Ein Mann spricht mit gehobenen Händen an einem Pult © ORF/Johannes Puch
Ein Mann spricht mit gehobenen Händen an einem Pult © ORF/Johannes Puch
Ein Mann spricht mit gehobenen Händen an einem Pult © ORF/Johannes Puch
AUDIO: Jury-Vorsitzender Klaus Kastberger: "Es muss unterhaltsam sein" (5 Min)

Klagenfurt Jury-Vorsitzender Kastberger über die Stärke von Spontaneität

Stand: 26.06.2024 14:43 Uhr

In Klagenfurt werden heute die 48. Tage der deutschsprachigen Literatur eröffnet, besser bekannt als Bachmann-Wettbewerb. Im zehnten Jahr ist Klaus Kastberger in der Jury und hat gerade den Vorsitz übernommen. Ein Gespräch über Spontaneität und Jury-Diskussionen.

14 Menschen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz lesen ab morgen jeweils eine halbe Stunde lang ihre Texte - darunter auch zwei Autor*innen aus Norddeutschland.

Was ändert sich denn jetzt, wenn man nicht mehr nur Mitglied, sondern Jury-Vorsitzender ist?

Klaus Kastberger: Als Jury-Vorsitzender sitzt man erst einmal in der Mitte dieser Jury, was sicherlich Veränderungen mit sich bringt, weil die Sitzplätze nicht so unwichtig sind. Zusätzlich hat man die Aufgabe, am Ende noch etwas zu sagen - eigentlich eine nette Sache, abschließende Worte am Sonntag zu sagen. Es beginnt auch mit einem Statement seitens der Jury. Ansonsten ist man als Jury-Vorsitzender ein bisschen das Bindeglied zwischen den Veranstaltern und der Jury. Und wenn es Probleme gäbe oder so etwas, hat man die Rolle, da etwas zu ordnen. Aber ansonsten ändert sich wenig, man ist einer wie alle anderen in dieser Jury.

Weitere Informationen
Ein Mann spricht mit gehobenen Händen an einem Pult © ORF/Johannes Puch

Klagenfurt Jury-Vorsitzender Kastberger über die Stärke von Spontaneität

In Klagenfurt wird heute der Bachmann-Wettbewerb eröffnet, zwei Norddeutsche sind dabei. Klaus Kastberger gibt Einblicke in die Arbeit der Jury. mehr

Moderiert wird es von einem Kollegen vom ORF, ein Justiziar ist auch dabei. Diese beiden Aufgaben haben Sie auf jeden Fall schon mal nicht?

Kastberger: Das hat sich im Laufe der Zeit geändert. Es gab auch Jury-Vorsitzende, die gleichzeitig die Moderation hatten. Aber das ist dieses Mal sehr gut, dass die Moderation eine andere Funktion ist. Für die rechtliche Richtigkeit sorgt immer der Justiziar, der im Hintergrund agiert. Damit bin ich nicht belastet.

Weitere Informationen
Vier Autoren, die beim Bachmann-Wettbewerb teilnahmen, halten ihre Urkunden hoch. © picture alliance/dpa/APA | Gert Eggenberger

Zwei Preise für Johanna Sebauer beim Bachmann-Wettbewerb

Den mit 25.000 Euro dotierten Ingeborg-Bachmann-Preis selbst gewann der gebürtige Bosnier Tijan Sila aus Kaiserslautern. mehr

Es wird viel gestritten, teilweise auch auf offener Bühne. Aber das kann doch nicht alles sein. Gibt es nicht hinter den Kulissen noch mehr, was das Publikum nicht mitbekommt?

Kastberger: Das glauben immer alle. Aber es gibt hinter den Kulissen nichts. Der beste Grund dafür ist, dass keiner danach mehr Lust hat. Die Auseinandersetzungen und die Jury-Diskussionen sind wirklich kräfteraubend. Ich hatte in den zehn Jahren noch nie das Gefühl, mit irgendeinem Jury-Kollegen noch über Texte reden zu müssen. Es ist aus meiner Sicht so, dass das 100 Prozent im Fernsehen läuft und die Entscheidungen dort ausgewiesen werden.

