Sternenkinder: Trauerorte wie in Lübeck sollen Eltern helfen
Etwa jede dritte Frau erlebt Schätzungen zufolge eine Fehlgeburt. Grabfelder für totgeborene Kinder, auch Sternenkinder oder Schmetterlingskinder genannt, gibt es in ganz Schleswig-Holstein. Dort können auch Kinder bestattet werden, die sehr früh im Mutterleib gestorben sind.
Auf dem St. Lorenz-Friedhof in der Nähe des Hauptbahnhofs in Lübeck fällt ein Grabfeld besonders auf. Es ist geschmückt mit Plüschtieren, bunten Windrädern, Engelsfiguren und bemalten Steinen. "Den Stein mit den Bären und Luftballons hat meine Schwiegermutter von einer Bekannten malen lassen" sagt Yasmin Marek. Sie selbst hat einen Engel abgelegt, darauf ein Schriftzug: "Ich hab dich lieb".
Hier ist ihr Sternenkind begraben, sagt Yasmin Marek, ihr zweiter Sohn. "Das ist ein Ort, um ihm nah zu sein." An dieser Grabstelle werden Kinder bestattet, die im Mutterleib gestorben sind und dabei weniger als 500 Gramm gewogen haben - dieses Gewicht wird etwa im sechsten Schwangerschaftsmonat erreicht. Fehlgeburten passieren oft: Laut Schätzungen des Berufsverbands der Frauenärzte erlebt etwa jede dritte Frau mindestens eine in ihrem Leben. Auch Yasmin Marek, die im September 2021 im vierten Monat schwanger war.
Bestattungen für früh totgeborene Kinder: Kostenloses Angebot für betroffene Eltern
"Ich wusste schon auf dem Weg ins Krankenhaus, dass das kein gutes Ende nehmen wird. Mir ist zuhause die Fruchtblase geplatzt", erinnert sie sich. Die Ärztinnen und Ärzte sowie eine Seelsorgerin im Lübecker Universitätsklinikum haben Yasmin Marek nach ihrer Fehlgeburt darüber informiert, dass ihr Sternenkind auf dem Friedhof St. Lorenz bestattet werden kann. Viermal im Jahr wird dort die Asche von früh im Mutterleib gestorbenen Kindern im Rahmen einer Trauerfeier in einer gemeinsamen Urne beerdigt. Ein für die Eltern kostenloses Angebot - dafür kooperieren Lübecker Bestatter, das Universitätsklinikum SH und der Kirchenkreis Lübeck-Lauenburg miteinander.
Auch andere Kliniken und Krankenhäuser bestatten totgeborene Kinder nach Fehlgeburten in der Regel würdevoll. Das Städtische Krankenhaus Kiel setzt Sternenkinder anonym und gesammelt einmal im Jahr auf dem Kindergrabfeld "Alter Urnenfriedhof" bei. Totgeborene Kinder ab 500 Gramm müssen in Schleswig-Holstein ohnehin grundsätzlich in einem eigenen Grab oder einer eigenen Urne beerdigt werden.
Trauerseelsorgerin: Fehl- und Totgeburten mittlerweile eher als Trauerfälle anerkannt
Mareike Hansen, Pastorin der St. Laurentius-Gemeinde in Lübeck, ist froh, dass es Trauerorte wie auf dem St. Lorenz-Friedhof schon für die ganz früh gestorbenen Kinder gibt. "Dieser Ort hat soviel Kraft, weil er weiter davon erzählt, dass es diese Allerkleinsten gab, dass auch immer noch ein Gedenken stattfinden kann. Eben auch nach 20 Jahren darf man hier noch sitzen, sich besinnen und traurig sein."
Die Seelsorgerin für trauernde Eltern hat den Eindruck, dass die Themen Früh- und Totgeburt nicht mehr so stark tabuisiert sind wie früher, als Frauen noch viel mehr mit sich selbst hatten ausmachen müssen. "Weil die Gesellschaft gar nicht dazu bereit war, das als Trauerfall anzuerkennen." Solche Orte zeigten auch, dass der Schmerz der Eltern eine Würdigung erfährt.
Sternenkind-Mutter: "Froh, dass mein Kind hier nicht alleine ist"
Etwa alle zwei Monate ist Yasmin Marek hier auf dem Friedhof. Immer dann, wenn sie die Trauergruppe besucht, die ihr nach wie vor hilft, den Verlust ihres zweiten Sohnes zu verarbeiten. Hier an der Grabstätte für die totgeborenen Kinder erinnern die vielen Blumen, Figuren und Abschiedsgrüße daran, dass sie ihr Schicksal mit vielen anderen Eltern teilt. Und: "Es ist schön zu wissen, dass mein Kind nicht alleine hier ist, sondern mit anderen Kindern."