Memoir "Knife": Salman Rushdie reagiert auf Hass mit Liebe
Salman Rushdie thematisiert in seinem neuen Buch das Attentat auf ihn und die daraus entstandenen Folgen. "Knife" ist ein über weite Strecken sehr nachdenkliches und trauriges Buch.
"Es ist schön, wieder hier zu sein, im Vergleich zu: nicht wieder hier zu sein - was auch eine Option gewesen wäre." Mai 2023 im PEN America in New York: Bei seinem ersten öffentlichen Auftritt nach dem Attentat auf ihn ist klar: Der Mordversuch hat Salman Rushdies Sinn für Komik nicht beschädigt. Auch in seinem Memoir "Knife" beweist er, dass er selbst den schlimmsten Augenblick seines Lebens, als er durch zahlreiche Messerstiche lebensgefährlich verletzt am Boden eines Veranstaltungsortes im Bundesstaat New York, umringt von Menschen liegt, mit schwarzem Humor betrachten kann.
Ein Angriff auf die Freiheit
Insgesamt ist "Knife" aber vor allem ein sehr nachdenkliches und auch über weite Strecken trauriges Buch. Wie sollte es anders sein? Da kämpft ein Schriftsteller ums schiere Überleben, verliert ein Auge und behält auch im Gesicht und in der Schreibhand bleibende Schäden. Da sorgt sich ein Mensch um die Beziehung zu seiner Frau, der Dichterin und Fotografin Rachel Eliza Griffiths, mit der er fünf Jahre ein unbeschwertes Liebesglück teilte.
Wie konnte man nach einem versuchten Mordanschlag noch glücklich sein? Was würde er mit uns machen? Wäre unser Glück dadurch vorbei? Leseprobe
Schnell wird den Eheleuten klar, dass es nicht nur um den Mordversuch an Salman Rushdie geht, sondern um mehr: um einen Angriff auf die Freiheit. Sie wollen Rushdies Genesung und Rückkehr ins Leben dokumentieren. Die Ehefrau zeichnet die gemeinsamen Gespräche auf, fotografiert und filmt ihren Mann und sich selbst. Es soll später als Rohmaterial für einen Dokumentarfilm dienen und für eben dieses Memoir "Knife".
Rushdie geht klug mit dem Attentäter um
Nach über sechs Wochen auf der Intensivstation und in einer Reha-Klinik in New York City wird Rushdie entlassen. Aber nach Hause gehen er und seine Frau nicht - aus Angst vor Paparazzi. Deshalb nehmen sie von Freunden das Angebot an, erstmal in deren gerade ungenutzten Penthouse in Manhattan zu bleiben.
Ihm sei am Tag des Attentats das Schlimmste und Beste am Menschen begegnet, schreibt Rushdie und meint mit dem Besten die mutigen Leute, die den Angreifer zu Boden drückten. Sehr klug geht der Autor mit dem Attentäter um: Er macht ihn klein, nennt ihn nur "A", was für "Attentäter" oder "Arschloch" steht. Und er verwirft die Idee, sich mit ihm zu treffen. Stattdessen denkt er sich Begegnungen mit ihm aus wie diese:
Ich erkenne Sie jetzt, mein gescheiterter Mörder, mein scheinheiliger Attentäter, mon semblable, mon frère. Sie konnten es mit dem Morden versuchen, weil Sie nicht zu lachen wussten. Leseprobe
Salman Rushdies "Knife": Ein mutmachendes Buch
So kann man Rushdies Humor in "Knife" eben auch als den nachträglichen Versuch verstehen, den Angriff des Attentäters zu parieren. Auf den Hass reagiert der Autor außerdem mit der Schilderung seiner Liebe. Ein bemerkenswertes, ein berührendes, ein mutmachendes Buch. Darin zitiert Salman Rushdie auch den Schluss seiner Rede vor dem PEN America: "Wir dürfen uns von Terror nicht terrorisieren lassen. Gewalt darf uns nicht vom Weg abbringen. Der Kampf geht weiter."
Knife
- Seitenzahl:
- 256 Seiten
- Genre:
- Roman
- Zusatzinfo:
- Aus dem Englischen von Bernhard Robben
- Verlag:
- Penguin
- Bestellnummer:
- 978-3-328-60327-6
- Preis:
- 25 €