Kommentar zur Causa Goecke: Wann verjährt Hundekot?
Der Choreograf und der Hundekot: Marco Goecke sollte an die Staatsoper Hannover zurückkehren, doch daraus wird jetzt nichts. Wie ein Rückzieher zum Minidrama und zum kommunikativen Desaster wurde - ein Kommentar von Peter Helling.
Theater, sagt man - ist Drama! Entäußerung! Immer auf die zwölf. Und es gibt diesen Spruch im Theater: Das Leben schreibt die besten Stücke. Marco Goeckes Hundekot-Attacke auf die Kritikerin Wiebke Hüster im Februar gehört eher ins Fach "schlechter Molière, eine fade Typenkomödie mit viel 'Merde'". Sie gehört längt zu den Sottisen der jüngeren deutschen Theatergeschichte. Für die Kritikerin schrecklich. Der Kot in Hannover ist längst weggewischt, noch aber hallt sie nach - die Attacke!
Welche Koinzidenz: Am Donnerstag erst hat die Zeitschrift Theater Heute in ihrer jährlichen Kritiker- und Kritikerinnenumfrage verfügt: Goeckes "Ranschmeißer" ans Zeitgenössische ist das "Ärgernis des Jahres". Hundekot trocknet, wenn er geworfen wurde: Verjähren tut er nicht so leicht. Hartnäckig sitzt der Fleck.
Goecke kehrt doch nicht an Staatsoper zurück
Ausgerechnet heute - so schreibt es das Leben - fand auch eine Pressekonferenz an der Staatsoper Hannover statt, bei der es eigentlich um etwas anderes ging, um neue Werkstätten. Intendantin Laura Berman und ihr Haus wollten den Choreografen wohl wieder in Gnaden aufnehmen, durch die Hintertür für Wiederaufnahmeproben. Nun aber der nächste Knall: Niedersachsens Kulturminister Falko Mohrs schleudert den Donnerkeil und sagt: "Nein, der bleibt weg."
Und so bleibe es vorerst, kuscht kleinlaut die Intendantin. Wie mies muss man kommunizieren, um den Hundekot so grob aufzuwärmen? Philosophisch argumentiert: Wann ist es gut mit der Schuld, wann verjährt der Dreck von gestern? "Vogelschiss" verjährt nicht, Herr Gauland - und Hundekot? Ist es irgendwann mal gut? Reicht die Hunderunde um den Wohnblock? Ein Bußgewand? Ein Trauerjahr? Das Ganze ist eigentlich zu erbärmlich, um darüber zu reden.
Aber: ein halbes Jahr ist zu kurz, um zum Alltag zurückzukehren - da hilft auch Goeckes Zerknirschung nicht, die zu spät kam. Die Verletzung sitzt zu tief. Ego-versessene Künstler, Künstlerinnen, die sich entäußern, sind das eine - künstlerische Prozesse an einem Theater das andere. Die sind höchstsensibel. Da braucht es Schutz, für die Kritikerin, das Ensemble, Schutz für die fragilen Choreografien, Schutz auch des Publikums, damit es endlich wieder Tanz genießen kann, statt an Marco Goecke beim Anblick eines Dackels zu denken.