Friedenspreis für Salman Rushdie: "Die Freiheit verteidigen"
Der 76 Jahre alte, britisch-indische Schriftsteller erhielt die Auszeichnung "für seine Unbeugsamkeit, seine Lebensbejahung und dafür, dass er mit seiner Erzählfreude die Welt bereichert".
In seiner Dankesrede rief Salman Rushdie dazu auf, die Meinungsfreiheit bedingungslos zu verteidigen. "Wir leben in einer Zeit, von der ich nicht geglaubt habe, sie erleben zu müssen", sagte der 76-Jährige am Sonntag bei der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels in der Frankfurter Paulskirche.
Es sei "eine Zeit, in der die Freiheit - insbesondere die Meinungsfreiheit, ohne die es die Welt der Bücher nicht gäbe - auf allen Seiten von reaktionären, autoritären, populistischen, demagogischen, halbgebildeten, narzisstischen und achtlosen Stimmen angegriffen wird".
"Auf Hass mit Liebe antworten"
Was aber könne man tun, um die Meinungsfreiheit zu verteidigen, fragte Rushdie rhetorisch. "Wir sollten weiterhin und mit frischem Elan machen, was wir schon immer tun mussten: schlechte Rede mit besserer Rede kontern, falschen Narrativen bessere entgegensetzen, auf Hass mit Liebe antworten und nicht die Hoffnung aufgeben, dass sich die Wahrheit selbst in einer Zeit der Lügen durchsetzen kann." Die Meinungsfreiheit müsse übrigens auch verteidigt werden, "wenn sie uns beleidigt, da wir die Meinungsfreiheit sonst überhaupt nicht verteidigen würden".
Der Preis ist mit 25 000 Euro dotiert und gilt als eine der bedeutendsten Literaturauszeichnungen des Landes. Rushdie erhält die Auszeichnung laut Jury "für seine Unbeugsamkeit, seine Lebensbejahung und dafür, dass er mit seiner Erzählfreude die Welt bereichert". In seinen Romanen und Sachbüchern verbinde er erzählerische Weitsicht mit stetiger literarischer Innovation, Humor und Weisheit. Berühmt wurde Rushdie mit seinem 1981 erschienenen Meisterwerk "Mitternachtskinder".
Die Laudatio hielt der Schriftsteller Daniel Kehlmann. Für ihn sei Salman Rushdie "der vielleicht wichtigste Verteidiger der Freiheit von Kunst und Rede in unserer Zeit", sagte Kehlmann. Er sei nicht nur unbestritten ein großer Erzähler, sondern auch "ein weiser, neugieriger, heiterer und gütiger Mensch und somit der würdigste Träger, den es für diese Auszeichnung (...) überhaupt hätte geben können".
"Der berühmteste Unsichtbare der Welt"
Die 1989 gegen ihn verhängte Fatwa habe ihn nicht zerstören können. "Wie souverän Salman Rushdie mit einer Lage umging, die andere Menschen seelisch erdrückt hätte, das verschlägt einem schon den Atem." Im Gegenzug für seinen Personenschutz sei von ihm erwartet worden, "dass er sich an einen verborgenen Ort zurückziehen und nicht weiter von sich hören lassen würde", sagte Kehlmann. "Aber Salman spielte dabei nicht mit. Er blieb sichtbar, blieb präsent, blieb vor allem ein Schriftsteller." Statt sich zurückzuziehen, damit alle wieder ihre Ruhe haben, wurde er "der berühmteste Unsichtbare der Welt".
1989 rief der damalige iranische Revolutionsführer Ayatollah Chomeini wegen Rushdies Roman "Die satanischen Verse" zur Ermordung des Autors auf. Seit einer Messerattacke in den USA 2022 ist Rushdie auf einem Auge blind.