Die Jury-Auseinandersetzung und -Streitereien sind teilweise sehr unterhaltsam - manchmal mehr, als die vorgelesenen Texte. Macht man sich da vorher Gedanken, worüber man streiten könnte?

Kastberger: Um Gottes Willen. Wir setzen uns nicht vorher zusammen. Es gibt niemanden, der eine Richtlinie machen würde. Das lebt von der Spontaneität des Ganzen. Mir wäre es eigentlich auch noch lieber, wenn wir die Texte gar nicht kennen würden und spontan auf die Texte reagieren müssten. Das war früher so.

Das finde ich auch die absolute Stärke, dass es spontan ist. Aber vorab gibt es da keine Gespräche. Die Auseinandersetzung während dieser Fernsehaufzeichnungen reicht mir wirklich. Natürlich spricht man nachher mit anderen Leuten die herumstehen, mit dem Umfeld, aber mit Jury-Kolleg*innen über Texte zu reden, läge mir sehr, sehr fern.

Sie sind Literaturkritiker und Leiter des Literaturhauses in Graz. Manche rümpfen die Nase, wenn es um ein bisschen Entertainment geht oder um publikumsträchtiges Entertainment. Wie sehen Sie das?

Kastberger: Das gehört natürlich dazu. Ich sehe das so, dass diese Tage der deutschsprachigen Literatur einen absoluten Fokus auf Literatur - auf neueste, auch teilweise schwierige, eigenständige, eigensinnige Literatur legen. Natürlich muss das unterhaltsam sein, sonst würde das nie ins Fernsehen kommen. Man ist dem Medium auch einiges schuldig.

Ich bin auch Professor für Neuere deutsche Literatur der Gegenwartsliteratur: Selbst im Seminarraum hat man keinen Raum, der unabhängig von gesellschaftlichen Hintergründen ist, der unabhängig von Wirkungsweisen wäre. Die Art und Weise, wie man über Literatur redet ist wesentlich auch von dem definiert, wohin man wirken will. Ich bin dafür, dass das auch unterhaltsame Faktoren hat, wenn es dann auch wieder eine gewisse Seriosität und Tiefe bekommt. Dieser zweite Aspekt gehört wesentlich rein. Aber es muss ein Mischungsverhältnis sein. In Klagenfurt kriegt man das im Allgemeinen über die vier Tage hinweg gesehen ganz gut hin.

Das komplette Interview können Sie auf dieser Seite hören. Das Gespräch führte Philipp Schmid.

Weitere Informationen
ein Mann mit hellem Hemd, braunen Locken und Brille hält sich eine Fliege und ein Mikro in der Hand (Der Autor Henrik Szántó) © Marvin Ruppert Foto: Marvin Ruppert

Großes Lob der Jury für Hannoveraner Henrik Szántó in Klagenfurt

Der Schriftsteller und Poetry-Slammer hat beim Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis mit einem "Super-Vortrag" gepunktet, sagt NDR Literaturredakteur Jürgen Deppe. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Das Gespräch | 26.06.2024 | 08:20 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Sachbücher

Romane

Krimis

Ein Latte Macchiato, eine Brille und eine Kerze liegen auf einem Buch © picture alliance / Zoonar | Oleksandr Latkun

Bücher 2024: Das waren die interessantesten Neuerscheinungen

Unter anderem gab es Neues von Martina Hefter, Frank Schätzing, Markus Thielemann, Isabel Bogdan oder Lucy Fricke. mehr

Logo vom NDR Kultur Podcast "eat.READ.sleep" © NDR Foto: Sinje Hasheider

eat.READ.sleep. Bücher für dich

Lieblingsbücher, Neuerscheinungen, Bestseller – wir geben Tipps und Orientierung. Außerdem: Interviews mit Büchermenschen, Fun Facts und eine literarische Vorspeise. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Mehrere Weihnachts-Wunschzettel liegen auf einem Stapel. © Screenshot

Sammlung in Husum: Was alte Wunschzettel erzählen

Die Exponate im Husumer Weihnachtshaus zeigen: Wunschzettel haben sich im Laufe der Zeit drastisch verändert. mehr