Ära Post-Neumeier: Demis Volpi präsentiert seine Ballettwerkstatt
Mit seiner ersten Ballettwerkstatt hat Ballettintendant Demis Volpi sich dem Hamburger Publikum vorgestellt. Die letzten 241 Werkstätten hatte sein Vorgänger John Neumeier moderiert - 51 Jahre lang. Zum Auftakt gab es Standing Ovations.
Kurz vor halb elf an Hamburgs Dammtorstraße: Aus der U-Bahn Haltestelle Stephansplatz strömt eine Menschenmenge entschlossen in Richtung Staatsoper. Allerdings mit etwas Unsicherheit im Gepäck. Schließlich ist heute die erste Ballettwerkstatt ohne John Neumeier.
Für den neuen Ballettintendanten Demis Volpi gibt es kein Zurück mehr: Die Feuerprobe startet pünktlich um 11 Uhr. "Es ist schon aufregend gewesen", wird Demis Volpi später in einem kurzen Gespräch sagen. Dieses wichtige, beliebte Format, zum ersten Mal Ballettwerkstatt in Hamburg für ihn, präsentiert er zum ersten Mal vor dem Hamburger Publikum.
Faszinierender Einblick in die Probenarbeit
Die Aufregung hat man ihm nicht angemerkt: "Guten Morgen liebes Publikum, ich bin Demis Volpi, Intendant des Hamburg Ballett. Die Ballettwerkstatt ist ein großartiges Format, das mein Vorgänger John Neumeier ins Leben gerufen hat und das uns immer wieder die Chance geben wird, ihnen Einblicke in unsere Arbeit zu geben."
Das wird es - ein faszinierender Einblick in die Probenarbeit. Schon deshalb, weil sehr verschiedene Tanzsprachen an diesem Vormittag vorgestellt werden - auf Spitze, in Schläppchen, in Turnschuhen. Eine Herausforderung, die das Hamburg Ballett mit Bravour meistert.
Demis Volpi: "Die Euphorie des Anfangs spürt man einfach."
Seit drei Wochen wird für die besondere Premiere Ende September geprobt, bei der Stücke von vier unterschiedlichen Choreografen zu sehen sind. "Ich glaube, dass die Compagnie die Arbeit sehr genießt und vieles entdeckt", findet Volpi. "Die ersten zwei Wochen waren körperlich auch sehr anstrengend - bis sich die Körper daran gewöhnen, sich anders zu bewegen und anders zu arbeiten. Ich denke, die Stimmung ist sehr positiv. Die Euphorie des Anfangs, die spürt man einfach."
Mit einem Stück von Pina Bausch holt Demis Volpi Tanzgeschichte in die Gegenwart: "Dieses Stück 'Adagio' hatte 1974 seine Uraufführung und wurde seitdem nicht mehr getanzt", erklärt der Ballettdirektor. Ziemlich spektakulär also.
Jo Ann Endicott war mit 24 Jahren damals bei Pina Bausch dabei. Sie studiert das Stück jetzt mit dem Hamburg Ballett ein und erzählt darüber auf der Staatsopern Bühne in der Ballettwerkstatt: über das Suchen nach den richtigen Schritten, die Detailarbeit, das Verinnerlichen in Körper und Herz der Tanzenden, das besondere an der großen Choreografin.
Stehende Ovationen zum Schluss
Auch die Ballettmeister, die die anderen Stücke für die Premiere in zwei Wochen einstudieren, zeigen ihre Probenarbeit: zu den intimen "Variationen für zwei Paare" von dem großen Minimalisten Hans van Manen oder dem mit Hoffnung aufgeladenen "The thing with feathers" von Demis Volpi selbst. Der läßt den anderen viel Platz - dem Ensemble und den Ballettmeistern.
Am Schluss zeigt die Compagnie Probenauszüge aus Justin Pecks "The times are racing". Ein rasantes "Turnschuh- Ballett", das die Gemeinschaft feiert - mehr als ein Hauch von Broadway. Da hat sich die Energie, die Intensität und der Spaß schon längst ziemlich mühelos durch die Staatsopern-Reihen geschlängelt.
Nach zwei Stunden "Proben-Inside" gab es Standing Ovations - schon bei der allerersten Ballettwerkstatt von Demis Volpi in Hamburg. Volpi selbst bleibt nach den stehenden Ovationen bescheiden: "Das ist ein tolles Signal, dass das Publikum auch die Compagnie weiter mit Neugierde und Interesse begleiten wird."