, war es nur konsequent, diese Feature weiter wegzulassen. Weil es dann irgendwann aber komisch aussah, hab ich angefangen, wenigstens Münder reinzusetzen."
Früher Wunsch nach künstlerischer Ausrichtung
Aufgewachsen ist sie in Wilhelmsdorf, einem, wie sie sagt "ganz, ganz kleinem Dorf" in der Nähe von Haste - rund 30 Kilometer westlich von Hannover. Der Slogan des Örtchens ist "Klein, aber oho", erzählt Lisa Tegtmeier grinsend. Zum Zeichnen kommt sie, weil sie Einzelkind war und im Umfeld auch keine weiteren Kinder waren, erinnert sich die Illustratorin: "Bei größeren Familienfeiern, das hab ich noch genau im Kopf, wenn dann da die Erwachsenen stundenlang saßen und sich unterhalten haben, wollte ich mich irgendwie beschäftigen. Und da habe ich einfach gezeichnet. Meine Mutter hat sich auch immer mit mir hingesetzt und Blatt Papier und Stifte rausgeholt und mit mir als Kind gezeichnet. Ich habs in der Freizeit auch immer gerne gemacht."
So ist es kein Wunder, dass der Wunsch "irgendwas mit Kunst zu machen" immer stärker wird. Während eines Berufsorientierungs-Seminars in der Schule hört sie zum ersten Mal den Begriff Kommunikationsdesign "und da dachte ich, dass ich ja genau das, was ich will: kreativ sein und zeichnen, das geht doch genau in die Richtung, wo ich immer hin will." Gesagt, getan. Braunschweig wird ihre erste Anlaufstation. Nach dem Abschluss dort geht es nach Hamburg an die HAW. Die Hochschule für angewandte Wissenschaften lockt zahlreiche junge kreative Köpfe mit ihren berühmten Illustrations-Angeboten. "Ich wollte von Anfang an in den Editorial Bereich, das heißt hauptsächlich für Magazine, Zeitschriften oder Web-Zeitungen illustrieren."
Der Stil, ein Happy End und das Problem mit der KI
Der Erfolg ihres Stils bleibt nicht lange aus. Ende 2017 erhält sie den Auftrag einer US-amerikanischen Event-Website. "Es war, als hätte jemand eine Büchse aufgemacht und plötzlich sprudelten die Aufträge rein", erinnert sich Lisa Tegtmeier. "Das wurde dann so eine One-Page, durch die man sich dann so durchscrollen musste und die Illustrationen flossen dann immer in die Gestaltung der Website über. Und darauf hin meldeten sich viele andere Kunden, die das halt gesehen und toll fanden und so etwas Ähnliches für ihre Website haben wollten." Unterschiedlichste Anfragen und Aufträge folgten, so zum Beispiel für Magazine oder Packaging. Leider blieb das Studium bei aller Arbeit liegen - bis heute - ein Happy End mit Abschluss ist aber in Sicht.
Das ist beim aktuellen Einsatz von KI in der Illustrations-Branche derzeit nicht zu sehen. Lisa Tegtmeier macht sich auch Sorgen, "aber eher, dass Laien die Ergebnisse sehen und die Unterschiede nicht erkennen. Ich weiß, dass die Bilder nie so aussehen, wie von mir und ich habe Sorge, dass das Laien nicht auffällt und meinen Stil, an dem ich so lange Jahre gearbeitet habe, so ein bisschen durch den Dreck geschliffen wird und dann aussieht wie eine schlechte Arbeit von mir." Das ganze Thema ist auch für die Illustratorin sehr komplex, doch die Urheberrechte der Künstlerinnen sieht sie ebenfalls nicht ausreichend gesichert, "und das ist das allergrößte Problem daran."
Reise nach Japan "unheimlich inspirierend"
Für das neue Jahr liegen schon wieder neue Aufträge vor, aber auch neue Urlaubsziele, denn die bringen, wie die kürzliche Reise nach Japan, wieder viel Neues: "Ich war schon in meinen Teenagerjahren ein großer Manga- und Anime-Fan und hab das damals auch gezeichnet, deshalb wollte ich dort immer Mal hin. Und es war genauso wie ich es mir vorgestellt hatte. Bunt, poppig und schrill, aber auch das Traditionelle, wie die Tempel oder die Schreine und die Natur. Alles zusammen fand ich einfach nur unheimlich inspirierend." Bleibt also abzuwarten, was wir demnächst von Lisa Tegtmeier entdecken werden.