"Wenn du wüsstest, was ich weiß...": Charly Hübners Uwe-Johnson-Würdigung
Uwe Johnson wird zu den wichtigsten deutschen Erzählern des 20. Jahrhunderts gezählt. In "Wenn du wüsstest, was ich weiß..." hat der Schauspieler Charly Hübner beschrieben, wie er das Werk Johnsons entdeckt hat und warum er ihn bewundert.
1989 der Mauerfall, dann der politische Umbruch mit einer Welt voller neuer Möglichkeiten in diese und jene Richtung: Charly Hübner, ein seinerzeit 16-jähriger Mecklenburger, will Schauspieler werden. Er ist bereit, all das Neue ringsum zu erkunden, zu erkennen, zu erleben und - auch das - zu erlesen. Hans Fallada ist bis dahin sein Lieblingsautor, mit seiner Mischung aus genauer Beobachtung, sozialer Anteilnahme und klarer, stets im Dienst der Erzählung stehender Sprache. Aber dann - auch der Buchmarkt ist ja nun ein großer, gesamtdeutscher - geraten ihm die "Jahrestage" in die Hände, das Meisterwerk des Uwe Johnson. Auch er ist ein ostdeutsches Nordlicht.
Charly Hübners Liebeserklärung an Uwe Johnson
Einst las Uwe Johnson selbst die Jahrestage. Gut fünf Jahrzehnte später spricht der inzwischen als Schauspieler bekannt gewordene Charly Hübner diese Romanchronik als Hörbuch ein und liefert dazu noch eine Art Liebeserklärung an Uwe Johnson. Johnson ist für Hübner der Autor seines Lebens und einer der größten deutschsprachigen Erzähler des 20. Jahrhunderts.
Manche Eingeweihte werden Hübner hier zustimmen, andere werden Johnson eher eine Kategorie unter Thomas Mann, Robert Musil, Gottfried Keller und Franz Kafka einsortieren, vielleicht auch noch unter Günter Grass und Martin Walser. Das ist letztlich egal, denn solche Rankings haben immer etwas Verfehltes und Angestrengtes. Viel interessanter ist es, dem Schauspieler Hübner bei seinen Umkreisungen des Johnsonschen Erzählstils zu folgen. Es gehe eben nicht nur darum, cool eine Geschichte zu erzählen, sondern auch darum, wie man diese spezielle Geschichte erzählt und mittels Sprache, das, was die Helden der Geschichte erleben, spürbar macht.
Im Umweg liegt Johnsons Geheimnis
Uwe Johnson suchte in der Sprache nach einem Ausdruck, der Tatsache und Empfindung, persönliche Sorge und historischen Fakt verbindet. Er erfand Sätze, die sowohl die Vertracktheit der politischen Situation als auch die persönliche Empfindung der erlebenden oder berichtenden Person widerspiegeln, wie zum Beispiel die rasenden Gedanken des trainierenden Radrennfahrers Achim in dem 1964 erschienen Roman "Das dritte Buch über Achim".
Immer tiefer wird Johnson die verschiedenen Zeit- und Ereignisebenen verdichten, immer offener und freier wird er das Abgelauschte gegen das von ihm Erfundene, das Geschnatter neben das Chronologische stellen und es dann in den "Jahrestagen" zu seinem Großroman zusammenbinden.
Das gezierte Sprachbild ist ein Code für eine Wirklichkeit, für einen Gedanken, den Johnson nicht direkt erzählen will. Er nimmt einen Umweg. Im Umweg liegt Johnsons Geheimnis, als würde er sich auf vielen Wegen und mit allen möglichen, lyrischen, journalistischen, erzählerischen Mitteln diesem Geheimnis (einem Lebensgeheimnis?) nähern.
Lesehilfe fürs Entdecken und Bewundern
Charly Hübner verbindet seine eigene Biografie unaufdringlich mit dem Lektüreerlebnis. Er ruft spezielle Lebensstationen Johnsons auf und kehrt von da zurück zur großen Herausforderung der Hörbuchproduktion der "Jahrestage". Die "Jahrestage" hat Hübner mit Moderatorin Caren Miosga eingelesen. Warum die beiden genau so und nicht anders gelesen haben - auch das erschließt sich mit diesem Buch. So ist Charly Hübners Johnson-Würdigung eine feine, an jedem Punkt gut nachvollziehbare Lesehilfe fürs Entdecken oder Bewundern des Schriftstellers Uwe Johnson.
Wenn du wüsstest, was ich weiß...
- Seitenzahl:
- 125 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Suhrkamp
- Bestellnummer:
- 978-3-518-47433-4
- Preis:
- 20 €