Hundekot-Attacke: Theaterhaus Jena bringt Goecke-Vorfall auf Bühne
Im Februar beschmierte Choreograf Marco Goecke eine Kritikerin mit Hundekot. Nun will das Theaterhaus Jena den Vorfall im Stück "Die Hundekot-Attacke" aufarbeiten. Eine Vorstellung über Finsternis, Schönheit und Vergebung solle es werden.
Die Theatersaison geht in diesen Tagen wieder los. Auf den Spielplänen finden sich auch in der neuen Spielzeit wie immer ein paar Klassiker - Goethe am Volkstheater Rostock, Ibsen am Schauspiel in Hannover. Auch zeitgenössische Literatur bekommt ihre Bühnenversion - gerade hat im Hamburger Thalia eine Inszenierung von "Noch wach?", dem aktuellen Roman von Stuckrad-Barre, Premiere gefeiert. Es braucht aber nicht immer eine Buchvorlage - auch das Tagesgeschehen kann als Inspiration dienen. Theater soll aktuell sein, soll uns etwas über unsere Gesellschaft erzählen, über unsere Zeit. Ein Beispiel dafür ist die neue Ensemble-Produktion am Theaterhaus in Jena. NDR Kultur Redakteurin Alexandra Friedrich ist ins Studio gekommen. Sie weiß mehr drüber.
Der Titel des Stücks ist ja "Die Hundekot-Attacke", das lässt schon ahnen, worum es geht: um einen gekränkten Tanzchoreografen und seinen Dackel?
Alexandra Friedrich: Ja, damit liegst du goldrichtig. Ende Februar in der Staatsoper Hannover, wir erinnern uns: Der damalige Ballettdirektor Marco Goecke schmiert in der Pause eines Ballettabends der Tanzkritikerin Wiebke Hüster Hundekot seines Dackels Gustav ins Gesicht - mit der Konsequenz, dass er die längste Zeit Ballettchef gewesen ist. Seither poppt das Thema immer wieder auf, ist nicht totzukriegen. Während sich die einen fragen, wann wir die unappetitliche Causa endlich ruhen lassen können, finden andere, dass sie auf die Bühne müsse. So auch der niederländische Regisseur Walter Bart vom Theater aus Jena. Er begründet das so:
Wir suchen im Theaterhaus Jena immer nach aktuellen Themen - die reagieren auf die Zeit, in der wir leben. Der Vorfall in Hannover hat uns nicht losgelassen, und die Themen, die verwirren, sind doch immer die Besten für eine Produktion. Regisseur Walter Bart
Friedrich: Bewegende und aktuelle Stoffe will das Theaterhaus Jena. Und aktuell sind sie damit ja tatsächlich. In der Sache steckt ja noch immer Dynamik. Aber hier geht's wohl auch nicht darum, das Ganze faktengetreu auf die Bühne zu bringen.
Gibt es denn schon Infos dazu, wie der Stoff konkret aufbereitet wird?
Friedrich: Der Untertitel heißt "Eine Vorstellung über Finsternis, Schönheit und Vergebung, basierend auf einer wahren Begebenheit". Es wird also erzählerische Freiheit genutzt, aber das Setting ist auch ein Theater ...
Wir sehen eine Gruppe von Schauspielenden in der Thüringer Provinz, auf der Suche nach Schönheit und Unsterblichkeit. Am Ende dieser Spielzeit endet ihr Engagement, und sie haben keine Arbeit mehr. Die überregionale Presse kommt auch nicht immer nach Jena, und die Schauspielenden verbinden sozusagen ihre eigene Existenz mit der der Kritikerin und der des Choreografen, die in den Hundekot-Eklat verwickelt waren. Regisseur Walter Bart
Friedrich: Klingt erst mal noch etwas abstrakt, aber den Ankündigungstext verstehe ich so: Das Theaterhaus Jena verbindet im Stück - ganz selbstironisch - die eigene Geschichte mit dem Eklat. Im Zentrum ein Theaterkollektiv, das - in der Hoffnung, so überregionale Aufmerksamkeit zu bekommen - die Hundekot-Attacke eines Choreografen auf eine Kritikerin zur Basis eines Theaterstücks macht. Und wie beim zugrundeliegenden Vorfall um Goecke geht es hier um das Verhältnis zwischen Kunst und Kritik, um Kränkung, und es wird viel gestritten.
Und wann können wir uns das anschauen?
Friedrich: Planmäßig gibt es am 26. Oktober eine öffentliche Generalprobe und die Premiere am Folgetag, am 27.10. So ganz in trockenen Tüchern scheint es aber nicht zu sein ...
Ich glaube, die Stimmung im Ensemble ist extrem differenziert. Wir sind gespannt, ob wir es zu einer Premiere bringen werden. Aber ein Choreograf gibt uns gerade Tanzunterricht, und einen Dackel haben wir auch schon gefunden. Das gibt Vertrauen. Regisseur Walter Bart
Das Gespräch führte Philipp Schmid.