Literaturnobelpreisträgerin Han Kang: "Kein Grund für große Feier"
Auch wenn der Literaturnobelpreis erstmals nach Südkorea geht - für die Schriftstellerin Han Kang gibt es derzeit zu viele Probleme auf der Welt, um zu feiern. Zur Preisverleihung will sie im Dezember dennoch kommen.
Literaturnobelpreis-Trägerin Han Kang hat nach eigenen Angaben ihrem Vater ein Festbankett ausgeredet, das dieser in seinem Dorf aus Anlass der Auszeichnung geben wollte. Sie feiere zwar gern, aber lieber im Stillen, sagte sie dem schwedischen Sender SVT. Sie berichtete von einem Abendessen mit ihrem Sohn und Kamillentee. "Ich habe meinem Vater gesagt: Bitte mache keine große Feier." Es gebe so viele Probleme auf der Welt.
Zur Preisverleihung in Stockholm will sie aber kommen, sagte die 53-Jährige. Han Kang ist die erste Südkoreanerin, die den Literaturnobelpreis erhält. Sie wurde damit für ihre "intensive poetische Prosa, die sich historischen Traumata stellt und die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens offenlegt" geehrt, wie die Schwedische Akademie in Stockholm mitteilte.
Überraschende Wahl Kangs findet positives Echo
Der internationale Durchbruch gelang ihr mit dem Roman "Die Vegetarierin" aus dem Jahr 2007, der die gewalttätigen Folgen schildert, die sich für die Protagonistin aufgrund ihrer Weigerung, sich den Normen der Ernährung zu unterwerfen, ergeben. Das Buch erschien 2016 auf Deutsch beim Aufbau Verlag und wurde übersetzt von Ki-Hyang Lee. 2016 erhielt es den renommierten britischen Man-Booker-Preis. "So etwas Intensives und Aufwühlendes hat man lange nicht gelesen", meinte damals die NDR Literaturredakteurin Ulrike Sárkány. 2017 entstand aus der Erzählung ein NDR Hörspiel. Dieses steht mittlerweile wieder online - und ist bis Anfang 2025 in der ARD Audiothek zu hören.
Aufbau Verlag lässt nachdrucken
Der Aufbau Verlag beobachtet inzwischen eine "große Nachfrage" bei den Titeln der südkoreanischen Literaturnobelpreisträgerin. Der Verlag lasse "Die Vegetarierin" mit 30.000 Exemplaren nachdrucken, hieß es. Am 16. Dezember erscheint bei Aufbau Han Kangs neuer Roman "Unmöglicher Abschied". Darin geht es laut Verlag um die Geschichte einer Freundschaft zwischen zwei Frauen und zugleich um ein jahrzehntelang verschwiegenes Kapitel koreanischer Geschichte.
Medienecho: "Eine gute Wahl"
Die Süddeutsche Zeitung lobt die Wahl der Schwedischen Akademie für Han Kang: "In ihren Romanen blühen zarte neue Beziehungen. Und dafür hat sie den Literaturnobelpreis bekommen".
"Es ist doch wieder nicht Salman Rushdie geworden", stellt die Hannoversche Allgemeine fest. Nach der Konzentration auf Europa in den Vorjahren sei nun wieder ein hierzulande eher unbekannter Name gefallen. Aber, so die HAZ, es lohne sich, die Lektüre von Han Kang zu lesen bzw. nachzuholen, wenn man sie noch nicht gelesen hat.
Schmerz, Gewalt und Einsamkeit seien dominierende Themen der Autorin, die selbst sagt, ihr Werk sei tief in der koreanischen Geschichte verwurzelt. "Man darf es für eine Auszeichnung, die den Anspruch hat, allen Nationalliteraturen vergleichend gerecht zu werden, seltsam nennen, bislang derart wenige asiatische oder auch afrikanische Autoren bedacht zu haben", schreibt Andreas Platthaus in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
Südkoreas Kultur auf Erfolgskurs
"Kulturell ist Südkorea, scheint's, kaum zu stoppen" so das Hamburger Abendblatt: K-Pop, der Oscar-prämierte Film "Parasite" und jetzt eben eine südkoreanische Literaturpreisträgerin - das könne man auch jenseits geografischer Überlegungen nur gut finden. "Han Kang ist K-Pop, nur halt mit Buchstaben", heißt es im Abendblatt weiter. Sie sei unbedingt eine gute Wahl.
Geboren in Seoul, 1999 Preis für besten koreanischen Roman
Han Kang ist die Tochter des Schriftstellers Han Seung-won. Sie wurde 1970 in Gwangju geboren und wuchs in Seoul auf. Han Kang studierte an der Yonsei University in Seoul Koreanische Literatur. Zuerst wurde 1993 Lyrik von ihr in einem Magazin veröffentlicht. 1994 folgten erste Kurzgeschichten. Im Jahre 1999 gewann sie einen Preis für den besten koreanischen Roman, 2000 den "Preis für junge Künstler von heute" des Ministeriums für Kultur und Tourismus und schließlich 2005 den Yi-Sang-Literaturpreis.
Ihr Werk "Die Vegetarierin" wurde 2010 verfilmt und der Kurzroman "Baby Buddha" diente als Grundlage für den Film "Scar". Derzeit lehrt Han Kreatives Schreiben am Seoul Institute of the Arts.
Erste Südkoreanerin, die den Literaturnobelpreis erhält
Han Kang ist die 18. Frau, die den Literaturnobelpreis erhält - und die erste Frau unter den bislang verkündeten Nobelpreisträgern dieses Jahres. Die Preisgala findet traditionell am 10. Dezember in Schwedens Hauptstadt Stockholm statt, dem Todestag Alfred Nobels. Der Literaturnobelpreis ist derzeit mit elf Millionen Schwedischen Kronen (aktuell rund 967.000 Euro) dotiert und wird seit 1901 vergeben. Seither wurden 117 Auszeichnungen verliehen.