Jo Lendle über Amelia Earhart: "Wusste nicht, wie toll sie ist"
Jo Lendle erzählt in seinem Roman "Die Himmelsrichtungen" von der US-amerikanischen Flugpionierin Amelia Earhart. Es sei aber keine Biografie, sondern ein Werk der Fiktion, betont er im Gespräch bei NDR Kultur à la carte.
Es ist der 2. Juli 1937. Amelia Earhart fliegt in ihrer Lockheed Electra hoch über dem Ozean. Sie steht kurz davor als erster Mensch am Äquator die Welt zu umrunden. Sie weiß nicht, dass sie von diesem Abenteuer nicht zurückkehren wird. Weder ihr Flugzeug noch Earhart selbst und ihr Begleiter konnten gefunden werden. Eine bis heute ungeklärte Geschichte. Wer ist diese mutige Frau, die von jungen amerikanischen Frauen als Idol gefeiert wurde, als erste Frau den Atlantik im Alleinflug überquerte und sich vehement einsetze für Frauen und das Aufbrechen der Geschlechterrollen? Bei NDR Kultur à la carte spricht Jo Lendle über diese mutige und eigenwillige Frau. Einen Auszug aus dem Gespräch lesen Sie hier.
Ihr Roman heißt "Die Himmelsrichtungen", im Titel gibt es aber keine Andeutung, dass es sich um die Geschichte der Pilotin Amelia Earhart handeln könnte. Warum haben Sie sich für diesen Titel entschieden?
Jo Lendle: Es ist ihre Geschichte und ihr Leben, das ist aufregend genug. Es ist am Ende ein Roman. Es sind andere Figuren mit dabei, es ist kein Sachbuch, keine Biografie dieser sehr besonderen Person, sondern es ein Stück Fiktion. Da ist der etwas freiere Aufschlag über den offenen Titel sicherlich richtiger.
Was meinen Sie mit "andere Figuren"?
Lendle: Ich habe mich erstmal mit Amelia Earhart beschäftigt, auf Grundlage einer sehr blassen Kenntnis. Ich wusste, dass es sie gibt, aber ich wusste nicht, wie toll sie ist. Ich habe angefangen zu lesen und zum Beispiel erfahren, dass sie mit einem Verleger verheiratet war, was Spaß macht, wenn man selber Verleger ist . Sie hat tolle Lyrik geschrieben, was niemand wusste. Dann entwickelt man solche Fäden und gibt ihnen eine eigene Freiheit. Dadurch wird es ein Roman.
Es gibt das ein oder andere über Amelia Earhart zu lesen, auch in Romanform. Wie sind Sie an sie herangekommen? Was hat Sie an dieser Frau fasziniert?
Lendle: Ich wusste schon seit einer Weile von ihrer Existenz, aber habe mich nie näher mit ihr beschäftigt. Dann habe ich vor ein paar Jahren angefangen zu graben. Das macht man manchmal, dass man sich plötzlich für irgendetwas interessiert. In der Regel sind das Sackgassen, weil man merkt, das war ein schönes Leben, aber vielleicht ist es nicht wert, das weiterzuverfolgen. Bei ihr kam so viel zusammen. Diese äußeren Geschichten, dass sie wirklich eine mutige Frau war und sehr eigenständig, die in allem, was sie getan hat, immer die Erste war. Sie scherte sich nicht darum, dass andere das noch nicht gemacht haben. Sie dachte: 'eine muss es ja machen'. Ich bin auf vieles gestoßen, wo ich dachte: 'mit der möchte ich jetzt die nächsten Jahre verbringen'.
Wie haben Sie recherchiert? Wo sind Sie auf die Suche gegangen? Was war vielleicht auch der erste Faden, den Sie in der Hand hielten?
Lendle: Es gibt einige ordentliche Biografien, aber am tollsten ist, dass ihr Nachlass sehr gut geordnet ist. Sie hat eng mit der Universität Purdue in den Vereinigten Staaten zusammengearbeitet. Die haben sie in den 1930er-Jahren sozusagen als Frau eingekauft, die uns erklärt, wie die neue Zeit ist. Die wollten auch ihren Studentinnen zeigen, dass man anders über das Leben nachdenken kann, als man es bisher gemacht hat. Dann holte man sie, und sie hat immer nur diesen jungen Frauen Vorträge gehalten und gesagt: 'Heiratet nicht zu früh, sondern lernt etwas und macht das, danach könnt ihr darüber nachdenken zu heiraten.' Das war eine der wichtigen Botschaften. Diese Universität fühlte sich ihr sehr verbunden, hat ihr auch für ihren großen letzten Versuch eines Flugabenteuers, nämlich die Umrundung der Welt, das Flugzeug finanziert. Zum Dank für all das, hat dann ihr Mann nach ihrem Verschwinden - wir wissen nicht, dass sie gestorben ist, wir wissen nur, dass sie verschwunden ist - all ihre Unterlagen dieser Universität gestiftet. Die hat das sehr gut aufgearbeitet. Das heißt, man kann jeden Notizzettel, den sie in ihrem Leben geschrieben hat, dort einsehen. Da verliert man sich.
Waren Sie dort?
Lendle: Nein, ich war nicht dort. Denn es ist alles digitalisiert. Es ist ein Leckerbissen. Man kann mitten in der Nacht arbeiten und findet alles. Kann auch mal nachlesen, die Handschrift und die verschiedenen Entwürfe und Überschreibungen nebeneinander halten. Das ist Ideal.
Man kann mitten in der Nacht arbeiten. Ist das denn Ihre bevorzugte Arbeitszeit?
Lendle: Eigentlich arbeite ich morgens, aber manchmal, wenn es gar nicht anders geht, dann arbeite ich auch nachts.
Wahrscheinlich, weil Sie dann mit dem Verlag viel zu tun haben.
Lendle: Genau, tagsüber ist der Verlag dran, nur der Verlag. Und in den restlichen Zeiten ist dann das Schreiben immer mal wieder dran.
Das Gespräch führte Andrea Schwyzer.