"Wichtig beim Schenken ist, dass man sich Gedanken macht"
Überraschung, Erwartung, Glück, Enttäuschung, Kränkung: Mit einem Geschenk kann man so viel falsch, aber auch so viel richtig machen. Wie geht gutes, "richtiges" Schenken?
Die Journalistin Susanne Kippenberger ist in einer großen Familie aufgewachsen, in der man sich gerne und oft zu ganz unterschiedlichen Anlässen beschenkt hat. Über "Die Kunst der Großzügigkeit" hat sie ein Buch geschrieben.
Frau Kippenberger, worum geht es vor allem bei guten Geschenken?
Susanne Kippenberger: Ich glaube, es geht immer in irgendeiner Form um Liebe, um die Beziehung zwischen zwei Menschen, die man damit festigen kann. Man kann sie natürlich auch zerstören, wenn man das Falsche erwischt. Wichtig beim Schenken ist, dass man sich Gedanken macht, dass man nicht etwas völlig Beliebiges nimmt, sondern wirklich überlegt, worüber der- oder diejenige sich freuen könnte.
Fängt das mit der Liebe und der liebevollen Zuwendung schon mit der Verpackung an?
Kippenberger: Unbedingt! Ich bin ein großer Anhänger der Verpackung, weil es noch mal persönlicher dadurch wird, dass man es verpackt. Der größte Verpackungskünstler, Christo, hat mal gesagt: "Verhüllung ist Verheißung." Wenn man sich Mühe gibt, dann sieht es einfach schön aus. Ich würde es nicht im Laden einpacken lassen, wo der- oder diejenige sofort sieht, dass man das anderen überlassen hat. Da sollte man sich auch schon ein bisschen Mühe geben.
Und vielleicht auch eine kleine Karte dazu schreiben, oder?
Kippenberger: Unbedingt, ja. Übrigens ist ein Argument gegen die Verpackung immer die Umwelt. Aber das lasse ich nicht gelten, weil es sehr viele schöne Sachen gibt, die man recyceln kann: eine Zeitung oder Zeitschrift, Prospekte, Broschüren im Museum, Dinge aus der Natur oder ein Küchentuch.
Meine Oma hat Geschenkpapier immer wieder aufgebügelt und nochmal benutzt.
Kippenberger: Das hat meine Mutter auch gemacht. Sie hat auch Schleifen gebügelt. Besonders schönes Geschenkpapier, was ich bekommen habe, benutze ich auch wieder, wenn es noch einigermaßen intakt ist, weil es eigentlich zu schade ist, um es wegzuschmeißen.
Was sind denn die schönsten, die besten Geschenke, die wir jemandem machen können?
Kippenberger: Die besten sind die, die man sich nicht selber kaufen kann. Sei es, weil man das Geld nicht hat, weil man gar nicht weiß, dass es das gibt oder wo es das gibt. Deswegen empfehle ich immer, in den Ferien Ausschau nach Geschenken zu halten, weil man da Dinge entdeckt, die es bei uns nicht gibt. Die allerbesten Geschenke sind die, die man gar nicht kaufen kann, wenn jemand etwas selbst macht, wenn man eine Begabung dazu hat. Die Schwiegermutter meiner Schwester zum Beispiel ist jetzt schon eine ganze Weile tot, aber die konnte so toll stricken. Und jetzt, wo es so kalt ist, benutze ich immer ihre Socken, die sie mir geschenkt hat. Die sind super und auch eine schöne Erinnerung - und das ist auch ganz wichtig.
Was ist denn, wenn ich jemanden nach seinen Wünschen frage, und der- oder diejenige sagt: "Ich habe doch alles, ich habe gar keine Wünsche."
Kippenberger: Darüber darf man sich hinwegsetzen, weil es um die Beziehungen zwischen den Menschen geht. Ganz wichtig finde ich, dass man Zeit mit jemandem verbringt, sei es auf einer Reise oder beim Essen oder beim ins Kino gehen.
Der Bedarf nach Zeit könnte heute noch größer sein als vor Corona. Sind wir vielleicht in einer Zeit, in der immaterielle Geschenke wichtiger werden? Oder vielleicht auch Spenden in Kriegszeiten?
Kippenberger: Ich habe im Radio gehört, dass die Spendenbereitschaft bei den Deutschen in diesem Jahr gewachsen ist - das hängt sicherlich mit dem Krieg zusammen. Auch in der Corona-Zeit, vor allen Dingen im ersten Lockdown, hat die Freundlichkeit von Leuten zugenommen und die Bereitschaft, andere zu unterstützen. Oder einfach jemandem aus heiterem Himmel Geld zu geben, der es braucht. Ich glaube, dass Menschen sensibilisiert werden, worauf es ankommt. Im Moment ist es eigentlich noch schlimmer als zu Hochzeiten der Pandemie, weil viele selber existenzielle Sorgen haben. Die denken an die Leute im Krieg oder an die Geflüchteten, aber viele wissen nicht mehr, wie sie ihre Energiekosten bezahlen sollen. Deswegen ist es vielleicht ganz gut, dass diejenigen, die mehr haben, anderen unter die Arme greifen. Beim Schenken geht es ja immer darum, das zu teilen, was man hat. Es muss nicht viel sein - gerade aus Osteuropa kennt man diese vielen Geschichten, wo Leute ganz berührt erzählen, dass Menschen, die ganz wenig haben, ihnen eine Riesentafel bereiten und alles auf den Tisch stellen, was sie haben.
Sie haben über die Kunst der Großzügigkeit ein Buch geschrieben. Wie ist das mit Geschenken? Wie großzügig sollte man sein? Was ist das richtige Maß? Kann man Menschen mit zu großzügigen Geschenken auch überfordern?
Kippenberger: Ja. Das richtige Maß - nicht zu viel, nicht zu wenig - zu finden, ist schwierig, aber wichtig. Aber im Prinzip soolte man, was die Großzügigkeit angeht, aus dem Vollen schöpfen. Man sollte nicht aufs Geld achten und rechnen: Von dem habe ich etwas im dem Wert bekommen, also muss ich ihm jetzt auch in dem Wert etwas schenken. Das ist das Gegenteil von Großzügigkeit.
Sollten wir uns in diesen Tagen auch selber etwas schenken?
Kippenberger: Ja. Zum Schenken gehören ja eigentlich immer zwei. Aber diese zweite Person kann man selber sein. Ich habe auch das Gefühl, dass Leute, die geizig sind, oft auch sich selbst gegenüber geizig sind. Es geht ja immer darum, Freude zu machen, und man kann sich ja auch selber eine Freude machen. Das sind besondere Momente. Es geht nicht darum, sich dauernd irgendetwas zu kaufen. Sich selbst gegenüber gut zu sein, ist eine gute Investition.
Das Interview führte Julia Westlake.