Humor als Rettungsanker: Salman Rushdie in Hamburg
Vor zwei Jahren überlebte Salman Rushdie schwer verletzt einen Anschlag, verlor dabei sein rechtes Auge. Am Montag war der Schriftsteller in Hamburg. Bei einer Lesung berichtete er, wie er den Angriff erlebt hat.
Zunächst war Salman Rushdie zu Besuch bei Hamburgs Bürgermeister Tschentscher im Rathaus, wo er sich in das Goldene Buch der Stadt eintrug. Am Abend trat der indisch-britische Schriftsteller bei einer bis zu letzt geheim gehaltenen Lesung auf, die das Magazin "Stern" veranstaltet hat. Natürlich wollte "Stern"-Chefredakteur Gregor Peter Schmitz wissen, wie Salman Rushdie jenen Moment erinnert, als der Angreifer auf ihn zugestürzt ist. Scheinbar aus dem Nichts stand die dunkle Gestalt vor ihm, so der Autor: "Die Leute denken, eine halbe Minute, das ist doch nicht viel. Aber wenn dann einer mit einem Messer zu dir kommt, sind 27 Sekunden lang", sagt Rushdie, der 33 Jahre nachdem Ayatollah Khomeini per Fatwa zu seiner Tötung aufgerufen hatte, tatsächlich beinahe gestorben wäre. Wegen seines Werks "Die satanischen Verse" hatte der damalige iranische Revolutionsführer Khomeini das religiöse Rechtsdokument veröffentlicht, das zur Tötung des Autors aufforderte.
Rushdie verarbeitet Attentat in "Knife"
Nun hat Rushdie ein Buch über das Attentat geschrieben. "Knife" heißt es knapp und düster - wie das Messer, mit dem der junge Mann, kaum 20 Jahre alt, auf ihn einstach. Im Buch hat der Autor das packend geschildert, auch, was ihm in dem Moment durch den Kopf ging. Ein Moment, den er als intim empfunden hat, auf übergriffige, perverse und fast erotische Art: "Als ich fiel, lag er auf mir. Ich möchte das erotisch nennen, aber er lag auf mir und stach auf mich ein, was eine Art pervertierte Erotik ist."
Angriff bei Tagung am Erie-See
Rushdie war damals eingeladen zu einer Tagung am Erie-See an der kanadischen Grenze, ein traditionsreicher, friedlicher Ort intellektueller Begegnung. Security hatte man dort noch nie gehabt. Der Täter, Sohn geschiedener Eltern aus dem Libanon, war durchtrainiert, kräftig, stach immer wieder ein auf den am Boden Liegenden. Durchstach die Hand, tief in den Nacken, die Leber, den Kopf - und direkt in das Auge. Einer der Chirurgen, die Salman Rushdie das Leben gerettet haben, sagte, er hätte Glück gehabt, dass der Täter nicht wusste, wie man einen Mann mit einem Messer tötet.
Lockere Plauderei mit "Stern"-Chef in Hamburg
Hier in Hamburg, fast zwei Jahre später, ist der berühmte Autor wirklich sehr blass, geht leicht gebeugt. Das rechte Glas der Brille ist schwarz, aber das Gespräch mit dem "Stern"-Chef kommt wie eine lockere Plauderei unter Kollegen rüber. Die 70, 80 Leute im Publikum müssen schon sehr aufpassen, um zu erfahren, etwa wie peinlich Rushdie seine mangelnde Fitness in dem Moment empfunden hat, wie er seinen Körper wiederentdeckt oder auch seine Lesegewohnheiten ändert: Bücher liest er nun eher mit dem Tablet, erzählt er. Da leuchtet der Text, er kann die Schriftgröße einstellen - er sei durch die Auswirkungen des Anschlags im digitalen Zeitalter angekommen, sagt Rushdie.
Humor und Liebe retten Rushdie
Rushdie widmet dem Attentäter ein ganzes Kapitel, führt ein komplett ausgedachtes und sehr kluges Gespräch mit ihm im Gefängnis. Dieser launige Ton, überhaupt sein Humor, hätten ihn gerettet, wie das Schreiben dieses hinreißend erzählten Buchs, das er als Mischung aus "Murder- and Love-Story" bezeichnet. Denn es ist auch die Feier einer großen Liebe, der zu seiner Frau Eliza, zur Familie, den Freunden. Eine Feier des Lebens.