Die "Ballas" - eine Zimmermannsbrigade auf der DDR-Großbaustelle Schkona - gehen für ihren Chef durch dick und dünn, mitunter auch auf unerlaubten Pfaden. Gemeinsam stellen sie die sozialistische Planwirtschaft auf den Kopf. © NDR/MDR/BR

DEFA - Zwischen Propaganda und Verboten

Stand: 08.05.2021 21:00 Uhr

Mehr als 20 Filme wurden in der Geschichte der DEFA verboten. Mit dabei waren "Spur der Steine" mit Manfred Krug, "Das Kaninchen und ich" und "Sommerwege".

von Axel Seitz

Der DEFA-Film "Das Kaninchen bin ich" sollte eigentlich Mitte der 60er-Jahre in die Kinos kommen. Doch das berüchtigte ZK-Plenum (Zentralkomitee der SED) sorgte im Dezember 1965 dafür, dass dieser Film und fast eine gesamte Jahresproduktion verboten wurde. Elf Filme aus den Jahren 1965/66 waren betroffen. Die meisten der sogenannten Kaninchenfilme kamen erst nach Zusammenbruch des SED-Regimes in die Kinos. Neben den Verboten steht die DEFA (die ostdeutsche Produktionsgesellschaft) zugleich aber auch für zahlreiche Propagandafilme.

Ich bin der neue Parteisekretär.  - Und ich bin Pittiplatsch, der liebe.  - Tag, Jochmann. -  Genosse Jochmann. -  Jochmann, geh runter und hol die Eisenbieger vom Ofen weg, aber ein bisschen plötzlich, die sollen Draht vorbiegen. - Ich unter halte mich mit ihm.  - Und erkläre dem Herrn, dass hier gefälligst Partei gemacht wird, wenn ich vom Bau bin. Filmzitat aus "Spur der Steine"

 "Spur der Steine“ von Frank Beyererlebte im Juni 1966 zwar seine Premiere, doch gleich danach wurde der Film doch verboten. Manfred Krug als Brigadier Hannes Balla konnte somit erst nach 1989 jeder im Kino sehen.

Vier Jahre vor "Spur der Steine" drehte Manfred Krug den Film "Der Kinnhaken":

Sie sind also eine Betroffene, es hat Sie sozusagen erwischt, stimmt das? - Das stimmt.  - Wir wohnen beide im Ostsektor, essen beide hier unser Brot, Sie hats erwischt und mich nicht. Wie kommt das? -  Ich habe drüben gearbeitet, ganz einfach, habe Geld verdient. -  Und hier mal fünf ausgegeben, das ist natürlich bitter. -  Sagen Sie, stehen Sie hier, weil es besser für Sie ist oder weil Sie glauben, dass Sie hier richtig stehen. -  Weil ich weiß, dass ich hier richtig stehe. Filmzitat aus "Der Kinnhaken"

Als Mitglied der Betriebskampfgruppen verteidigt Manfred Krug in seiner Rolle den Mauerbau 1961. Zwei Filme, die innerhalb weniger Jahre bei der DEFA entstanden und zugleich verdeutlichen, wie eng von der SED gewünschte Propaganda und eine ehrliche Auseinandersetzung mit Problemen in der DDR, die oftmals zu Verboten führten, beieinanderlagen.

Mehr als 20 Filme wurden in der Geschichte der DEFA verboten

Mehr als 20 Filme wurden in der Geschichte der DEFA verboten, einige kamen Jahre später nach ihrer Entstehung doch noch in die Kinos, teilweise - wie bei "Der verlorene Engel" oder "Die Russen kommen" - in gekürzten Fassungen. Die meisten verbotenen Filme erfuhren erst nach 1989 ihre Aufführung.

Zudem gab es auch kritische Filme, die zwar nicht verboten, aber in ihrer Verbreitung behindert wurden, erzählt  Stefanie Eckert, die Leiterin der DEFA-Stiftung: "Der politische Einfluss, der variierte immer massiv und tatsächlich war es nicht so, dass jeder Film gleich verboten wurde. Man hatte auch ganz andere Möglichkeiten und Maßnahmen. Man konnte einen Film auch durchaus starten und dann aber nur in einigen ganz wenigen, ausgewählten Kinos oder Filmklubs. Und nach wenigen Wochen und mit der Herausgabe weniger Kopien, dann auch langsam wieder aus den Kinos herausnehmen. Das ist dann kein Verbot des Films gewesen, aber letztlich hat man dem Zuschauer nicht die Möglichkeit gegeben, ihn tatsächlich zu sehen. Also. auch solche Maßnahmen wurden durchaus genutzt, ohne dass gleich ein Verbot ausgesprochen wurde."

