Schwierige Lage bei Musikschullehrern: Musikrat fordert Honoraruntergrenzen

Stand: 17.10.2024 15:38 Uhr

Der Deutsche Musikrat hat eine Empfehlung für Honoraruntergrenzen im Bereich der musikalischen Bildung ausgesprochen. Viele freischaffende Lehrende seien von Altersarmut bedroht.

Der Deutsche Musikrat vertritt als Bürgerbewegung die Interessen von rund 15 Millionen muszierender Menschen in Deutschland. Weltweit ist er der größte nationale Dachverband der Musikkultur. Ein Gespräch mit Musikredakteur Peter Helling.

Was genau empfiehlt denn der Deutsche Musikrat?

Peter Helling: Er unterstreicht, dass das mittlere Einkommen von Musik-Lehrenden 2024 bei rund 14.650 Euro liegt, viele freischaffende Lehrende seien von Altersarmut bedroht. Insgesamt gibt es in Deutschland mehr als 25.700 Pädagog*innen und über 7.000 Lehrbeauftragte an Musikhochschulen. Die Empfehlung liegt jetzt bei 54 Euro als Honoraruntergrenze für 45 Minuten und 72 Euro für 60 Minuten. Diese Empfehlung soll jährlich aktualisiert werden.

Warum kommt diese Empfehlung gerade jetzt?

Helling: Das liegt ganz klar am sogenannten Herrenberg-Urteil von 2022 durch das Bundessozialgericht: Eine langjährige Mitarbeiterin der Musikschule Herrenberg in Baden-Württemberg hatte geklagt, dass ihre Arbeit nicht mehr den Merkmalen einer selbstständigen Tätigkeit entspricht, sondern der einer Festanstellung. Das Bundessozialgericht hat ihr Recht gegeben und sagte, dass sie jetzt fest angestellt werden müsse. Das ist ein Einzelfall-Urteil, aber das greift jetzt auf andere Situationen von Lehrkräften über.

Festanstellung - das hört sich erstmal super an, aber ich habe mit einer Leiterin einer privaten Musikakademie in Hamburg gesprochen, und seit gestern seien all ihre Lehrkräfte fest angestellt - mit dramatischen Folgen: Zehn Prozent der Lehrkräfte musste sie kündigen - sie wollten nicht in Feststellung, weil sie flexibel bleiben wollten. Viele Lehrkräfte sind auch Profimusiker und -musikerinnen, und wollen beides: lehren und auf die Bühne. Deshalb wollen etwa ein Drittel der Lehrkräfte die Musikschulen verlassen. Die Musikschulleiterin sagte, dass einige sogar ihre Schüler mitnehmen und sie in den eigenen Wohnzimmerwänden weiter unterrichten würden. Gleichzeitig müssten die Musikschulen die Mehrkosten für die Festanstellung an die Eltern der Jugendlichen weitegeben - die würden ihre Kinder eventuell abmelden. Es drohe ein leises Sterben der privaten Musikschulen. Auch die neuen Empfehlungen sieht sie, beim ersten Lesen, kritisch: Denn wer soll die Mindestlöhne bezahlen? Und das ist längst nicht alles.

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Welche anderen Probleme gibt es?

Helling: Privater Musikunterricht war bislang Umsatzsteuer-befreit, weil es als Bildungsmaßnahme gilt. Jetzt wird vom Gesetzgeber diskutiert, es als Vergnügung einzustufen - damit würde Musikunterricht umsatzsteuerpflichtig. Das hieße, Musikschulen müssten die 19 Prozent mehr an die Eltern der Schüler weitergeben. Private soloselbstständige Pädagogen gehen in Insolvenz, warnt der Komponist Ludger Vollmer, Präsident des Landesmusikrates Hamburg: Entweder die Pädagogen verlieren Schüler, oder sie müssen deutlich Geld an den Staat abführen. Insgesamt stehe der Musikunterricht vor einem Dilemma. Ludger Vollmer hat mir in einem Gespräch sehr emotional gesagt, wie wichtig gerade jetzt Musikunterricht sei: "Wenn Sie mich fragen, was in diesen Zeiten, die mit Hass und Krieg durchsetzt sind, für mich Musik bedeutet, dann würde ich sagen: alles!"

Jetzt regt sich aber Widerstand: In einer Petition wurden mehr als 100.000 Unterschriften für die Fortsetzung der Umsatzsteuerbefreiung gesammelt. Die Petition wurde im Bundestag eingereicht und erhält positive Resonanz. Der Witz an Musik für Jugendliche an privaten Musikschulen ist ja, ohne den Zwang der Schule Unterricht zu bekommen, es ist eine Möglichkeit der Selbstentfaltung. Ich weiß von einem Kontrabasslehrer, der von sich aus seiner Musikschule gekündigt hat, um weiter Konzerte machen zu können. Das sei ein Drama, weil er seine Schülerinnen und Schüler verliere. Er sagte, er könne in Festanstellung bleiben, aber im Krankheitsfall einer Kollegin müsste er einspringen, auch wenn er einen Konzerttermin hat.

Und wie geht es jetzt weiter?

Helling: Ob die Umsatzsteuerbefreiung bleibt, werden die nächsten Wochen zeigen - schlussendlich zeigt sich das auch im neuen Bundeshaushalt. Was das Herrenberg-Urteil angeht: Noch ist das Urteil, das ja ein Einzelfallurteil war, nicht allgemeingültiges Gesetz. Das sei ein kleiner Lichtblick, findet Ludger Vollmer. Allerdings stuft die Deutsche Rentenversicherung viele Honorarverträge auf Basis dieses Urteils möglicherweise als Solo-Scheinselbständigkeit ein. Im Oktober steht ein Moratorium an, und die Musiklehrkräfte müssen mit Prüfungen rechnen, ob sie rechtmäßig als Honorarkräfte arbeiten. Der Begriff der Scheinselbständigkeit steht also im Raum, und gerade im Musikbereich, wo musikalische Praxis und Lehre zusammenfließen sollten, ist das ein Urteil mit schlimmen Folgen.

Am Wochenende tagt der Deutsche Musikrat in Berlin, und wir werden an dem Thema dranbleiben. Es ist die Frage, ob eine Welle an Insolvenzen droht oder sogar ein Kahlschlag vor allem bei den privaten Musikschulen.

Das Gespräch führte Friederike Westerhaus.

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