Cover: "Göttinnen und Fußabstreifer: Die Frauen und Picasso" © Piper

Musen oder Fußabstreifer? Picasso und die Frauen

Stand: 21.04.2023 11:39 Uhr

Picasso war ein Frauenheld: zweimal verheiratet, zahlreiche Geliebte. Die Kunstkritikerin Rose-Maria Gropp wirft in ihrem Sachbuch "Göttinnen und Fußabstreifer" einen kritischen Blick auf das Jahrhundertgenie und sein Verhältnis zu Frauen. Vor 50 Jahren ist er gestorben.

"Es gibt nur zwei Kategorien von Frauen: Göttinnen und Fußabstreifer." Zitat Picasso

Die Malerin Françoise Gilot, die zehn Jahre mit Picasso liiert war, erinnert sich: "Immer, wenn er dachte, ich könnte mich zu sehr als Göttin fühlen, tat er, was er konnte, um mich zum Fußabstreifer zu machen." Gilot war 40 Jahre jünger als Picasso und die Einzige, die es gewagt hat, ihn zu verlassen.

Picasso feierte die Frauen, malte sie, zerstörte sie

Cover: "Göttinnen und Fußabstreifer: Die Frauen und Picasso" © Piper
Das Sachbuch "Göttinnen und Fußabstreifer. Picasso und die Frauen" von Rose-Maria Gropp ist im Piper Verlag erschienen und kostet 24 Euro.

Der geniale Künstler war ein Frauenheld, zweimal verheiratet und hatte zahlreiche Geliebte. Picasso feierte die Frauen, malte sie, zerstörte sie. Zwei nahmen sich einige Jahre nach seinem Tod das Leben. Rose-Maria Gropp, Journalistin und Kunstkritikerin, lenkt in ihrem Buch "Göttinnen und Fußabstreifer. Die Frauen und Picasso" den Blick nun auf die Gefährtinnen und Geliebten, die das "Zentralgestirn" Picasso umkreisten. Ihre Biografien erzählt sie. Meistens wurden die Frauen nur als Modelle und "Musen" des Genies wahrgenommen.

"Eigentlich ging es mir ganz maßgeblich darum, diese Frauen aus diesem 'Musen-Käfig' zu befreien", sagt Gropp "Die Musen, ursprünglich ja Quellnymphen der Antike, die Männer inspiriert haben - schöpferisch. Selbst gänzlich unschöpferisch, sitzen sie also daneben und schauen zu, wie berühmt geworden wird. Das wollte ich auf gar keinen Fall!" Dabei waren Picassos Frauen selbst zum Teil Künstlerinnen, wie die Fotografin Dora Maar und Françoise Gilot.

In Picassos Frauenbildern spiegelt sich die Beziehung

In "Figures By The Sea" dekonstruiert Picasso seine erst Frau Olga Khokhlova. © picture alliance/dpa | Stanislav Krasilnikov
In "Figures By The Sea" dekonstruiert Picasso seine erst Frau Olga Khokhlova.

In Picassos Frauenbildern spiegeln sich seine künstlerischen Phasen, aber auch der Zustand der Beziehung. Anfangs malt er seine Lieben oft wunderschön, so auch seine erste Ehefrau Olga Khokhlova. Bei beginnendem Überdruss eher hässlich, dekonstruiert. "Er hat sie sich zurechtgeformt, gar kein Zweifel, und er brauchte dann - das kann man nicht anders sagen - nach einem gewissen Turnus, etwa zehn Jahre, einen Wechsel, er brauchte neues Futter für seine Inspiration", erklärt Rose-Maria Gropp.

Picasso wird älter - seine Geliebten immer jünger

Picasso wird immer älter, reicher, berühmter. Die Geliebten immer jünger. Elf Frauen werden im Buch portraitiert, manche sind finanziell und emotional völlig abhängig von Picasso. Selbstbewusst dagegen: Dora Maar - 26 Jahre jünger als er, surrealistische Künstlerin. 

In seinen Bildern von ihr spiegelt sich seine anfängliche Faszination für die intelligente, stolze Frau. Doch auch diese Beziehung verliert irgendwann ihren Reiz. Er verunstaltet Dora Maar bildlich auf brutale Weise, als er schon die nächste liebt. Betrogen hat Picasso alle seine Frauen. Rosa-Maria Gropp stellt die These auf: Es gab ein "System Picasso". "Damit meinte ich diese Verflechtung, in die er, der endlos inszeniert, auch andere Menschen in seinem Leben zwingt. Nicht nur Frauen. Dies geschieht alles in Überschneidungen, ohne geklärte Ablösung." Es hat sich alles ineinander verflochten, und Picasso hat alle mitgenommen, so gut er konnte - und auch gegeneinander ausgespielt.

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"Femme assise en costume" von Pablo Picasso © picture alliance/dpa/Sotheby’s | ---
Im Gemälde "Femme assise en costume" aus dem Jahr 1953 dekonstruiert Pablo Picasso seine Muse Françoise Gilot.

Auch wenn Picasso behauptete: "Einen Mann wie mich verlässt man nicht" - Françoise Gilot tat es. 1964 schrieb sie zu seinem Verdruss sogar ein Buch über ihre Beziehung: "Mein Leben mit Picasso". Es geht um seine Egomanie, seine Grausamkeit, seine Neigung, Frauen zu beherrschen und seine Untreue. Gilot ist die Frau, die Nein sagte zum Genie. Mit 94 Jahren erinnert sie sich, dass sie lange fasziniert von ihm war. "Um das klarzustellen, es war eine äußerst leidenschaftliche Beziehung mit Picasso, die mein Leben bereichert hat", sagte sie. "Er hat mich geliebt, ich habe ihn geliebt, wir haben immerhin zwei Kinder zusammen, aber unsere Wege mussten sich trennen."

#MeToo: "Diese Form von Druck und Zwang hat er nicht ausgeübt"

Wäre Picasso aus heutiger Perspektive ein Angriffsziel für die #MeToo-Bewegung? "Ich habe schnell festgestellt, dass er zumindest nach meinem Dafürhalten nicht in die Kategorie #MeToo gehört", sagt Rose-Maria Gropp. "Er ist kein Harvey Weinstein, um diesen Vergleich mal zu gebrauchen. Diese Form von Druck und Zwang hat er so nicht ausgeübt."

Rose-Maria Gropp lässt keinen Zweifel an Picassos Bedeutung für die künstlerische Moderne. Aber seine Haltung gegenüber Frauen beleuchtet sie kritisch und kratzt am Mythos des Jahrhundertkünstlers.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur - Das Journal | 03.04.2023 | 21:45 Uhr

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