Büchnerpreis an Oswald Egger: Der Natur eine Stimme geben
Der Schriftsteller Oswald Egger bekommt den Georg-Büchner-Preis 2024. Dies teilte die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt mit. Der Wiener ist auch Professor an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel.
Oswald Egger arbeite an einem Werk, das "Sprache als Bewegung, als Klang, als Textur, als Bild, als Performance begreift und sich in der Fortschreibung und Veränderung des Sprachgebrauchs entwickelt", heißt es in der Begründung der Jury. "Das ist eine große Überraschung: Oswald Egger ist selbst in Literaturkreisen eher unbekannt", ordnet Jan Ehlert vom NDR Bücherpodcast eat.READ.sleep die Auszeichnung ein, die in der Literaturbranche immer noch als Ritterschlag gilt. "Der Gedanke der Akademie, hier einen Dichter in den Mittelpunkt zu stellen, der der Natur eine Stimme gibt, das gefällt mir in Zeiten, in denen wir unseren Umgang mit der Natur zunehmend verloren haben, schon sehr gut."
Eindrückliche Naturbeschreibungen
Egger sei ein Dichter, der versucht, der Biosphäre eine Sprache zu geben. Mit "Val di Non", einer Hommage an die Täler Südtirols machte er sich einen Namen. Seine jüngsten Gedichte bestechen durch starke Naturbeschreibungen, etwa den Wasserverlauf des Mississippi. Da heißt es etwa:
"Die Stromfäden verschlingen im Prallhangschutt und bilden, auseinandergezurrt, schraubenförmig torquierte Spierel" aus "Entweder ich habe die Fahrt am Mississippi nur geträumt, oder ich träume jetzt"
Eggers Gedichte strotzen von eigenen Wortkreationen und Lautmalereien, um Naturvorgänge zu beschreiben.
"Brut-Butten überschimmern im Duftreif /von Nachtfrostrosen ("Lohde-Wolken"), Graubfäden / und Weißklebernetzen vom Flor-vorhangenden / Decor (stiebender Blüten)." "Unblumen" aus dem Band "Nichts, das ist"
Eggers ist ein Dichter, der mit der Sprache spielt, dem es mehr um Klang als um Reime geht. "Er erschafft eine Art Naturmagie, was auf den ersten Blick erst einmal verwirrend erscheinen mag, weil die Worte nicht sofort einen Sinn ergeben", sagt Ehlert. "Wenn man es aber laut liest, dann hat man das Gefühl, wirklich mitten in der Natur zu sein."
Oswald Egger lehrt unter anderem in Kiel
Der Wiener Oswald Egger ist seit 2011 Professor für Sprache und Gestalt an der Muthesius Kunsthochschule in Kiel. 1993 erschien mit "Die Erde der Rede" die erste größere eigenständige poetische Publikation. Bis heute hat Oswald Egger ein umfangreiches Werk vorgelegt. Dazu zählen unter anderem "Nichts, das ist" (2001), "nihilum album" (2007) und "Diskrete Stetigkeit" (2008) über die Wechselwirkungen von Mathematik und Poesie.
Verschränkungen mit der Malerei
2010 veröffentlichte er das von der Kritik als Gesamtkunstwerk hervorgehobene fast 800 Seiten starke Buch "Die ganze Zeit" mit Prosatexten, Vierzeilern und Zeichnungen über das Phänomen Zeit. Dass Schreiben und Gestalten in den Arbeiten Eggers ineinandergreifen, sich verschränken, zeigen auch die Bände "Val di Non" (2017) und "Entweder ich habe die Fahrt am Mississippi nur geträumt, oder ich träume jetzt" (2021), jeweils mit Zeichnungen und Aquarellen des Autors. Zuletzt erschienen ist der Band "Farbkompartimente" (2023).
Büchnerpreis gilt als Ritterschlag
Der Büchnerpreis ist kein Publikumspreis, Bestsellerautorinnen und -autoren wie Nina George, Ildikó von Kürthy oder Sebastian Fitzek tauchen in den Spekulationen um die Favoriten im Vorfeld nie auf. Eher ist es ein Preis für den Literaturbetrieb selbst - und die Auszeichnung gilt noch immer als Ritterschlag: Uwe Johnson, Elfriede Jelinek, Heinrich Böll, Ingeborg Bachmann, Erich Kästner - wenn man sich anschaut, wer den Büchner-Preis alles schon erhalten hat, dann ist das eine Art Who is Who der deutschsprachigen Literaturgeschichte des 20. und 21. Jahrhunderts.
Vorschläge dürfen nur von den Mitgliedern gemacht werden, deren Aufgabe es laut ihrer Satzung auch ist, "die Sprachentwicklung in der Verbindung von sprachwissenschaftlicher, literarischer und literaturkritischer Kompetenz aufmerksam zu begleiten".