Tage des Exils in Hamburg: "Toleranz durch Zuhören"
Seit 2016 finden die Tage des Exils regelmäßig in Hamburg statt. Mit dem publikumsorientierten Veranstaltungs- und Begegnungsprogramm sollen Menschen im Exil eine Plattform erhalten. Ein Gespräch mit Programmleiterin Sonja Wimschulte von der Körber Stiftung.
Seit dem 11. April bis zum 12. Mai finden die Tage des Exils mit zahlreichen Veranstaltungen in Hamburg statt. Was ist das Ziel des Festivals?
Sonja Wimschulte: Die Körber-Stiftung möchte mit den Tagen des Exils Menschen stärken, die sich im Exil befinden. Sie haben ihre Heimatländer verlassen, weil sie sich für Demokratie und Menschenrechte engagiert haben und dafür bedroht wurden. Wir setzen uns dafür ein, dass die Arbeit dieser Menschen sichtbar wird.
Wir wollen ihnen helfen, ihren Einsatz für Demokratie und Menschenrechte in ihrem Herkunftsland aus dem Exil heraus fortzusetzen. Dies sehen wir als einen Beitrag zur Stärkung der Demokratie.
Sie kündigen an, Brücken der Verständigung bauen zu wollen. Warum ist das Ihrer Meinung nach relevant für die Gesellschaft?
Wimschulte: Wer ins Exil geht, fühlt sich zunächst meist fremd aufgrund von Sprache, Kultur oder Werten. Es braucht daher Gelegenheit für einen Austausch, um unterschiedliche Lebenserfahrungen kennen zu lernen, für Meinungen Verständnis zu erzeugen oder um Missverständnisse zu klären. Die Gesellschaft ist vielfältig. Toleranz beginnt damit, anderen erst einmal zuzuhören. Aus diesem Grunde müssen Brücken der Verständigung gebaut werden.
Im Fokus stehen - wie der Name ja schon andeutet - Exilerfahrungen. Gibt es darüber hinaus Kriterien bei der Zusammenstellung des Programms?
Wimschulte: Das Programm weist ein möglichst ausgewogenes Verhältnis zwischen gegenwärtigen und historischen Exilerfahrungen auf, insbesondere denen aus der Zeit des Nationalsozialismus. Vor dem Hintergrund der deutschen Geschichte wollen wir auf die Verantwortung hinweisen, Menschen beizustehen, die verfolgt werden. Verfolgung, Flucht und Exil sind keine Phänomene der heutigen Zeit. Es finden sich leider allzu viele Beispiele in der Geschichte, insbesondere der deutschen Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus.
Wir wollen auch möglichst unterschiedliche Partner im Programm vereinen. Wir freuen uns sehr, dass auch in diesem Jahr zum Beispiel Museen, städtische und kirchliche Akteure, Stiftungen, aber auch Vereine, Kinos und Theater Veranstaltungen zum Programm beitragen. Auf diese Weise entsteht ein sehr facettenreiches Programm, das ganz unterschiedliche Interessen und Altersgruppen anspricht. Für alle ist etwas dabei.
Als Schirmherrin konnten Sie Swetlana Tichanowskaja gewinnen, welche Impulse konnte sie einbringen?
Wimschulte: Swetlana Tichanowskaja lenkt natürlich die Aufmerksamkeit in besonderer Weise auf die zahlreichen Menschen, die gegen den belarussischen Diktator Alexander Lukaschenko opponieren und vor dessen brutaler Verfolgung geflohen sind. Sie betont auch, dass Exil nichts Abstraktes ist. Hinter jeder Exilerfahrung steht ein Mensch, der schwierigen realen Unsicherheiten und emotionalen Herausforderungen gegenübersteht: Kann ein Visum verlängert werden? Finde ich Arbeit? Wie geht es Familienangehörigen, die in der Heimat zum Beispiel im Gefängnis sind?
Ein Augenmerk legt Swetlana Tichanowskaja auch darauf, dass Menschen im Exil nicht als Opfer gesehen werden sollten, sondern als Menschen mit Energie und der Leidenschaft, ihrem Land helfen zu wollen. In Freiheit im Exil zu sein eröffnet die Möglichkeit, sich für Menschenrechte und für diejenigen einzusetzen, die in Belarus inhaftiert sind. Wir fühlen uns sehr geehrt, dass Swetlana Tichanowskaja die diesjährige Schirmherrin ist.
Auf welche Veranstaltung freuen Sie sich persönlich am meisten?
Wimschulte: Vor allem freue ich mich auf diejenigen Veranstaltungen, die junges Publikum ansprechen. Unsere gemeinsame Veranstaltung mit der Hamburgischen Bürgerschaft und der Hamburger Stiftung für politisch Verfolgte am 17. April richtet sich zum Beispiel speziell an Schulklassen. Belarussische und russische Widerstandskämpfer berichten von ihrem Einsatz für Freiheit und Frieden. Sehr gespannt bin ich natürlich auch auf die Programmpunkte, die im Körber Forum und im KörberHaus stattfinden. Dabei geht es zum Beispiel darum, welche Kraft Musik entfalten kann, um politische Botschaften gegen Unterdrückung und Unfreiheit zu transportieren.
Das Interview führte Anina Pommerenke.