Edition Nautilus bittet um Hilfe: "Nur die Hälfte des Umsatzes"
Die Hamburger Edition Nautilus feiert dieses Jahr ihr 50-jähriges Jubiläum. Derzeit steckt der Verlag aber in finanziellen Schwierigkeiten. Drei der vier Mitglieder des Kollektivs, die den Verlag führen, verzichteten im Juli auf ihr Gehalt. In einem Aufruf hat die Edition Nautilus nun um Unterstützung gebeten. Ein Gespräch mit der Verlegerin Franziska Otto.
"Gegen schwindende Medienaufmerksamkeit für Literatur, gestiegene Produktionskosten, schließende Buchhandlungen, Inflation und abnehmendes Interesse an herausfordernden Büchern können wir immer weniger tun", heißt es in der Mitteilung des Verlags. Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen für kleine Verlage hätten sich in den letzten Jahren dramatisch verschlechtert.
In der vergangenen Woche hat die Edition einen Unterstützungsaufruf verschickt. Da steht drin, die Lage habe sich dramatisch zugespitzt. Was heißt das genau?
Franziska Otto: Es ist ein schleichender Prozess. Man merkt, dass die Umsätze nicht so gut sind. Die Titel laufen nicht so, wie man sich das vorgestellt hat - aber das gibt es immer wieder. Man überlegt dann: Liegt es am Programm? Haben wir für den einen oder anderen Titel noch nicht genug getan? Aber dann hören wir von anderen Verlagen, dass es ihnen auch schlecht geht, die Umsätze eingebrochen sind, sie ihre Mitarbeiter entlassen oder schließen müssen. Auch Buchhandlungen sagen, die Kunden kommen nicht mehr. Aktuell hat sich das zugespitzt. Wir stehen im Moment bei der Hälfte des Umsatzes, den wir im Vorjahr zu diesem Zeitpunkt hatten. Zum Beispiel ist es so, dass drei von vier von uns Kollektivmitgliedern, die wir den Verlag führen - also die, die es sich leisten konnten - im Juli auf ihr Gehalt verzichtet haben.
Zeigt der Hilfeaufruf schon Wirkung? Wie sind die Reaktionen?
Otto: Die Reaktionen sind sehr positiv und das hat uns natürlich sehr gefreut. Es gab wahnsinnig viele Reaktionen. Auf den Social-Media-Kanälen wurden der Aufruf geteilt und unsere Bücher präsentiert und empfohlen. Wir haben unglaublich viele Bestellungen über unseren Webshop gehabt. Wir haben tagelang nur Pakete gepackt und die meisten haben mehr als ein Buch gekauft. Buchhandlungen haben nachbestellt und wir haben Spenden erhalten, was uns sehr gerührt hat. Wir haben viel Zuspruch erhalten. Dass ich jetzt hier stehe, ein Interview gebe und Sie einen Thementag über unabhängige Verlage machen, zeigt, dass das, was wir bezwecken wollten, Wirkung gezeigt hat - nämlich auf die Situation der unabhängigen Verlage aufmerksam zu machen, die im Moment immer schwieriger wird.
So ein Aufruf hält nicht ewig. Wie möchten Sie inhaltlich oder strukturell nachsteuern?
Otto: Man überlegt schon: Liegt es am Programm? Eigentlich bekommen wir auf unser Programm immer positive Rückmeldungen. Man kann schauen, welche Titel man ins Programm nimmt, die vielleicht mehr Verkäufe versprechen. Aber eigentlich ist eine Sache, für die wir stehen, die wir weitermachen wollen und die uns Mut gibt, dass wir die Titel machen, die uns begeistern und von denen wir denken, dass sie etwas bewegen können.
Wofür steht die Edition Nautilus? Was sind die Alleinstellungsmerkmale?
Otto: Wir machen Bücher, die verändern wollen und die in Debatten eingreifen. Wir haben, wie viele unabhängige Verlage, ein kuratiertes Programm. Wir haben nicht viele Neuerscheinungen. Wir wählen die im Kollektiv aus - das ist sicherlich schon ein Alleinstellungsmerkmal. Nach dem plötzlichen Tod von Lutz Schulenburg 2013 haben wir ein paar Jahre später den Verlag als Kollektiv übernommen. Das ist, denke ich, schon einzigartig. Programmatisch stehen wir neben anderen linken Verlagen, die politische Bücher machen, aber wir wollen auch in der Belletristik Perlen und literarische Neuentdeckungen finden und mit Autoren und Autorinnen weitermachen, die vielleicht beim Debüt noch nicht erfolgreich waren. Wir versuchen es trotzdem und bleiben weiter dran.
Das Gespräch führte Mischa Kreiskott.