Text-Bild-Battle: Trauerbegleitung der anderen Art

Stand: 10.02.2025 14:52 Uhr

Tod, Trauer und Sterben zählen immer noch zu den Tabuthemen. Der Verein Hamburg Leuchtfeuer will dem entgegenwirken und hat mit zwei Autorinnen und zwei Zeichnern zu einem "Text-Bild-Battle" eingeladen - Lachen ausdrücklich erwünscht.

von Tristan Dück

Schauplatz Seniorenheim: "Ich denke eigentlich nie an die Alten. Wenn ich welche sehe, versuche ich das schnell zu verdrängen. Denn es piekst. Im Angesicht des Todes wird man an die eigene Sterblichkeit erinnert", trägt Liefka Würdemann in rasantem Tempo vor. Die Autorin steht im Hörsaal des Medizinhistorischen Museums am UKE in Hamburg. Der Verein Hamburg Leuchtfeuer hat zu einer ungewöhnlichen Infoveranstaltung eingeladen. Titel: "This is the End".

Die Autorinnen Liefka Würdemann und Annika Stracke sitzen nebeneinander im Hörsaal im Medizinhistorischen Museum Hamburg. © Screenshot
Die Autorinnen Liefka Würdemann und Annika Stracke wollen zur Enttabuisierung von Tod und Sterben beitragen.

Im Text von Liefka Würdemann heißt es weiter: "Was, wenn meine saftige Frische in den Alten eine Depression hervorruft? Egal, ich habe mich angekündigt. Es gibt also kein zurück." Und die Lacher sind ihr sicher.

Teils ganz persönliche Beweggründe

Gemeinsam mit ihrer Kollegin Annika Stacke hat Würdemann Texte zum Tabuthema Tod geschrieben - auch aus ganz persönlichen Beweggründen: "Ich finde, Tod ist allgegenwärtig und ich habe schon immer große Angst vor dem Tod gehabt, also dem Tod der mir nahestehenden Personen und auch vor meinem eigene Tod." Annika Stacke hat noch ein ganz anderes Anliegen: "Ich denke, der Menschheit wäre geholfen, wenn Trauern und der Tod nicht so ein Tabu wären. Denn das macht es den Trauernden noch viel schwerer als es sowieso schon ist."

Deswegen lesen die beiden Autorinnen rund ums Thema. "Das Handy aus im Krankenhaus, die Hose aus im Krankenhaus, den Schlüpper aus, weil Krankenhaus", slammt Annika Stracke. Parallel dazu bringen die beiden Zeichner Till Laßmann und Stefan Lompund das Gehörte zweihändig zu Papier.

Ein Abend ohne Tabus

Die beiden Zeichner Till Laßmann und Stefan Lompund sitzen nebeneinander in hölzernen Sitzreihen in einem Uni-Hörsaal. © Screenshot
Die Zeichner Till Laßmann und Stefan Lompund haben eine gewisse Freude am Makaberen.

"Eine Lust am Makaberen haben wir auf jeden Fall dabei und wir haben auch Spaß. Manchmal denke ich, ob das jetzt zu viel ist und man sich zu sehr in Klischees bewegt: Grabsteine, Schädel, weinende Menschen, Maden", sagt Stefan Lompund. Doch die Zeichnungen funktionieren, machen die Geschichten von Stracke und Würdemann sichtbar.

Denn an diesem Abend gibt es keine Tabus. Es geht auch um Todesangst, Todesangt beim Sex. "Solltest du nicht mal deine Sauerstoffsättigung prüfen? Ich hab' das Gefühl, du bist irgendwie kurzatmig. Nachher ist das Corona. Wenn du jetzt weitermachst, könnte es sein, dass du stirbst", liest Liefka Würdemann und wieder lacht der ganze Hörsaal.

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Lachen und Sterben gehen hier bestens zusammen. "Man lebt, um Spaß zu haben und nicht um traurig zu sein", sagt ein junger Mann. Und eine ältere Dame erklärt: "Mein Mann ist gestorben und ich habe mich schon sehr intensiv mit Tod und Trauer auseinandergesetzt. Da war es ganz schön, das mal so von einer heiteren Seite mitzubekommen." Überhaupt ist dieser Abend für viele eine Gelegenheit in Erinnerungen an Verstorbene zu schwelgen.

Die Zeichnungen können gegen eine Spende mitgenommen werden. Die gehen an Hamburg Leuchtfeuer, das ein Hospiz auf St. Pauli betreibt und Trauerbegleitung anbietet - auch ganz klassische, aber eben nicht nur.

 

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