Amelle Schwerk spielt in Elfriede Jelineks Stück "Asche"
Am Schauspiel Hannover feiert "Asche" von Elfriede Jelinek jetzt Premiere, Schauspielerin Amelle Schwerk spielt mit. Es geht um das ausbeuterische Verhältnis zwischen Mensch und Natur.
Elfriede Jelinek ist bekannt für ihre unverstellte, unbeirrte, reflektierte Art das Leben und die Welt zu betrachten. In ihrem schriftstellerischen Werk schreibt sie gegen politische, gesellschaftliche Missstände. Ihre Sprache ist immer provokant, glasklar, auch sarkastisch. 1975 gelang der Österreicherin der literarische Durchbruch mit ihrem Roman "Die Liebhaberinnen". Gedichte, Theaterstücke, Skandale, Preise folgten, inklusive Nobelpreis für Literatur.
Als Donald Trump 2016 zum US-amerikanischen Präsidenten gewählt wurde, schrieb Jelinek das Stück "Am Königsweg", das Falk Richter am Hamburger Schauspielhaus auf die Bühne brachte. Pünktlich zur erneuten Wahl von Trump inszenierte Richter, wieder in Hamburg, "Endsieg". Und am Schauspiel Hannover feiert "Asche" jetzt Premiere. Darin befragt Jelinek wütend, humorvoll, traurig das ausbeuterische Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Warum nur konnte es so weit kommen? Amelle Schwerk wird am 17. Januar in "Asche" auf der Bühne stehen. Vorher spricht die Schauspielerin mit Katja Weise in NDR Kultur à la carte über ihre Rolle, ihre Beziehung zu Elfride Jelinek und ihre Theaterarbeit.
Du spielst zum ersten Mal Jelinek, oder?
Amelle Schwerk: Ja, und ich habe auch davor noch nie etwas von ihr gesehen. Ich habe immer viel über Elfriede Jelinek gehört und ganz viele haben von ihr geschwärmt, andere haben gesagt, ich kann da nicht so richtig emotional oder sinnlich andocken. Ich finde, ihre Geschichten sind sehr sperrig. Man muss alle möglichen Schlupfwinkel oder Kurven finden oder sich einfach reinstürzen, um da einen eigenen Zugang zu finden. Ich finde, sie ist wahnsinnig speziell, und sie hat ihren eigenen Gedanken-Rhythmus. Entweder man versteht, was sie sagen will oder man muss die eigene Fantasie walten lassen. Dann ist da ganz schön viel möglich, dass ist total toll. Ich hatte an der Volksbühne mal ein Stück von Pollesch gesehen, wo Martin Wuttke die ganze Zeit gerufen hat: "Wie kann man sagen, ich verstehe es nicht, aber ich fand es gut." Da dachte ich, genauso ist es. Ehrlich gesagt, mag ich es gerne im Theater zu sitzen und zu denken: Ich verstehe es nicht, aber irgendwie finde ich es gut.
Du steckst mitten in den Endproben zu "Asche" von Elfriede Jelinek, am Schauspiel Hannover. Das ist ein sehr persönlicher Text von ihr, indem es zum einen um den Verlust ihres langjährigen Lebensgefährten geht, aber auch um den Verlust der Welt, den wir alle erleben und erleiden vor dem Hintergrund des Klimawandels. Das heißt, sie verbindet diese private Katastrophe mit der globalen. Ich fand es in Teilen einen erstaunlich zarten Text. Wie habt ihr euer Stück darin gefunden?
Schwerk: Regisseurin Lilja Rupprecht und Dramaturgin Nora Khuon haben die Fassung gemacht und haben darin versucht, für uns fünf Spielerinnen und Spieler Themen oder Schlagworte zu finden, die sich durchziehen. Jelinek hat im Laufe des Textes immer wieder bestimmte Dinge wiederholt, in verschiedenen Formulierungen oder sogar in der gleichen Formulierung. Das wurde jeweils einer Person zugeordnet. Ich würde sagen, sie setzt sich viel mit dem Verlust des Geliebten auseinander. Lilja hat mir ein paar Schlagworte gegeben: Öffentlichkeit und Werbung. Sie ist eine Inspiration und zeigt mir Spielideen auf. Für mich funktioniert die Zusammenarbeit mit Lilja immer wahnsinnig gut, da merke ich, es löst etwas in mir aus. Ich lasse das mal laufen und gucke, was auf der Bühne entsteht.
Da es keinerlei Situationen bei Jelinek gibt und auch keine durchführende Handlung oder Geschichte, kann man sich auch keinen Bogen von Anfang bis Ende bauen, wo man sagt, da ist der Einbruch, da geht es an die Emotionen, da geht man wieder raus in die Offensive. Man kann eigentlich nur versuchen, in größter Leichtigkeit und immer wieder mit Humor von Punkt zu Punkt zu springen. Manchmal sind solche Punkte wahnsinnig banal. Ich baue mir eine Situation, die nicht im Text steht, aber die was mit dem Bühnenbild und meinem Kostüm zu tun hat, indem ich mir am frühen Morgen eine Tasse Kaffee einschütte und dabei rede ich darüber, dass ich noch nicht tot bin und hingehen kann, wo ich will. Dem Gerät an meinem Handgelenk gebe ich jetzt mein Ziel ein und das andere Gerät in der Hosentasche fragt, ob das stimmt. Das heißt, das eine hat mit dem anderen erstmal nichts zu tun. Gleichzeitig sucht man nach einer Art von Haltung. Ich verstehe den Text als eine Anklage an die Menschheit über das, wozu man die Welt oder Erde hat kommen lassen.
Das Besondere an Jelineks Texten ist, dass es keine klassischen Theatertexte sind, sondern sie werden in der Regel als Textgebirge oder auch Textflächen beschrieben. Das heißt, es sind in diesem Fall über 25 Seiten Fließtexte, in denen es keine dramatische Handlung gibt und auch keine Charaktere. Das heißt, die Regie und das Ensemble haben alle Freiheiten, so sagt es die Literaturnobelpreisträgerin immer. Sie können ihre Figuren darin finden und ihre Geschichte erzählen. Um jetzt mal ganz konkret zu werden. In welcher Situation treffen wir denn das Ensemble?
Schwerk: An verschiedensten Orten, wir wechseln viel. Es gibt große Umbauten, die total Spaß machen. Wir fangen in einer Art Forschungsinstitut an, was auch Hotellobby sein kann. Ein Ort der letzten überlebenden Menschen in einer Welt, die es so nicht mehr gibt. Es gibt Türen, die nach draußen führen. Man weiß nicht, was draußen ist, was noch existiert. Wir gehen nie aus diesem Ort raus, sondern das endet mit einem Umbau. Dann entsteht die nächste Welt. Die letzten Menschen sind versammelt an einem Ort, an dem sie vielleicht schon hundert oder tausend Jahre sind, vielleicht auch erst seit ein paar Tagen.
Das Gespräch führte Katja Weise.