Dirk Kummer und Matthias Freihof im Film "Coming Out" - ein DEFA-Film © rbb/Progress Film-Verleih/Wolfgang Fritsche
Philipp (re. Matthias Freihof) wird aus seiner scheinbar sicheren Bahn geworfen, als ihm nach einer zufälligen Begegnung mit Matthias (li. Dirk Kummer) klar wird, was ihn mit aller Macht zu ihm zieht. Der Film "Coming Out" läuft am 13. mai ab 22 Uhr im RBB.

Zwar verschwanden Mitte der 60er-Jahre nach dem SED-ZK-Plenum die meisten Filme vor ihre Premiere im Archiv, doch auch später - bis zum Ende der DDR - waren Produktionen immer wieder von Restriktionen bedroht, weiß der Filmhistoriker Ralf Schenk: "Man hat in den 70er-Jahren, geraden in der Zeit nach dem Film 'Die Legende von Paul und Paula' sofort die Schotten wieder dicht gemacht bei der DEFA. Dann gings eine Zeitlang wieder ganz gut, dann kam so was wie 'Solo Sunny' oder 'Bürgschaft für ein Jahr' Anfang der 80er-Jahre, die auch ein Zeichen von kulturpolitischer Öffnung waren. Und auch das brach ab und danach war wieder alles vorbei, es dauerte wieder fast ein ganzes Jahrzehnt, als dann solche Filme wie 'Die Architekten' oder 'Coming Out' herauskamen, noch 1989, noch zu DDR-Zeiten. Es war ein Kampf, diesen ständigen Kampf, der von den frühen 50er-Jahren da war bei der DEFA, der zog sich bis zum November 1989 hin", so Schenk.

Am längsten im Archiv der verbotenen Filme lag "Sommerwege", in dem es um die Kollektivierung in der Landwirtschaft geht. 1960 abgedreht, wurde die Aufführung damals untersagt, 2014 konnte der Film mit Hilfe der DEFA-Stiftung dann doch präsentiert werden. Dabei, so Stefanie Eckert, hatte dieses Verbot einen eher ungewöhnlichen Grund: "'Bei 'Sommerwege' ist es eine besondere Geschichte, da liegt es weniger an ideologischen Bedenken. Sondern als der Film fertiggestellt war, war er einfach nicht mehr aktuell. Man wollte ihn nicht mehr so zeigen, weil dass, was in dem Film behandelt wird, nämlich die Kollektivierung der Landwirtschaft, war im Jahr der potentiellen Veröffentlichung schon vollzogen und man wollte das Publikum nicht noch einmal damit konfrontieren. Das war letztlich der Grund warum gesagt, nein, den müssen wir nicht zeigen."

Agitatorisch angelegt, hatte die veränderte politische Lage hier zum Verbot geführt. Und auf einen weiteren ähnlich gelagerten Film traf das zu: Konrad Wolfs „Leute mit Flügeln“ von 1960 - die Biografie eines tadellosen Kommunisten, dargestellt von Erwin Geschonneck, endet mit dem Flugzeugbau in der DDR. Doch da, statt in der DDR, im Rahmen des RGW Flugzeuge dann nur in der Sowjetunion produziert wurden, verschwand "Leute mit Flügeln" schnell aus den Kinos.

 

Weitere Informationen
Ein Platz in Schwerin, fotografiert von oben, ist bevölkert mit Komparsen für den Film "Aus meiner Kindheit". © DEFA-Stiftung / Heinz Wenzel Foto: Heinz Wenzel

Als Schwerin für einen Film über Ernst Thälmann zu Hamburg wurde

Der 1974 gedrehte DEFA-Film "Aus meiner Kindheit" erzählt die Jugend des KPD-Vorsitzenden. Hauptdarsteller und Regisseur blicken zurück. mehr

Eine Szene aus dem Film "Die Legende von Paul und Paula": Die beiden Hauptdarsteller sitzen auf einem Bett, das am Wasser steht. © Manfred Damm/Defa-Stiftung/dpa

"Die Legende von Paul und Paula": Domröse und Glatzeder erinnern sich

Die DEFA-Produktion wurde vor 50 Jahren das erste Mal gezeigt: Angelica Domröse und Winfried Glatzeder über den Dreh. mehr

Armin Mueller-Stahl fäßt sich an die Mütze © picture alliance/dpa | Patrick Pleul Foto: Patrick Pleul

