Bunte Urnen stehen im Regal © NDR.de Foto: Tabea Pander

Wandel der Bestattungskultur: Trauerarbeit darf bunt sein

Stand: 22.11.2024 06:00 Uhr

Beerdigungen müssen nicht immer mit der Farbe Schwarz zusammengebracht werden. Patricia Hansen aus Jesteburg in Niedersachsen gestaltet Urnen und Särge mit viel Farbe und individuell an den Verstorbenen angepasst. Ein Ortsbesuch.

von Tabea Pander

Eine bunte Wiese aus Blumen, Möwen über dem Meer, Luftballons oder ein Sternenhimmel mit dem Satz "Ich bin da, wo das Meer den Himmel berührt". Die Urnen und die Särge, die Patricia Hansen gestaltet hat, sind bunt und wirken fröhlich. "Ich möchte gerne am Leben des Verstorbenen anschließen", erzählt die Künstlerin. "Und wenn das Leben ein buntes und ein schönes und ein abwechslungsreiches war, dann möchte ich das auch gerne auf dem Sarg oder auf der Urne widerspiegeln. Man soll einfach sehen, diese Person hatte ein schönes, ein buntes Leben."

Die Idee entstand im Urlaub mit ihrer Schwester in Portugal. Die beiden saßen mit einem Glas Wein an der Klippe und redeten über Gott und die Welt: "Dann hatte meine Schwester gesagt, wenn das bei mir soweit ist, dann machst du mir meinen Sarg ganz bunt. Und da habe ich gesagt, ja, das verspreche ich dir. So bunt wie dein Leben." Zuhause wurde die Idee Stück für Stück in die Tat umgesetzt - nicht nur für die eigene Familie. Wichtig ist Patricia Hansen dabei mit den Angehörigen persönlich sprechen zu können - deshalb gibt es bei ihr auch online kein Shop-System, sondern nur Beispiel-Designs.

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Bestattungskultur: Wunsch nach individuellen Elementen

Die Angehörigen von Verstorbenen finden Patricia Hansen zum Beispiel über Bestattungshäuser, wie "Dommerdich Bestattungen" im Nachbarort. Bestattungsberaterin Dörthe Behr beobachtet dort immer mehr den Wunsch nach individuellen Elementen - mehr Angehörige hätten Interesse, sich selber einzubringen: "Ich glaube, dass dieses persönliche Einbringen ein ganz großer Schritt der eigenen Trauerbewältigung ist. Es ist sehr hilfreich."

Wie sich das als Angehörige anfühlt, hat Patricia Hansen selbst erlebt. Für ihre Mutter habe sie eine Holzurne mit einer Blumenwiese gestaltet, erzählt sie: "Als dann die Beerdigung war und wir alle in der Kirche waren, war das eine wunderschöne Atmosphäre. Vorne stand diese Urne mit Blumenwiese. Ich hatte vorher auch die Traueranzeige entsprechend gestaltet und überall waren nur Blumen und alle haben Blumen mitgebracht. Ich hatte ein Blumenkleid an. Also die meisten waren auch in heller Kleidung angezogen. Das war wirklich eine ganz schöne Situation." Dörthe Behr kennt diesen Effekt des Bunten bei Trauerfeiern: "Es ist tatsächlich ein anderes Bild einer Trauerfeier. Ein fröhlicheres und ein schöneres Bild. Ich finde, dass dadurch das Leben des Verstorbenen und vor allem die Persönlichkeit der Verstorbenen einfach deutlich in den Vordergrund tritt."

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Traurigkeit bleibt - Trauerprozess wird aber diffuser

Den Trend zu einer persönlicheren Abschiedskultur beobachtet auch der Kulturhistoriker Norbert Fischer von der Uni Hamburg in den letzten Jahrzehnten: "Wir haben bei den Trauerfeiern eine sehr starke Individualisierung. Das heißt, die klassischen Liturgien, häufig noch religiös geprägt, spielen eine immer geringere Rolle. Stattdessen kommen Patchwork-Elemente, die biografisch zusammengebastelt und häufig von den Hinterbliebenen entwickelt worden sind, ins Spiel." Trauerfeiern würden gelassener, fröhlicher werden, so Fischer: Man komme zusammen, um das Leben des Verstorbenen zu feiern. Die Traurigkeit bleibt, der Trauerprozess werde aber diffuser, denn viele Regeln und Traditionen gebe es nicht mehr. Für den Wandel sieht der Kulturhistoriker zwei Gründe: Zum einen würden Grabstätten weniger reglementiert als früher und zum anderen hat der Einfluss der christlichen Kirchen nachgelassen und damit verlieren auch deren Rituale an Bedeutung. "Das Vakuum, das durch den Bedeutungsverlust der Kirchen entstanden ist, wird durch neue gesellschaftliche Gruppierungen aufgefangen", schildert der Kulturhistoriker. "Bestattungsfeiern werden heute zum Teil im Rahmen von Peer Groups, wie es die Soziologie nennt, also dem eigenen Bekannten- und Freundesumfeld, ausgehandelt. Ein buntes Patchwork an gesellschaftlichen Gruppierungen, die ihren je eigenen Weg bei der Trauerfeier und in der Bestattungskultur gehen und dabei auch den Friedhof entsprechend prägen."

Dass der dann vielleicht auch bunter wird - diese Entwicklung will die Künstlerin Patricia Hansen mitprägen: "Ich möchte gerne durch meine individuelle Gestaltung eine andere Art des Abschieds ermöglichen und möchte gerne dadurch eine schöne Atmosphäre schaffen, die den hinterbliebenen Raum und Platz für Trost und Hoffnung und Erinnerung schafft."

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