VIDEO: Der Comic-Pionier aus Dithmarschen: Rudolph Dirks (3 Min)

Rudolph Dirks: Der Urvater des Comics kommt aus Heide

Stand: 08.08.2024 10:00 Uhr

Rudolph Dirks hat einen der ältesten Comics weltweit erfunden - und mit ihm die Sprechblase. Inspiriert waren die "Katzenjammer Kids" des Cartoonisten aus Heide von "Max und Moritz".

von Irene Altenmüller

Hans und Fritz sind wahre Lausbuben, sie spielen ihren Mitmenschen böse Streiche: Mal experimentieren sie mit Sprengstoff, mal binden sie Hund und Katze an den Schwänzen zusammen, mal täuschen sie ihre eigene Entführung vor. Ihre arme "Mama" und ihr grummeliger Ziehvater, der "Captain", haben ihre liebe Not mit den garstigen Zwillingen - und das bereits seit mehr als 125 Jahren. Seit 1897 verfolgen Leser in aller Welt die Untaten der beiden "Katzenjammer Kids" - und amüsieren sich köstlich über die kleinen Unholde. Schöpfer der beiden anarchischen Anti-Helden ist Rudolph Dirks, ein deutscher US-Einwanderer aus dem Kreis Dithmarschen. In den USA wird der Comic-Pionier seit Langem verehrt, in Deutschland ist er noch immer weitgehend unbekannt.

Comic-Pionier Dirks: Von Heide nach New York

Blick in die Ausstellung in Heide zu Rudolph Dirks und den "Katzenjammer Kids". © Museumsinsel Lüttenheid, Heide
Zum 125-jährigen Bestehen der "Katzenjammer Kids" gab es in Heide eine Aussstellung.

Geboren wird Dirks am 26. Februar 1877 in Heide. Als Rudolph sieben Jahre alt ist, wandert die Familie nach Amerika aus und lässt sich in der Nähe von Chicago nieder. Die Leidenschaft des jungen Dirks ist das Zeichnen. Bereits als 16-Jähriger veröffentlicht Dirks erste Illustrationen, wenig später zieht er nach New York. Dort kommt Dirks beim "New York Journal" unter, eine der führenden Boulevard-Zeitungen des mächtigen Publizisten William Randolph Hearst. Dirks soll für das Blatt eine farbige Bilder-Serie entwickeln, erwünscht ist etwas Satirisches im Stil von "Max und Moritz" von Wilhelm Busch.

Dirks erfindet die Sprechblase

Ausschnitt aus dem Comic "Katzenjammer Kids" von Rudolph Dirks aus dem Jahr 1911. © Museumsinsel Lüttenheid, Heide
Mit Sprechblasen, Lautmalerei und Bewegungs-Strichen prägte Dirks den modernen Comic.

Und Rudolph Dirks liefert: Am 12. Dezember 1897 erscheint die erste Folge der "Katzenjammer Kids" mit Hans und Fritz, die auch optisch an "Max und Moritz" erinnern. Schon bald experimentiert Dirks mit neuartigen Stilmitteln und etabliert Standards, die bis heute moderne Comics prägen: Seine Figuren reden über Sprechblasen, Striche und Staubwolken signalisieren schnelles Wegrennen, Sternchen über dem Kopf stehen für Schmerzen.

Die "Katzenjammer Kids" sind ein durchschlagender Erfolg und lassen die Zeitungsauflage in die Höhe schießen. Jeden Sonntag verfolgt eine riesige Leserschaft die jüngsten Streiche der Rabauken, die für die beiden nicht selten mit einer Tracht Prügel enden.

"Katzenjammer Kids": Verkaufsschlager auf "Denglisch"

Historische Aufnahme des Comiczeichners Rudolph Dirks. © Museumsinsel Lüttenheid / Heide
Seine populären Comics machten Rudolph Dirks in den USA zu einem reichen Mann.

Charakteristisch für die Serie ist der besondere Slang der Figuren: Sie verwenden ein mit deutschen Wörtern und Konsonanten gespicktes Englisch, das dem harten Akzent deutscher Auswanderer nachempfunden ist: "You haff vent too far mit me", beschwert sich etwa einer der Gepiesackten über die Rotzlöffel. "Dunner und Blitzen", entfährt es dem "Captain", wenn die beiden ihm mal wieder das Leben schwer machen.

Mit seinem speziellen "Denglisch" kommt der neue Comic sowohl bei den zahlreichen deutschen Einwanderern als auch bei anderen Lesern gut an. Dass die Comic-Serie im Gegensatz zu anderen Bildergeschichten ganz ohne moralische Belehrungen daherkommt, macht sie umso beliebter. Sie sind Slapstick um des Slapsticks willen, ohne erhobenen Zeigefinger - das lieben die Leser.

"Rudolf Dirks ist auf jeden Fall sehr wichtig für die moderne Comic-Welt, weil irgendwie in jedem Comiczeichner ein bisschen was von Rudolf Dirks steckt, weil er ganz zu Anfang an der Wiege des Mediums Comic stand und wegweisende Dinge eingebracht hat, wo man sagt, das erkennen wir heute als modernen Comic." Tim Eckhorst, Comic-Experte und Rudolph-Dirks-Kenner

1912: Dirks streitet um die Rechte am Comic

1912 wird die Serie zeitweilig unterbrochen: Dirks will zur "New York World" des Medien-Moguls Joseph Pulitzer wechseln, Hearsts schärfstem Konkurrenten. In einem Gerichtsprozess erstreitet sich Hearst die Rechte am Titel "Katzenjammer Kids", Dirks bleiben die Rechte an den Charakteren. Er führt die Serie für die "World" unter dem Titel "Hans und Fritz" weiter.

Ausschnitt aus dem Comic "The Captain and the Kids" von John Dirks aus dem Jahr 1964. © Museumsinsel Lüttenheid, Heide
Rudolph Dirks' Sohn John führte die beliebte Comic-Serie unter dem Titel "The Captain and the Kids" weiter.

Später übernimmt sein Sohn John den erfolgreichen Comic unter dem Titel "The Captain and the Kids". Bis Ende der 1970er-Jahre erscheinen die Streiche der beiden Lausbuben. Die Serie mit dem Originaltitel "The Katzenjammer Kids" wird sogar noch heute in Skandinavien verlegt. Mit über 125 Jahren ist sie die älteste Comic-Reihe der Welt. Ihren Schöpfer haben die Comic-Lausbuben damit um Jahrzehnte überlebt. Rudolph Dirks stirbt am 20. April 1968 mit 91 Jahren in New York. Seit 2016 ist der Award der deutschen Comic Convention nach ihm benannt.

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