Vier Autoren, die beim Bachmann-Wettbewerb teilnahmen, halten ihre Urkunden hoch. © picture alliance/dpa/APA | Gert Eggenberger
Vier Autoren, die beim Bachmann-Wettbewerb teilnahmen, halten ihre Urkunden hoch. © picture alliance/dpa/APA | Gert Eggenberger
Vier Autoren, die beim Bachmann-Wettbewerb teilnahmen, halten ihre Urkunden hoch. © picture alliance/dpa/APA | Gert Eggenberger
AUDIO: Zwei Preise für Johanna Sebauer beim Bachmann-Wettbewerb (6 Min)

Zwei Preise für Johanna Sebauer beim Bachmann-Wettbewerb

Stand: 30.06.2024 14:47 Uhr

Gleich zwei Auszeichnungen räumte die Hamburgerin Johanna Sebauer beim Bachmann-Wettebwerb ab. Den mit 25.000 Euro dotierten Ingeborg-Bachmann-Preis selbst gewann der gebürtige Bosnier Tijan Sila aus Kaiserslautern.

Die in Hamburg lebende Österreicherin Johanna Sebauer geht als große Siegerin aus dem Klagenfurter Wettlesen hervor. Für ihren urkomischen Text "Gurkerl" wurde sie von der Jury mit dem 3sat-Preis (7.000 Euro) und vom Publikum mit dem Preis der BKS Bank geehrt, dotiert mit 7.000 plus einem mit 6.000 Euro dotierten Stadtschreiberstipendium der Stadt Klagenfurt.

Wenn der Biss in die Essiggurke zum Skandal wird

Eine junge Frau mit langem breunem Haar und Brille in einer rosa Jacke vor einer blauen Wand. © Sebauer.Filmer - DuMont Verlag Foto: Sebauer.Filmer
Johanna Sebauer wurde 1988 in Wien geboren.

Ihr Text "Gurkerl" war einer der witzigsten des gesamten Wettbewerbs. Sebauer beschreibt darin ein kleines Malheur in der Teeküche einer Redaktion. Dem Chef spritzt beim Biss in eine Gewürzgurke etwas Essigwasser ins Auge - was in der Folge in einer hochkomischen Satire auf die gesellschaftliche Erregungsdynamik heutiger Tage vom kleinen Missgeschick zum großen Staatsskandel eskaliert.

Johanna Sebauer veröffentlichte bisher Kurzgeschichten und Essays in verschiedenen Anthologien, bevor sie sich an ihren ersten Roman wagte. Dieser erschien 2023 unter dem Titel "Nincshof", und handelt von einem Dorf, das vergessen werden möchte. Im echten Leben arbeitet sie in der Wissenschaftskommunikation.

Hauptpreis für Tijan Sila für seinen Text über die Flucht aus Bosnien

Der Ingeborg-Bachmann-Preis - der mit 25.000 Euro dotierte Hauptpreis - ging an den aus Bosnien stammenden, heute in Deutschland lebenden Tijan Sila. Am Ende des dreitägigen Wettlesens von 14 Autorinnen und Autoren setzte er sich mit seinem tragikomischen Text "Der Tag, an dem meine Mutter verrückt wurde" durch. Er beschreibt darin rasant und phasenweise äußerst heiter das Ankommen seiner Familie in Deutschland nach der Flucht vor dem Krieg in Bosnien, die daraus resultierenden Kriegstraumata und das spätere Verrücktwerden seiner Mutter.

Weiterer Preis für Denis Pfabe

Den mit 12.500 Euro dotierten Deutschlandfunk-Preis erkannte die Jury Denis Pfabe zu, Schriftsteller und Gabelstaplerfahrer in einem Baumarkt. Ein Baumarkt ist auch der Handlungsort seiner Geschichte, die von einem Mann handelt, der dort Berge von Material kauft, um sein unfertiges Haus in Stand zu setzen. Dabei geht es wohl eher um den zum Scheitern verurteilten Versuch, damit sein eigenes Leben zu reparieren.

Tränen beim Wettlesen

Den KELAG-Preis, den die Kärntner-Elektrizitäts-AG stiftet und der mit 10.000 Euro dotiert ist, erhielt die in Wien lebende Slowenin Tamara Štajner für einen Text "Luft nach unten". In einem Brief an ihre sterbende Mutter rechnet sie harsch mit deren liebloser und herrischer Art ab - derart bewegend, dass Štajner selbst während ihrer Lesung von einem Weinkrampf erschüttert wurde.

Hannoveraner Szántó geht leer aus

Überraschend ging der Hannoveraner Poetry-Slammer Henrik Szántó leer aus, dessen Text über die geisterbehafteten Erinnerungen eines Hauses von der Jury hoch gelobt worden war und mit zu dem Besten gehört, was in diesem Jahr in Klagenfurt vorgetragen wurde.

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ein Mann mit hellem Hemd, braunen Locken und Brille hält sich eine Fliege und ein Mikro in der Hand (Der Autor Henrik Szántó) © Marvin Ruppert Foto: Marvin Ruppert

Großes Lob der Jury für Hannoveraner Henrik Szántó in Klagenfurt

Der Schriftsteller und Poetry-Slammer hat beim Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis mit einem "Super-Vortrag" gepunktet, sagt NDR Literaturredakteur Jürgen Deppe. mehr

Henrik Szántó hat finnisch-ungarische Wurzeln und lebt als Autor, Spoken Word-Künstler und Literaturvermittler in Hannover. In Schreibwerkstätten schafft er Bühnen für neue und arrivierte Stimmen. Die Kernthemen seiner Arbeit sind Mehrsprachigkeit, Erinnerungsarbeit, Neugier und das Übersehene.

Der renommierte Bachmann-Preis

Insgesamt acht Autorinnen, fünf Autoren und eine nicht binäre Person nahmen an den Tagen der deutschsprachigen Literatur in Klagenfurt teil und stellten bislang unveröffentlichte Prosatexte vor. Die Texte müssen im Original auf Deutsch verfasst sein. Die Teilnehmenden haben jeweils 25 Minuten Zeit, ihre Texte live zu präsentieren. Wer wann liest, wurde per Los ermittelt. Im vergangenen Jahr gewann Valeria Gordeev mit einem Text über einen Mann mit Putzneurose. Neben dem Hauptpreis werden stets weitere Sonderpreise verliehen.

Seit 1977 finden in Klagenfurt die Tage der deutschsprachigen Literatur statt. Der mit 25.000 Euro dotierte Hauptpreis gilt als einer der wichtigsten Literaturpreise für deutschsprachige Schriftsteller.

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Ein Holzschild in einem Wald mit der Aufschrift "Bachmannweg", daran hängt eine Tasche mit dem Logo des Bachmannpreises 2024 © ORF/Horst L. Ebner Foto: Horst L. Ebner

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Die Eröffnung, die Lesungen und Diskussionen sowie die finale Preisverleihung wurden vom ORF live übertragen. mehr

 

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Eine junge Frau mit langem breunem Haar und Brille in einer rosa Jacke vor einer blauen Wand. © Sebauer.Filmer - DuMont Verlag Foto: Sebauer.Filmer
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Johanna Sebauer: Mit Herzklopfen zum Bachmann-Preis

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Der Bachmannwettbewerb 2024 beginnt in Klagenfurt

Unter den Teilnehmern sind auch die Hamburgerin Johanna Sebauer und der Hannoveraner Poetry Slam-Meister Henrik Szántó. 5 Min

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 30.06.2024 | 14:40 Uhr

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