Eine weinende Frau hält ein Plakat hoch, auf dem ein junger Mann abgedruckt ist. © dpa Foto: Ilia yefimovich
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AUDIO: Zeugnisse des 7. Oktober: "Stimme derer, die zum Schweigen gebracht wurden" (5 Min)

Zeugnisse des 7. Oktober: "Stimme derer, die zum Schweigen gebracht wurden"

Stand: 07.10.2024 11:56 Uhr

Wie ist es möglich, weiter zu schreiben, Konzerte zu geben und Filme zu drehen, wenn die Trauer einen lähmt? Über Bücher, Filme und Konzerte, die trotzdem entstanden sind und den Schmerz des 7. Oktober zu verarbeiten versuchen.

von Severine Naeve

"Israel, 7. Oktober. Protokoll eines Anschlags" - das ist der Titel des Buches der Journalistin Lee Yaron, das im September erschienen ist. Die gebürtige Israelin erzählt Geschichten von Frauen, Kindern und Männern, die an diesem Tag ermordet wurden. Yaron hat hunderte Interviews mit Angehörigen und Überlebenden geführt. Sie hat letzte Anrufe, Chats und Textnachrichten von Menschen festgehalten, die wussten, dass sie bald sterben werden.

Autorin Lee Yaron: "Es hat mir auch Kraft gegeben" 

Im Gespräch mit dem ARD-Magazin Titel, Thesen, Temperamente erzählt die Journalistin bei der Buchpremiere in New York: "Dieses Buch zu schreiben war äußerst schmerzhaft für mich, auch die Gespräche mit den vielen Familien. Aber es hat mir auch Kraft gegeben - und eine Mission. Es hat mich vor Depressionen bewahrt, weil ich damit zur Stimme all dieser Menschen wurde, die zum Schweigen gebracht wurden."

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Es ist schwer auszuhalten, diese Protokolle so vieler sinnloser Tode zu lesen. Yaron hofft, dass sie dennoch damit auch ein Manifest der Hoffnung geschaffen hat: "Meine ersten Erinnerungen beginnen mit der Intifada, als Busse neben mir explodierten. Aber ich will daran glauben, dass ich meinen Kindern eine bessere Zukunft bieten kann. Ich glaube, dass gerade meine Generation darum kämpft. Und ich teile nicht die Überzeugung, dass wir nur durch Krieg geschützt werden können." 

Film "Beethovens Neun": Hoffnung auf eine bessere Menschheit 

"Alle Menschen werden Brüder" - das ist das Thema des Dokumentarfilms "Beethovens Neun", derzeit zu sehen in der Arte Mediathek. Es geht um die Hoffnung auf eine bessere Menschheit - und ob wir dieser in den 200 Jahren, seit Beethoven seine 9. Sinfonie komponiert hat, überhaupt etwas näher gekommen sind. 

Der 7. Oktober brach mitten in die Dreharbeiten des Films herein. Die Schwester des Regisseurs Larry Weinstein ist mit ihrem Mann aus ihrem Kibbuz in Israel direkt den Terroristen der Hamas in die Arme gelaufen. "Sie trafen zuerst auf meine Schwester Judy und ihren Mann Gadi", erzählt Larry Weinstein. "Ich sah die Nachricht, die Judy an ihre Kinder geschickt hatte: 'Gadi wurde angeschossen und ist schwer verletzt. Ich bin auch verwundet, aber es ist nicht so ernst. Ruft bitte jemanden, der uns holt.'" 

"Regisseur Larry Weinstein wollte unbedingt weitermachen"

Die Hamburger Produzentin des Films, Maria Willer, erzählt: "Unser Regisseur Larry Weinstein wollte unbedingt weitermachen. Wir hatten ihm auch freigestellt, den Film zu pausieren oder ganz aufzuhören. Vielleicht war es auch ein Stück therapeutisch. Im Laufe der Dreharbeiten ergab es sich, dass er vor seine eigene Kamera getreten ist und als Erzähler diesen Film nochmal ganz anders übernommen hat, nämlich viel persönlicher."

Die Hoffnung, die die weiteren Dreharbeiten begleitet hat, erfüllt sich nicht. "Am letzten Drehtag gab es die Nachricht vom israelischen Geheimdienst über einen Fotobeweis, dass die Schwester von Larry Weinstein tot ist, wahrscheinlich schon seit dem 7. Oktober", so Willer. "Das war natürlich eine wahnsinnig traurige Nachricht. Aber die Hoffnung auf eine bessere Menschheit bleibt bestehen. Ich glaube, genau davon erzählt unser Film mit ganz verschiedenen Facetten." 

Regisseur Weinstein teilt diese Hoffnung. Kurz nachdem ihn die schreckliche Nachricht erreicht hat, spricht er in die Kamera: "Ich möchte an das glauben, worum es in diesem Film geht. Ist es die beste aller Welten? Nicht heute Nacht."

Igor Levits Konzerte gegen das Schweigen in Deutschland 

Der deutsch- jüdische Pianist Igor Levit organisiert Konzerte gegen das Schweigen, erst gerade wieder in der Hamburger Elbphilharmonie. Es sind Konzerte gegen das Schweigen, das er nach dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober als sehr schmerzhaft empfunden hat. 

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Auch Igor Levit hat sich im vergangenen Jahr gefragt, ob er das aushalten kann, ob er leben kann in einem Land, in dem Antisemitismus immer mehr Teil seines Alltags wird: "Ich habe mir schon die Frage gestellt, ob ich das noch will. Stand heute: Ja. Aber auch ich habe rote Linien. Grob gesagt: Wenn ich keine Lust mehr habe, auf das 'Ja, aber…'"

Unvergessen bleibt, was die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer bei dem ersten Konzert im November 2023 gegen das Schweigen zu sagen hatte, leise und eindringlich: "Wir sind doch alle Menschen, kommen alle auf dieselbe Art und Weise auf diese Welt. Wir müssen menschlich sein."

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 07.10.2024 | 09:20 Uhr

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