Wie Künstler und Künstlerinnen Mütter darstellen
Woher kommen die Leitbilder, die bis heute unsere Vorstellungen von Mutterschaft prägen? Ein Ausflug durch die Kunstgeschichte vom mittelalterlichen Madonnenbild bis zum Social-Media-Post gibt Rückschlüsse.
Einen Monat nach der Geburt ihrer Zwillinge postet Beyoncé 2017 ein Foto auf Instagram: Das Bild zeigt die Pop-Diva mit den Säuglingen im Arm, gerahmt von einem Blütenkranz. Auf den Haaren trägt sie einen langen blauen Schal, dazu passend ein Gewand voller Rüschen. Ihre Follower sehen das Bild zum ersten Mal und doch kommt es ihnen bekannt vor.
Die Musikerin bedient sich eines uralten Motivs. Sie stellt sich selbst im Stil einer Madonna mit Kind dar und vermittelt damit die Botschaft: Seht her, ich bin eine gute Mutter - so edel und rein wie die Jungfrau Maria. Johan Holten ist Leiter der Mannheimer Kunsthalle, er sagt: "Man sieht, dass dieses Bild der christlichen Madonnenfigur eine Auswirkung auf unsere Gesellschaft – ob religiös oder nicht – hat wie kein anderes Mutterbild." Der Kunsthistoriker hat sich intensiv mit Mutterdarstellungen beschäftigt.
Entwicklung der Mutterdarstellung im 20. Jahrhundert
Seit dem Mittelalter ist die Madonna mit dem Kind das am meisten reproduzierte Muttermotiv. Erst Anfang des 20. Jahrhunderts entwickeln sich Gegenbilder, so Holten: "Das ist in der Tat die Wende, indem die Mütterfiguren ab dem frühen 20. Jahrhundert nicht mehr nur von Männern, sondern auch von Frauen dargestellt wurden."
Auf ihren Gemälden hat Kinderkriegen nichts mit religiöser Verzückung zu tun, es ist eine zutiefst körperliche Angelegenheit: Paula Modersohn-Becker präsentiert 1906 als erste Künstlerin ein Selbstporträt mit nacktem Babybauch. Ihre Kollegin Charlotte Berend-Corinth geht zwei Jahre später noch einen Schritt weiter und malt sich selbst in den Geburtswehen. Ein zeitgenössischer Kunstkritiker beschreibt das Bild als Werk: "… mit widerlichem Beigeschmack."
Ambivalente Gefühle der Mutterschaft im Fokus
Auch den Nationalsozialisten missfallen solche Gemälde. Wie Mütter darzustellen sind, geben nun Hitler-treue Maler wie Karl Diebitsch oder Richard Heymann vor: Die deutsche Frau zuhause - im Kreis ihrer blondgelockten Kinderschar, erklärt Holten: "Das dauerte dann tatsächlich sehr lange, bis man in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts sehr viel vielfältigere Modelle von Mutterschaftsdarstellungen in der Bildenden Kunst bekam."
Malerinnen wie Alice Neel oder Chantal Joffe rücken die ambivalenten Gefühle ins Licht, die mit dem Kinderkriegen verbunden sind: die Angst, dem Ideal der "Supermutti" nicht zu genügen. Oder die Wut darüber, dass Mutterschaft für die meisten Künstlerinnen noch immer einen Karriereknick bedeutet. Heute findet die Verweigerung der Mutterrolle in der Kunst ebenso ihren Platz wie neue Formen der Mutterschaft: Catherine Opie, US-amerikanische Fotografin und bekennende Lesbe, porträtiert sich selbst beim Stillen ihres Sohns und richtet damit den Blick auf die Eltern in der homosexuellen Community. Andere Künstlerinnen kritisieren, wie Holten sagt, "welches Unglück dieses Super-Mom-Bild mit sich bringen kann. Zum Beispiel für die ungewollt Kinderlose."
Parodie der idealen Mutterschaft
Die Finnin Elina Brotherus dokumentiert ihre vergeblichen Versuche, schwanger zu werden. Auf ihren Bildern reihen sich Medikamente aneinander, die sie einnehmen musste, um ihre Fruchtbarkeit zu steigern. Am Ende der Tortur lichtet die Künstlerin sich selbst im Madonnenstil ab. Allerdings nicht mit einem Kind, sondern mit einem Dackel im Arm.
Trotzig streckt sie den Mittelfinger nach oben und verkündet den Vorzeigemüttern dieser Welt: "Mein Hund ist niedlicher als dein hässliches Baby." Brotherus zeigt einmal mehr: Das Madonnenmotiv ist in der Kunst so präsent wie eh und je. Als Modell idealer Mutterschaft lässt es sich nicht nur kitschig überhöhen, sondern auch wunderbar parodieren.