Klagenfurt Jury-Vorsitzender Kastberger über die Stärke von Spontaneität
In Klagenfurt werden heute die 48. Tage der deutschsprachigen Literatur eröffnet, besser bekannt als Bachmann-Wettbewerb. Im zehnten Jahr ist Klaus Kastberger in der Jury und hat gerade den Vorsitz übernommen. Ein Gespräch über Spontaneität und Jury-Diskussionen.
14 Menschen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz lesen ab morgen jeweils eine halbe Stunde lang ihre Texte - darunter auch zwei Autor*innen aus Norddeutschland.
Was ändert sich denn jetzt, wenn man nicht mehr nur Mitglied, sondern Jury-Vorsitzender ist?
Klaus Kastberger: Als Jury-Vorsitzender sitzt man erst einmal in der Mitte dieser Jury, was sicherlich Veränderungen mit sich bringt, weil die Sitzplätze nicht so unwichtig sind. Zusätzlich hat man die Aufgabe, am Ende noch etwas zu sagen - eigentlich eine nette Sache, abschließende Worte am Sonntag zu sagen. Es beginnt auch mit einem Statement seitens der Jury. Ansonsten ist man als Jury-Vorsitzender ein bisschen das Bindeglied zwischen den Veranstaltern und der Jury. Und wenn es Probleme gäbe oder so etwas, hat man die Rolle, da etwas zu ordnen. Aber ansonsten ändert sich wenig, man ist einer wie alle anderen in dieser Jury.
Moderiert wird es von einem Kollegen vom ORF, ein Justiziar ist auch dabei. Diese beiden Aufgaben haben Sie auf jeden Fall schon mal nicht?
Kastberger: Das hat sich im Laufe der Zeit geändert. Es gab auch Jury-Vorsitzende, die gleichzeitig die Moderation hatten. Aber das ist dieses Mal sehr gut, dass die Moderation eine andere Funktion ist. Für die rechtliche Richtigkeit sorgt immer der Justiziar, der im Hintergrund agiert. Damit bin ich nicht belastet.
Es wird viel gestritten, teilweise auch auf offener Bühne. Aber das kann doch nicht alles sein. Gibt es nicht hinter den Kulissen noch mehr, was das Publikum nicht mitbekommt?
Kastberger: Das glauben immer alle. Aber es gibt hinter den Kulissen nichts. Der beste Grund dafür ist, dass keiner danach mehr Lust hat. Die Auseinandersetzungen und die Jury-Diskussionen sind wirklich kräfteraubend. Ich hatte in den zehn Jahren noch nie das Gefühl, mit irgendeinem Jury-Kollegen noch über Texte reden zu müssen. Es ist aus meiner Sicht so, dass das 100 Prozent im Fernsehen läuft und die Entscheidungen dort ausgewiesen werden.
Die Jury-Auseinandersetzung und -Streitereien sind teilweise sehr unterhaltsam - manchmal mehr, als die vorgelesenen Texte. Macht man sich da vorher Gedanken, worüber man streiten könnte?
Kastberger: Um Gottes Willen. Wir setzen uns nicht vorher zusammen. Es gibt niemanden, der eine Richtlinie machen würde. Das lebt von der Spontaneität des Ganzen. Mir wäre es eigentlich auch noch lieber, wenn wir die Texte gar nicht kennen würden und spontan auf die Texte reagieren müssten. Das war früher so.
Das finde ich auch die absolute Stärke, dass es spontan ist. Aber vorab gibt es da keine Gespräche. Die Auseinandersetzung während dieser Fernsehaufzeichnungen reicht mir wirklich. Natürlich spricht man nachher mit anderen Leuten die herumstehen, mit dem Umfeld, aber mit Jury-Kolleg*innen über Texte zu reden, läge mir sehr, sehr fern.
Sie sind Literaturkritiker und Leiter des Literaturhauses in Graz. Manche rümpfen die Nase, wenn es um ein bisschen Entertainment geht oder um publikumsträchtiges Entertainment. Wie sehen Sie das?
Kastberger: Das gehört natürlich dazu. Ich sehe das so, dass diese Tage der deutschsprachigen Literatur einen absoluten Fokus auf Literatur - auf neueste, auch teilweise schwierige, eigenständige, eigensinnige Literatur legen. Natürlich muss das unterhaltsam sein, sonst würde das nie ins Fernsehen kommen. Man ist dem Medium auch einiges schuldig.
Ich bin auch Professor für Neuere deutsche Literatur der Gegenwartsliteratur: Selbst im Seminarraum hat man keinen Raum, der unabhängig von gesellschaftlichen Hintergründen ist, der unabhängig von Wirkungsweisen wäre. Die Art und Weise, wie man über Literatur redet ist wesentlich auch von dem definiert, wohin man wirken will. Ich bin dafür, dass das auch unterhaltsame Faktoren hat, wenn es dann auch wieder eine gewisse Seriosität und Tiefe bekommt. Dieser zweite Aspekt gehört wesentlich rein. Aber es muss ein Mischungsverhältnis sein. In Klagenfurt kriegt man das im Allgemeinen über die vier Tage hinweg gesehen ganz gut hin.
Das komplette Interview können Sie auf dieser Seite hören. Das Gespräch führte Philipp Schmid.