Armin Mueller-Stahl - viele Talente eines Weltstars

Mit 60 begann er eine Hollywood-Karriere, mit 70 zeigte er sein Talent als Künstler, mit 80 ging er als Sänger auf Tour. mehr

Angelica Domröse © picture alliance / dpa | Jens Kalaene Foto: Jens Kalaene

Angelica Domröse: Schauspielerin zwischen Film und Theater

Berühmt wurde die Schauspielerin durch den noch heute beliebten DEFA-Spielfilm "Die Legende von Paul und Paula". mehr

Die Schauspielerin Jutta Hoffmann freut sich über den Deutschen Schauspielerpreis in der Kategorie "Schauspielerin in einer Hauptrolle". (Archivfoto vom 22. September 2017) © dpa-bildfunk Foto: Jörg Carstensen

Schauspielerin Jutta Hoffmann: Eine der Besten ihrer Generation

Ihre bislang letzte Rolle in einem Film wurde gleich mit zwei Preisen belohnt. Nun ist Jutta Hoffmann 80 Jahre alt geworden. mehr

Michael Gwisdek © picture alliance/Jörg Carstensen/dpa Foto: Jörg Carstensen

Michael Gwisdek: Ein Leben für das Schauspiel

Michael Gwisdek spielte unter anderem in "Good Bye, Lenin!", mehreren "Tatort"-Folgen und der NDR Koproduktion "Altersglühen" mit. mehr

Dieses Thema im Programm:

NDR 1 Welle Nord | Der Kunstkaten - Kultur aus MV | 16.05.2021 | 19:00 Uhr

Schlagwörter zu diesem Artikel

Zeitgeschichte

DDR

Spielfilm

Die "Ballas" - eine Zimmermannsbrigade auf der DDR-Großbaustelle Schkona - gehen für ihren Chef durch dick und dünn, mitunter auch auf unerlaubten Pfaden. Gemeinsam stellen sie die sozialistische Planwirtschaft auf den Kopf. © NDR/MDR/BR

Spur der Steine

Hannes Balla führt seine Brigade erfolgreich auf der DDR-Baustelle Schkona. Allerdings mit oft unsozialistischen Tricks. mehr

Die Schauspieler Horst Drinda (links) und Günter Naumann in einer Szene der DDR-Serie "Zur See". © Stiftung Deutsches Rundfunkarchiv Foto: Hans-Jürgen Hoeftmann

"Zur See": Ein DDR-Frachter wird zum "Traumschiff"

In den 70ern entstand auf einem DDR-Handelsschiff die Serie "Zur See" - noch vor dem West-"Traumschiff". Die ersten drei Folgen gibt's hier. mehr

Eine Grafik zeigt einen Lorbeerkranz auf einem Podest vor einem roten Hintergrund. © NDR

Legenden von nebenan: Wer hat Ihren Ort geprägt?

NDR Kultur erzählt die Geschichte von Menschen, die in ihrer Umgebung bleibende Spuren hinterlassen haben - und setzt ihnen ein virtuelles Denkmal. mehr

Zwei Gladiatoren in einer Arena im Lederoutfit kämpfen miteinander - Szene mit Paul Mescal (links) und Pedro Pascal aus "Gladiator II" von Ridley Scott © Paramount Pictures Germany

Filme 2024: Diese Highlights kommen im Herbst

Bis Weihnachten locken Blockbuster wie "Gladiator 2" und "Konklave" von Edward Berger ins Kino. Auch von Nora Fingscheidt und Andreas Dresen gibt es Neues. mehr

Der Arm einer Frau bedient einen Laptop, der auf einem Tisch in einem Garten steht, während die andere Hand einen Becher hält. © picture alliance / Westend61 | Svetlana Karner

Abonnieren Sie den NDR Kultur Newsletter

NDR Kultur informiert alle Kulturinteressierten mit einem E-Mail-Newsletter über herausragende Sendungen, Veranstaltungen und die Angebote der Kulturpartner. Melden Sie sich hier an! mehr

NDR Kultur App Bewerbung © NDR Kultur

Die NDR Kultur App - kostenlos im Store!

NDR Kultur können Sie jetzt immer bei sich haben - Livestream, exklusive Gewinnspiele und der direkte Draht ins Studio mit dem Messenger. mehr

Mehr Kultur

Charlie Hübner sitzt an einem Tisch. © Thomas Aurin

Charly Hübner als wandelbarer Antiheld in "Late Night Hamlet"

Munteres Late Night Geplauder trifft auf Shakespeare-Drama - so das Setting für den Solo-Abend im Schauspielhaus Hamburg. mehr