"Kompetenz macht glücklich": Wie Kinder besser lesen lernen
Studien zeigen immer wieder: In Deutschland können Kinder nicht gut genug lesen. Im Norden gibt es Ansätze, wie man das beheben kann - zwei Beispiele zum "Welttag des Buches" aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Anke Märk-Bürmann will Begeisterung für Bücher entfachen. Sie arbeitet bei der Akademie für Leseförderung in Hannover. In Niedersachsen können etwa 25 Prozent aller Schüler*innen nach der vierten Klasse nicht richtig lesen. "Wer nicht lesen kann, der kann keinen Busfahrplan lesen", so Märk-Bürmann. "Der kann auch kein Programm einer politischen Partei lesen. Und der weiß nicht, was er dann wählen soll. Der ist natürlich sehr stark beeinflussbar. Lesen ist eine wichtige Voraussetzung für politische Teilhabe und gesellschaftliche Teilhabe."
Frühe Begeisterung für Bücher als Schlüssel zum Lernerfolg
Die drei Referentinnen der Akademie bieten Fortbildungen für Kitas und Schulen an. Sie geben Praxistipps, wie Kinder zum Lesen motiviert werden können. Außerdem begleiten sie Projekte wie den "Lesestart", mit Büchern für Null- bis Dreijährige, auch ohne Text. Denn die Begeisterung für Bücher sei der entscheidende Schlüssel zum späteren Lernerfolg. "Eigentlich würden wir uns wünschen, dass es in jedem Landkreis eine kleine Akademie für Leseförderung gibt, an der eine Person für das Thema zuständig ist", sagt Märk-Bürmann. "Und an diese Person können sich dann Bibliotheken, Kitas, die Eltern oder auch die Schulen wenden."
Jutta Weiß ist Studienleiterin und Koordinatorin von "Lesen macht stark". Das Ziel des Programms in Schleswig-Holstein ist klar, so Weiß: "Sprache ist ein Zuhause - und wir müssen allen Kindern ein sprachliches Zuhause geben."
App "Buddy Bro": Lesetraining im Tandem
"Lesen macht stark" setzt dafür aber auf einen anderen Aspekt des Lesenlernens. Hier geht es vor allem um die Lesefertigkeit. Das Diagnostik-Programm für Schriftspracherwerb wurde in Schleswig-Holstein vor zehn Jahren eingeführt. Heute nimmt etwa jede zweite Grundschule im Land teil. Erst einmal ernüchternd: Im beobachteten Zeitraum ist die Lesefertigkeit der Schüler*innen nicht besser geworden. Da hilft nach wissenschaftlichem Stand nur eins: Training. Deshalb lernen die Schüler*innen seit vergangenem Jahr mit der App "Buddy Bo".
"Die Kinder lesen im Tandem, das ist ganz wichtig, mit sogenannten Laut-Leseverfahren", erklärt Weiß. "Das heißt, sie sprechen im Chor einen Text nach. Dann trainieren sie den Text alleine und zum Schluss müssen sie mit einem Level-Check beweisen, dass sie schnell und fehlerfrei gelesen haben. Erst dann steigen sie als Tandem in das nächste Level auf."
Ziel: 120 Wörter pro Minute bis zum Ende der Grundschule
Die Level-Checks nehmen die Kinder über ihr Tablet auf. Ihre Lehrkraft kann per Bluetooth auf die Aufnahme zugreifen und dann persönlich Feedback geben. Das Ziel: Am Ende der Grundschule sollen etwa 120 Wörter pro Minute gelesen werden können. Das kann mit der App "Buddy Bo" funktionieren, so Weiß: "Wir haben Kinder erlebt, die in der Pilotphase ganz große Leseprobleme hatten und die mit stolz geschwellter Brust erzählt haben: Frau Weiß, wir haben die anderen jetzt überholt. Das waren ihre Klassenmitglieder, die nach der Fibel-Lernmethode gelernt haben. Mein Spruch dazu ist immer, und das sieht man den Kindern auch an: Kompetenz macht glücklich."
Mit Kompetenz und Begeisterung in Kombination sollten die Kinder im Norden bei den nächsten Studien dann hoffentlich besser abschneiden. Dass das funktionieren kann, hat Hamburg gezeigt: Hier gibt es seit einigen Jahren eine konsequente Förderung - und die Hamburger Grundschüler*innen haben sich im Bereich "Lesen" im Bildungstrend Grundschule des Instituts zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen von Platz 14 im Jahr 2011 auf Platz 3 im Jahr 2021 verbessert.