Büchner-Preisträger Oswald Egger: "Ich bin Wandler zwischen den Orten"
Der Georg-Büchner-Preis 2024 geht an den Schriftsteller und Lyriker Oswald Egger. Im Gespräch mit NDR Kultur erzählt der 61-Jährige, was ihm an seiner Arbeit wichtig ist und was ihn an Norddeutschland reizt.
Herr Egger, zunächst einmal herzlichen Glückwunsch! Wie und wo haben Sie denn erfahren, dass Sie den Büchner-Preis erhalten?
Oswald Egger: Das ist schon ein oder zwei Tage her. Da war ich auf dem Weg zum Geburtsort von Lenz (Jakob Michael Reinhold - Anm. d. Red.) in Livland, Lettland. Also hat das sehr genau gepasst.
"Die Gedichte und Texte des Lyrikers laden zum Assoziieren und Entschlüsseln ein und Sprache begreift er unter anderem als Klang und Performance", so urteilt die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung. Finden Sie sich darin wieder?
Egger: Da ist sehr viel Zutreffendes dabei. Wahrscheinlich nicht ganz konkurrierend mit dem, was ich erzähle, dafür ist es ja doch vertrackter. Man arbeitet ja das halbe Leben an seiner Sache. Das kann man ja nicht mit zwei, drei Sätzen abdecken. Aber die Richtung ist auf jeden Fall hoch zutreffend. Die Bücher sind sehr gestaltet, sind visuell durchsetzt, sind komponiert, sind Aufführungsformen dieser verschiedenen Textformen, dieser Erzählverhalten, dieser performativen Strukturen. Man wird anhand von Darstellungsformen, von Illustrationen, von Aquarellen, von Zeichnungen durch die Bücher geführt - auch schon selber als Handlung fungierend.
Ihre Bücher werden auch als Gesamtkunstwerke bezeichnet. Es gibt Aquarelle dazu und die Bücher haben auch oft eine ganz spezielle Haptik. Das haben Sie in Südtirol entwickelt. Nun haben Sie ja seit 2011 eine Professur in Kiel an der Kunsthochschule. Sie sind also immer mal wieder auch hier bei uns im Norden. Gibt es irgendetwas, was sie aus Norddeutschland für ihre Werke an Inspiration gewinnen?
Egger: Das ist ja eine ganz andere, komplementäre Landschaft: die Küstenlandschaft, diese Buchtungen statt Berge, Fjorde statt Täler. Das kann man schon so sagen. Das war ein großer Schritt, sozusagen in diese Welt. Tatsächlich kam ich da nicht aus Südtirol, sondern schon aus Düsseldorf und Wien. Ich bin sozusagen ein Wandler zwischen den Orten - zwischen den Worten und den Orten geworden. Das war auch kein Plan. Tatsächlich habe ich diese Professur ja wegen dieser Spezial-Kompetenz bekommen, die ich habe. Und ich unterrichte ja nicht Literatur, sondern "Sprache und Gestalt". Also genau diese Schnittstelle, wo ich mich täglich auch in meinem eigenen Tun bewege. Das ist ein merkwürdiger Zufall oder Glücksfall - und das gibt es sonst nirgendwo.
Ich würde schon sagen, das ist etwas sehr Spezielles - meine Bücher und meine Arbeit sind von großer Wiedererkennung geprägt. So ist es auch mit diesem Brotberuf, den ich ausübe. Das geht eigentlich wechselständig und kontinuierlich ineinander über. So empfinde ich es und so erfahre ich es. Und so, weiß ich auch, wird es wahrgenommen und angenommen.
Einer breiten Öffentlichkeit waren Sie bislang kaum bekannt. Mit dem Büchner-Preis wird sich das jetzt vermutlich ändern. Freuen Sie sich darauf, dass Sie jetzt mehr Bekanntheit erreichen werden?
Egger: Da ist nichts Schädliches dabei. Das ist hocherfreulich! Man wird dann sehen, was dann wirklich passiert. Diese Ereignishaftigkeit ist natürlich durch die Namhaftigkeit des Preises gegeben. Ich freue mich unbenommen darauf und ich bin auch zuversichtlich, dass dieses Land, das ich da beackere oder auch literarisch bearbeite, von einigen dann bewandert wird. Aber das wird keine Rückwirkungen auf das Tun selber bewirken. Aber natürlich ja, vielleicht, wenn wir uns das nächste Mal sprechen, dann müssen wir das nicht mehr verhandeln, und wir haben uns schon kennengelernt. Das ist hocherfreulich, und das meine ich so, wie ich sage. Da ist kein Unterton.
Das Gespräch führte Keno Bergholz.