"Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war": Großer Vater-Roman
Joachim Meyerhoffs autobiografischer Roman von 2013 "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war" ist voller Respekt und Hochachtung und zugleich voller schonungsloser Kritik, Offenheit und Ehrlichkeit.
Der Schauspieler Joachim Meyerhoff ist in Schleswig groß geworden, war einige Jahre am Hamburger Schauspielhaus engagiert sowie am Wiener Burgtheater. Dort begann er ein Bühnenprojekt, aus dem inzwischen Literatur geworden ist.
Unter dem Titel "Alle Toten fliegen hoch" erzählt er Geschichten aus seinem Leben, über seine Kindheit in Schleswig, wo sein Vater als Direktor einer psychiatrischen Anstalt arbeitete und über seinen einjährigen Aufenthalt in Amerika. Unter dem Titel "Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war" erschien der zweite Teil einer autobiografischen Romantrilogie.
"Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war": Skurrile Anekdoten
Heiterkeit und Verzweiflung liegen in der Erzählweise von Joachim Meyerhoff immer eng beieinander. Tod, Krankheit und Wahnsinn spielen in seinen Erinnerungen eine ebenso große Rolle wie skurrile Anekdoten. Beispielsweise über den 40. Geburtstag seines Vaters, des Direktors des Landeskrankenhauses für Kinder- und Jugendpsychiatrie in Hesterberg, als dessen Lieblingspatient Dietmar gratulieren kommt, der wie immer von "unstillbarem Wissensdurst getrieben" ist:
Vor allem wolle er wissen, wer etwas wann erfunden hatte. Mein Vater war fasziniert von seinen hakenschlagenden Gedankensprüngen und widmete sich ihm mit Hingabe. "Möchtest Du ein Stück, Dietmar?" "Was ist das für ein Kuchen, Professor?" "Bienenstich." "Wer hat den Bienenstich erfunden, Professor?" " Das weiß ich nicht. Meine Frau hat ihn gebacken." "Deine Frau? Was hast du ihr bezahlt?" "Nichts." "Essen Bienen Honig, Professor?" "Nein. Bienen sammeln Honig." "Stechen Bienen Kuchen?" "Nein. Aber sie mögen ihn." Leseprobe
Wahrheit ist, wie es hätte sein können
"Erfinden heißt erinnern" heißt es am Ende des ersten Kapitels. Deshalb also spricht der Autor nicht von Autobiografie, sondern von Roman? Oder wie ist das gemeint, Herr Meyerhoff? "Es ist überhaupt kein akribisch recherchiertes Buch, aber es gibt so etwas wie eine atmosphärische Wahrheit und da ist natürlich mein älterer Bruder, der das dann zu Lesen bekommt oder nahe Menschen, die verstehen eigentlich sehr genau, mittlerweile, was ich da versuche. Die sagen dann immer den schönen Satz "Na klar, genau so hätte das sein können!" Und da steckt natürlich schon drin, vielleicht war es nicht so, aber das stimmt: Genau so hätte es sein können."
Dann ist die Geschichte mit der Blutsbrüderschaft, die der kleine Josse mit dem Familienhund geschlossen hat, nachdem er Winnetou und Old Shatterhand im Fernsehen gesehen hat, gar nicht wahr? Oder der Besuch von Ministerpräsident Gerhard Stoltenberg, der von seinen Bodyguards in den Dreck geworfen wird, nachdem ein Klinikpatient mit einer Spielzeugpistole in der Hand ausgerufen hat: "Hände hoch oder ich schieße!" "Und da geht es eher darum, dass ein, in einer Familie eingeschriebener Humor, das eine Umgebung wie diese Psychiatrie, ein unglaubliches Wahrheitsarsenal bietet, in dem man sich dann bedient und in dem man forscht. Das Ganze ist eher eine "Erinnerungsforschung", als jetzt eine authentische Präsentation eines Lebens."
Liebeserklärung an den Vater
Aus dieser Erinnerungsforschung ist am Ende vor allem ein großer Vater-Liebes-Roman geworden - voller Respekt und Hochachtung und zugleich voller schonungsloser Kritik, Offenheit und Ehrlichkeit.
Da ist der notorische Fremdgänger, der die Familie verlässt, der Kettenraucher und Vielfraß, der seine Gesundheit ruiniert, ebenso wie der heitere, humorvolle, geistreiche, fantasiebegabte und stets aufmerksame Menschen- und Lebensfreund, auf den sich die Söhne immer verlassen konnten, auch wenn sie einmal in einem hysterischen Anfall in einer Kaserne randaliert haben. Joachim Meyerhoff hat dafür eine Sprache gefunden, die detailfreudig Melancholie und Lebenslust miteinander vereint.
Wann wird es endlich wieder so, wie es nie war
- Verlag:
- Kiepenheuer & Witsch
- Bestellnummer:
- 978-3-462-04516-1
- Preis:
- 12,00 €