"Zur See": Ein DDR-Frachter wird zum "Traumschiff"
In den 1970er-Jahren entstand auf einem echten DDR-Handelsschiff mit Besatzung die Serie "Zur See". Sie wurde zum Straßenfeger und war Inspiration für "Das Traumschiff" im Westen. Die ersten drei Folgen sind hier verfügbar.
Drei Takte Titelmelodie und schon ist die Erinnerung bei den Zuschauern an einen der größten Erfolge des DDR-Fernsehens wieder wach. "Zur See" hieß die Kultserie, die in den 70er-Jahren teils wahre Geschichten von Seefahrern an Bord der "MS J. G. Fichte" erzählte, einem Fracht- und Ausbildungsschiff der Deutschen Seereederei (DSR).
Exotik im DDR-Alltag und bekannte Schauspieler
"Zur See" war ein Straßenfeger. Neun Folgen strahlte das 1. Programm des DDR Fernsehens ab Januar 1977 jeweils freitags zur besten Sendezeit aus. Da schalteten selbst diejenigen ein, die sonst lieber West-Fernsehen guckten. Das Geheimnis des Erfolges? Wohl auch die Sehnsucht nach fernen Ländern, denn die Serie brachte eine Spur Exotik in die Wohnzimmer der DDR und erzählte vom Alltag einer Besatzung zwischen See- und Landgang in der sozialistischen Handelsflotte - Abenteuer inklusive.
Anfang August 1974 ging das Who is Who der DDR-Schauspieler für eine Drehreise von Rostock nach Kuba und zurück an Bord des Frachtschiffs. Zwei Monate dauerte die Reise. An Bord waren neben den Filmleuten auch die eigentliche Besatzung, denn das Schiff hatte auch einen "normalen" Auftrag: Auf Kuba wurden 6.600 Tonnen Zucker geladen. 166 angehende Seeleute fuhren mit, die Fernseh-Crew bestand aus 23 Filmleuten, darunter neun Schauspieler. Günter Naumann, Jürgen Zartmann und Horst Drinda teilten sich eine Kabine. Drinda, der Star vom Deutschen Theater, spielte in der Serie den Kapitän und filmte selbst. So entstanden Bilder von den Dreharbeiten an Bord.
Realität an Bord findet Platz in der Serie
Die Filmleute nannten das in die Jahre gekommene Schiff liebevoll ihre "Johann Schrottlieb Fichte" und ließen sich von der Karibik-Sonne bräunen. Auch viele echte Seeleute waren in den Fernseh-Szenen zu sehen. Manche Geschichten, etwa die vom Maschinenschaden durch einen Kolbenfresser in Folge 1, beruhten auf wahren Begebenheiten. Insgesamt sammelte Drehbuchautorin Eva Stein mehr als 100 Seemannsgeschichten für ihre erste Fernsehserie.
"Zur See": Die ersten drei Folgen
Zuverlässige Matrosen für die DDR-Handelsflotte gesucht
Der Volkseigene Betrieb Deutsche Seereederei in Rostock erhoffte sich von der Zusammenarbeit mit dem DDR-Fernsehen Unterstützung bei der Rekrutierung von Nachwuchs. Man war auf der Suche nach angehenden Matrosen, denn Bewerber in ausreichender Zahl waren rar und mussten außerdem "politisch zuverlässig" für Reisen in die weite Welt sein. Da kam die DEFA mit ihren Plänen für die "Zur See"-Serie gerade recht.
Das Schiff befährt schon lange nicht mehr die Weltmeere. Ende der 70er-Jahre wurde die "MS J. G. Fichte" außer Dienst gestellt, verkauft und im Rostocker Überseehafen unter anderem Namen an eine Reederei aus Panama übergeben. 1981 trat sie ihre letzte Fahrt an - zur Verschrottung nach Pakistan.
Vorlage für Wolfgang Rademanns "Traumschiff"
Mit "Zur See" hat das Ausbildungsschiff der DDR Fernsehgeschichte geschrieben. Die Serie war das handfeste sozialistische Gegenstück zur amerikanischen seichten Seifenoper "Love Boat" und inspirierte den Westberliner Fernseh-Produzenten Wolfgang Rademann für einen weiteren Fernseh-Klassiker: 1981, vier Jahre nach der Erstausstrahlung der DDR-Seefahrer-Serie, ging "Das Traumschiff" im Westen erstmals auf Sendung.