Staatsoper Hannover: Goecke-Ballett ohne Goecke
Die Hundekot-Attacke des ehemaligen hannoverschen Ballettdirektors machte international Schlagzeilen. Wie wirkt sich das auf die neue Spielzeit der Staatsoper Hannover aus?
Als Choreograf feierte Marco Goecke weltweit Erfolge, doch außerhalb der Tanzszene wurde er auf unrühmliche Art bekannt: Im Februar 2023 schmierte der damalige Ballettdirektor der Staatsoper Hannover der Journalistin Wiebke Hüster Hundekot ins Gesicht. Vor der Attacke im Foyer der Oper, die international für Schlagzeilen sorgte, warf er der Kritikerin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vor, "immer schlimme, persönliche" Kritiken zu schreiben. Die Journalistin und ihre Zeitung erstatteten Anzeige.
Goecke-Ballett ohne Goecke
Ausgerechnet am Eröffnungswochenende der Spielzeit 2023/2024 war in der Staatsoper Hannover wieder ein Goecke-Stück zu sehen. Es handelt sich um die Wiederaufnahme des Balletts "A Wilde Story", das sich um den Schriftsteller Oscar Wilde dreht. Vorab gab es Irritationen, denn Goecke kündigte in einem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung" Ende August an, für die Wiederaufnahme "sicher an das Haus zurückzukommen". Zunächst hatte die Staatsoper bestätigt, dass der Choreograf die Proben begleiten werde. Doch nach heftiger Kritik des niedersächsischen Kulturministers Falko Mohrs (SPD) sagte Intendantin Laura Berman, dies sei "nicht der richtig Zeitpunkt" und sie teile "die Bedenken des Ministers". Wenige Tage nach der Hundekot-Attacke vor sieben Monaten hatte die Staatsoper Goeckes Vertrag als Ballettdirektor mit sofortiger Wirkung und im gegenseitigen Einvernehmen aufgelöst.
Neue Pläne mit der Staatsoper Prag
Gegen den früheren Ballettdirektor wird laut Staatsanwaltschaft Hannover wegen einfacher Körperverletzung und Beleidigung ermittelt. Dies zieht sich hin. Ein Ergebnis sei frühestens in zwei bis drei Wochen zu erwarten, sagte ein Behördensprecher. Goecke selbst erklärte in dem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung den Angriff mit einem Burn-out: "Es ist tragisch, was passiert ist, und auch zu bereuen", sagte der 51-Jährige. Gleichzeitig berichtete der Choreograf von neuen Plänen unter anderem mit der Staatsoper in Prag. Das Wichtigste für ihn sei gerade aber, sich um seinen inzwischen schon 15 Jahre alten Dackel Gustav zu kümmern.
Intendantin Berman zur Causa Goecke
Als Laura Berman in der Spielzeit 2019/20 als Intendantin an der Staatsoper Hannover antrat, sah die Gesamtsituation noch ganz gut aus. Doch dann kam 2020 die Pandemie, 2022 der Krieg in der Ukraine und 2023 die Hundekot-Attacke. Während Pandemie und Krieg vor allem die Mitglieder des Hauses stark beschäftigt haben, hatte die Causa Goecke vornehmlich Einfluss auf das Image des Hauses. Aber nur negativ? Da ist sich Berman nicht sicher: "Im Grunde genommen ist man durch diese Attacke darauf aufmerksam geworden, dass wir eine Weltklasse-Ballettkompanie hier in Hannover haben," so die Intendantin im Gespräch mit NDR Kultur. Marco Goecke habe phantastische Tänzer*innen und ein tolles Team mitgebracht, was vielen vorher gar nicht bewusst gewesen sei. "Jedes Mal, wenn die Attacke erwähnt wird, denke ich: Oh nein, jetzt geht die Aufmerksamkeit weg von unseren künstlerischen Anliegen. Das ist natürlich sehr, sehr, sehr schade." Das sei frustrierend, so Berman.
Nach über 40 Jahren wieder ein neuer Parsifal
Zum Auftakt der Spielzeit 2023/2024 hofft die Intendantin, dass der Fokus wieder auf die Kunst gerichtet wird: "Wir freuen uns auf eine großartige Eröffnungspremiere mit einer Richard-Wagner-Oper: Erstmals seit mehr als 40 Jahren gibt es in Hannover einen neuen Parsifal." Regie führt Thorleifur Örn Arnarsson, der im nächsten Jahr auch bei den Bayreuther Festspielen debütieren wird. Traditionell falle auf das Wochenende der ersten Premiere auch die erste Vorstellung des Staatsballetts, erläutert Berman. "A Wilde Story" sei die beim Publikum gefragteste Ballett-Produktion der vergangenen Spielzeit gewesen. "Marco Goecke wurde damals mit dem Deutschen Tanzpreis geehrt", erinnert sich die Intendantin. Die Ensembles an der Staatsoper seien jedoch davon ermüdet, dass sich ein Teil der Aufmerksamkeit allein auf den Fakt beschränke, dass Goeckes Werk in Hannover überhaupt wieder gespielt werde.