Die Literaturnobelpreis-Medaille, die Günter Grass im Jahr 1999 verliehen wurde. © picture alliance/dpa | Daniel Reinhardt

Literaturnobelpreis geht erstmals nach Südkorea

Stand: 10.10.2024 13:31 Uhr

Haruki Murakami, Margaret Atwood? Wer den Literaturnobelpreis bekommt, wird vorab immer heftig diskutiert. Nun bekommt ihn die 1970 geborene Autorin Han Kang. Bei den im Vorfeld genannten Namen ging der Blick auch nach Norddeutschland.

von Jan Ehlert

Die Südkoreanin Han Kang bekommt den Literaturnobelpreis. Das hat die Schwedische Nobelpreisakademie am Donnerstag mitgeteilt. Ein Überblick über die Autor*innen, die ebenfalls für den Literaturnobelpreis 2024 in Frage hätten kommen können.

In Griechenland ist Ersi Sotiropoulos seit langem eine Berühmtheit im Literaturbetrieb. Ihr Roman "Bittere Orangen" war das erste Buch, das im gleichen Jahr die beiden wichtigsten griechischen Literaturpreise gewann. Und auch international wurde die 1953 in Patras geborene Schriftstellerin bereits mehrfach ausgezeichnet, zum Beispiel mit dem Prix Méditeranée Étranger.

Ersi Sotiropoulos: In Deutschland noch eher unbekannt

In Deutschland kennen Sotiropoulos bislang vermutlich nur wenige. Sie verfügt noch nicht einmal über eine deutschsprachige Wikipedia-Seite. Das könnte sich bald ändern: Glaubt man den Wettbüros, dann zählt die Autorin in diesem Jahr zu den großen Favoritinnen für den Literaturnobelpreis, nicht zuletzt wegen ihres poetischen Romans "What's Left of the Night". Das Buch ist ein Porträt des griechischen Dichters Constantine Cavafy, der auf einer Paris-Reise über das Konzept der Schönheit und über den Weg zu sich selbst nachdenkt.

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Wer tatsächlich in der engeren Auswahl der Schwedischen Akademie steht, die den Nobelpreis für Literatur vergibt, ist ein gut gehütetes Geheimnis. Informationen über den Entscheidungsprozess dringen, anders als noch vor einigen Jahren, fast nicht mehr nach draußen. Und so haben auch in diesem Jahr zahlreiche berühmte Schriftstellerinnen und Schriftsteller am Tag der Verkündung vermutlich ihr Telefon ganz genau im Blick behalten.

Wie bei Günter Grass: Can Xue lässt Ratte sprechen

Salman Rushdie, Haruki Murakami oder Margaret Atwood gehören seit vielen Jahren zum Kreis derjenigen, die bei den Wettbüros - und auch bei vielen Leserinnen und Lesern - hoch im Kurs stehen. Vor Kurzem wurde auch immer wieder die Chinesin Can Xue genannt, eine der wichtigsten Vertreterinnen der experimentellen Literatur des Landes. Zuletzt erschien von ihr auf Deutsch der Roman "Schattenvolk", in dem verschiedene Tiere sinnbildlich für das Unterbewusste des Menschen zu Wort kommen. Darunter auch eine sprechende Ratte - ein Stilmittel, das schon einmal ein Nobelpreisträger wählte: Günter Grass mit seiner "Rättin" aus dem Jahr 1986.

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Der Schriftsteller Günter Grass im Jahr 1969 © picture-alliance / dpa

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Mit Can Xue hätte das Komitee nach längerer Zeit den Blick wieder nach Asien gerichtet. Ein Kontinent, dessen Autorinnen und Autoren angesichts seiner reichhaltigen und vielfältigen Literatur bislang noch viel zu selten in den Rang der Nobelpreisträger gehoben wurden. Die Entscheidung der Akademie für die Südkoreanerin Han Kang war also quasi "fällig".

Immer noch zu weiß, zu männlich, zu eurozentristisch?

Überhaupt musste sich die Schwedische Akademie in den vergangenen Jahren zunehmend die Kritik anhören, sie sei in ihrer Wahl zu weiß, zu männlich, zu eurozentristisch. Die Akademie reagierte, holte sich externe Beratung für nicht-europäische Literaturen - und zeichnete am Ende mit Jon Fosse einen weißen Norweger aus, ohne Zweifel ein großer Literat. Dem mittlerweile 85 Jahre alten großen australischen Schriftsteller Gerald Murnane wurden in diesem Jahr genauso hohe Chancen eingeräumt wie der vielfach preisgekrönten Alexis Wright aus dem australischen Aborigine-Stamm der Waanyi.

Möglich wäre auch eine Preisvergabe nach Norddeutschland gewesen: Im weiteren Kreis der Favoritinnen und Favoriten findet sich seit Jahren auch zuverlässig Hélène Cixous. Die Familie der französischen Schriftstellerin kommt aus Osnabrück: Ihre Mutter und ihre Großmutter wurden dort geboren, ehe sie 1930 die Stadt verließen.

Hélène Cixous von der Stadt Osnabrück ausgezeichnet

Die niedersächsische Stadt ist ein fester Bezugspunkt im Werk von Cixous. Im Jahr 1999 erschien ihr Buch "Osnabrück", in dem sie sich mit dem Leben ihrer Mutter auseinandersetzt: "Es geht um das Leben meiner Mutter, in Wahrheit, ums Leben, darum zu leben, von ihrem Überleben zu leben und sogar, was noch mehr ist, um ihr Überleben", heißt es darin. Die höchste Auszeichnung der Stadt Osnabrück, die Justus-Möser-Medaille, hat Cixous für ihr Werk bereits erhalten.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 10.10.2024 | 08:20 Uhr

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