Anne Applebaum im Porträt © Anne Applebaum/Börsenverein des Deutschen Buchhandels e.V./dpa

Anne Applebaum erhält Friedenspreis des Deutschen Buchhandels

Stand: 25.06.2024 15:15 Uhr

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels geht in diesem Jahr an Anne Applebaum. Die US-amerikanische Historikerin, Autorin und Journalistin analysiert in ihrer Arbeit autokratische Herrschaftssysteme.

In der Begründung der Jury heißt es über die Preisträgerin: "Die polnisch-amerikanische Historikerin und Publizistin hat mit ihren so tiefgründigen wie horizontweitenden Analysen der kommunistischen und postkommunistischen Systeme der Sowjetunion und Russlands die Mechanismen autoritärer Machtergreifung und -sicherung offengelegt und sie anhand der Dokumentation zahlreicher Aussagen von Zeitzeug*innen verstehbar und miterlebbar gemacht."

Applebaum warnte frühzeitig vor Putin

Applebaum wird als führende Expertin für osteuropäische Geschichte anerkannt und hat bereits frühzeitig vor Wladimir Putins potenziell gewaltvoller Expansionspolitik gewarnt. Ihre Bücher wie "Der Gulag (2003)", "Der Eiserne Vorhang" (2012), "Roter Hunger" (2019) und "Die Verlockung des Autoritären" (2021), in denen sie die Mechanismen autoritärer Machtsicherung untersucht, haben international große Beachtung gefunden und ihr zahlreiche Auszeichnungen eingebracht. Dazu zählen der Pulitzer-Preis im Jahr 2004 und zuletzt der Carl-von-Ossietzky-Preis im Jahr 2024.

Anne Applebaum wurde am 25. Juli 1964 in Washington als Kind jüdischer Eltern geboren. Sie studierte zunächst an der Yale University Russische Geschichte und Literatur, bevor sie in London und Oxford ihren Schwerpunkt auf Internationale Beziehungen setzte. 1988 begann sie ihre journalistische Karriere als Auslandskorrespondentin in Polen für die britische Zeitschrift "The Economist", für die sie vor Ort auch über den Fall der Berliner Mauer berichtete. Anschließend arbeitete sie für weitere britische Zeitungen wie den "Spectator", "Evening Standard", "Daily Telegraph" und "Sunday Telegraph". 2002 wurde sie für vier Jahre Mitglied im Herausgebergremium der "Washington Post", für die sie bis 2019 als Kolumnistin tätig war. Seitdem schreibt sie vornehmlich für die US-amerikanische Zeitschrift "The Atlantic".

Hinweis auf die globale Gefährdung der Demokratie

In der Auszeichnung für Anne Applebaum sieht der Literaturredakteur von NDR Kultur Alexander Solloch auch eine politische Botschaft: "Der Stiftungsrat will damit sicher die Aufmerksamkeit auf eine globale Gefährdung der Demokratie lenken, dass vom Autoritarismus, vom antidemokratischen Denken große Gefahr ausgeht."

Ehemann ist polnischer Außenminister Radoslaw Sikorski

Applebaum, die mit Unterbrechungen seit 30 Jahren in Polen lebt, besitzt seit 2013 neben der US-amerikanischen auch die polnische Staatsbürgerschaft. Seit 1992 ist sie mit dem polnischen Politiker Radoslaw Sikorski verheiratet. Er war von 2007 bis 2014 Außenminister und hat dieses Amt Amt 2023 wieder übernommen. Das Paar hat zwei Söhne.

Verleihung am 20. Oktober in Frankfurt

Der Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ist einer der renommiertesten Preise in Deutschland und mit 25.000 Euro dotiert. Traditionell wird er am letzten Tag der Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche vergeben, in diesem Jahr am 20. Oktober. Der Börsenverein des Deutschen Buchhandels, die Berufsorganisation der Verlage und Buchhandlungen, vergeben den Friedenspreis seit 1950. Gewürdigt werden sollen damit Persönlichkeiten, die in Literatur, Wissenschaft oder Kunst zur Verwirklichung des Friedensgedankens beigetragen haben.

Im vergangenen Jahr ist Salman Rushdie ausgezeichnet worden. Der Schriftsteller muss seit Jahrzehnten mit Todesdrohungen leben und hatte im Jahr davon nach einem Anschlag ein Auge verloren. 2022 wurde der Autor Serhij Zhadan aus der Ukraine ausgezeichnet - wenige Monate nach dem Beginn des Krieges in seiner Heimat.

Große Namen und Konflikte rund um Friedenspreis

Mit dem Preis hat der zuständige Stiftungsrat insgesamt mehr als 75 Schriftsteller, Philosophen, Wissenschaftler und Politiker ausgezeichnet, darunter Albert Schweitzer, Ernesto Cardenal und Vaclav Havel sowie Astrid Lindgren, Peter Esterhazy und Liao Yiwu. 1973 wurde mit dem Club of Rome zum einzigen Mal eine Organisation geehrt. Mit Alva und Gunnar Myrdal 1970 und Aleida und Jan Assmann 2018 erhielten zwei Mal auch Paare den Friedenspreis.

Umstritten war insbesondere die Dankesrede des Schriftstellers Martin Walser 1998, die vom damaligen Präsidenten des Zentralrats der Juden, Ignatz Bubis, als "geistige Brandstiftung" bezeichnet wurde. Darin hatte der Schriftsteller eine "Instrumentalisierung von Auschwitz" als "Moralkeule" kritisiert.

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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | Der Morgen | 25.06.2024 | 08:20 Uhr

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