Texten mit ChatGPT: "Der Zauber wird sehr schnell verfliegen"
Holger Volland, Vorstandsvorsitzender des Brand eins Verlags, befasst sich intensiv mit künstlicher Intelligenz. Im Gespräch erklärt er, in welchen Bereichen KI hilfreich sein kann und wo es problematisch wird.
Herr Volland, ist das noch ein Spaßthema oder wird das jetzt schon realistisch, mit ChatGPT Literatur zu schaffen?
Holger Volland: Momentan ist es bestimmt noch ein Spaßthema; viele Leute probieren damit herum - ich mache das auch. Es ist ganz außergewöhnlich zu sehen, wie scheinbar kreativ die Ergebnisse sind. Es ist aber auch jetzt schon ein Werkzeug, das Autorinnen und Autoren für Inspiration nutzen können, um gewisse Standardinhalte zu erzeugen, um zu recherchieren, um Dinge umzuformulieren oder auch ganz klassisch: um Texte zu übersetzen.
Was hat Sie bereits beeindruckt an dem Dialog mit der künstlichen Intelligenz?
Volland: Mich beeindruckt die sprachliche Qualität der Darstellung von Inhalten. In Vorbereitung auf unser Gespräch habe ich der neuen Version von ChatGPT gesagt, ich hätte gerne einen literarischen Text zu der Baustelle, die vor meinem Fenster entsteht, wo ein Kindergarten gebaut wird. Und ich hätte diesen Text gerne romantisch-punkig. Das Ergebnis war tatsächlich ganz überraschend gut.
Können Sie Beispiele nennen?
Volland: Ich kann einen Teil daraus vorlesen: "Die Baumaschinen, knurrend und ratternd, sind die Stimmen derer, die sich weigern, sich dem System zu beugen. Sie verkörpern die Kraft und die Entschlossenheit, das alte niederzureißen. Mit jedem Baggerbiss, der in die Erde dringt, und jedem Presslufthammerstoß, der den Boden erschüttert, bringt uns diese Baustelle dem Traum vom Kindergarten näher." Das wirkt natürlich erstmal grandios, ist aber am Ende dann doch sehr profan.
Das könnte inspirieren - andererseits muss man sich fragen: Es gibt nun wahrlich nicht zu wenig mittelmäßige Literatur, gerade im Eigenverlag. Wem bringt das wirklich was, wenn wir jetzt noch mehr, noch schneller produzieren können?
Volland: Da sprechen Sie ein großes Problem an, und das ist ein Müllproblem. Generative AI wie ChatGPT oder Bildgeneratoren erzeugen ganz viele Daten und ganz viel Müll. Dazu brauchen sie leider auch noch CO2, um das herzustellen. Das heißt, wir haben einerseits viel zu viel an Daten herumliegen, die das Netz verstopfen. Die sorgen aber auch dafür, dass zukünftige Versionen von diesen KI auch diese "Mülldaten" als Trainingsmaterial bekommen. Das heißt, die lernen dann von sich selbst, und da wissen wir noch nicht, welche Auswirkungen das auf die Qualität haben wird. Ich schätze, die Qualität wird dadurch nicht besser werden.
Also ein geschlossener Regelkreis.
Volland: Ein geschlossener Regelkreis, der sich selbst immer wieder mit neuen Inhalten versorgt. Wenn man mal rein prozentual überlegt, wie schnell so eine KI Inhalte erzeugen kann und wie langsam Menschen im Gegenzug dazu sind, dann heißt das auch, dass so eine KI in Zukunft als Futter zu 95 Prozent Maschineninhalte als Futter bekommt und nur zu einem kleinen Teil Menscheninhalte. Dadurch wird sie natürlich extrem fehleranfällig sein.
Die Informationen bekommt die KI aus Romanen, die von Menschen geschrieben sind. Der Mensch trainiert die KI also gratis. Ist das ein Urheberrechtsproblem?
Volland: Das wird in vielen Fällen mittlerweile als Urheberrechtsproblem gesehen und diskutiert. Bei Bildgeneratoren zum Beispiel, die gelernt haben, wie ein spezieller Künstler malt. Ich habe ChatGPT auch schon gebeten, mir einen Text im Stil von Yuval Harari zu schreiben. Das funktioniert noch - ich bin mir aber relativ sicher, dass das früher oder später verboten werden wird. Denn natürlich hat Yuval Harari kein Interesse daran, dass eine KI lernt, wie er zu schreiben, damit dann milliardenfach irgendwelche kleinen Plagiatsschnipsel auf den Markt kommen, die so klingen, als wären sie von Yuval Harari, es aber nicht sind.
Welche Anwendungsbeispiele gibt es schon bei Ihnen im Verlag, die erprobt werden?
Volland: Wir arbeiten momentan an einer Richtlinie, um das transparent zu machen. Denn natürlich benutzen einige unserer Autorinnen und Autoren diverse Werkzeuge, um ihre Texte zu recherchieren oder auch zu schreiben. Wir wollen aber als Verlag sicherstellen, dass wir unseren Leserinnen und Lesern maximale Transparenz bieten, was bei uns verwendet werden darf und was nicht. Wir diskutieren gerade noch, ob zum Beispiel so etwas wie eine Generative AI verwendet werden darf. Wir haben das Ganze bei Bildern bisher noch nicht verwendet. Aber uns ist es sehr wichtig, dass die Texte weiterhin von echten menschlichen Autoren kommen. Deswegen wird es im literarischen und inhaltlichen Bereich sehr begrenzte Einsatzfelder bei uns geben. Anders sieht es im Marketing aus, denn da ist KI in ganz vielen Fällen unbedingt notwendig, um zum Beispiel Inhalte richtig ausspielen zu können. Das können wir auch gar nicht mehr verhindern, wenn wir mit Plattformen wie LinkedIn, Facebook oder Instagram arbeiten.
Wenn wir ein paar Jahre in die Zukunft gucken: Was werden alltägliche, sinnvolle Anwendungsgebiete zum Beispiel im Bereich der Literatur werden?
Volland: Sicherlich bei Zusammenfassungen von Texten - da kann ich mir KI sehr gut vorstellen, um einen schnellen Überblick zu bekommen, worum es in einem Text geht. Sicherlich auch in der Auswertung von Texten, wenn ich zum Beispiel wissen möchte, ob ein Text männliche Figuren positiv und weibliche Figuren negativ darstellt. Bei der Auswertung kann man einen ersten guten Überblick darüber bekommen, wie dieser Text aufgebaut ist oder welche Art von Darstellung gewählt wurde.
Ich bin mir relativ sicher, dass der Zauber, den wir gerade verspüren, sehr schnell verfliegen wird. Denn wie Sie schon gesagt haben, gibt es genug mittelmäßige Texte jetzt schon im Netz, und wir brauchen eigentlich keine Generatoren für weitere mittelmäßige Texte. Denn eines darf man nicht vergessen: Alles, was ChatGPT und Kollegen können, ist Echos zu erzeugen von Inhalten, die Menschen schon einmal geschaffen haben. Wir brauchen aber weniger Echos - wir brauchen mehr originäre und originale Stimmen.
Das Interview führte Mischa Kreiskott