Musikschulen in Not: Honorarkräfte bald arbeitslos?
Ein Urteil des Bundessozialgerichts hat Dozentinnen an Musikschulen als scheinselbständig eingestuft. Musikschulen müssten sie nun fest anstellen. Dafür fehlen allerdings den meisten Musikschulen die finanziellen Mittel.
Bundesweit fürchten Honorarkräfte an Musikschulen um ihre Weiterbeschäftigung. Hintergrund ist ein Urteil aus Süddeutschland, das als Präzendenzfall gilt. Demnach gelten Dozentinnen und Dozenten als Scheinselbständige. Für die Musikschulen hieße dies, sie müssten alle freien Kräfte anstellen. Diese halten das in der Praxis für kaum realisierbar.
Honorarkräfte an Musikschulen schlecht bezahlt
Seit fast fünf Jahren lernt Irmgard Duppel Violine. Von Beginn an ist die Zehnjährige bei Claus Beigang im Unterricht. Er arbeitet als Honorarkraft an zwei Musikschulen in Rostock. Leben kann er - wie viele Kollegen - davon nicht ohne Nebenjob. Seit über 30 Jahren würden Honorarkräfte an Musikschulen in Mecklenburg-Vorpommern schlecht bezahlt. "Urlaubs- und Feiertage werden gar nicht bezahlt, krank werden darf man auch nicht - das ist im Prinzip kein Zustand, das sind ja alles studierte Menschen", so Beigang.
Was als Scheinselbstständigkeit gilt
Zusätzlich ist nun sein Arbeitsplatz in Gefahr, denn seit dem Urteil des Bundessozialgerichts gilt er als scheinselbständig beschäftigt, was eine Form der Schwarzarbeit ist. Scheinselbständigkeit kann zutreffen, wenn eine abhängige Beschäftigung zum Arbeitgeber besteht, es eine als gering eingeschätzte unternehmerische Freiheit gibt und man beispielsweise weisungsgebunden arbeitet oder nur einen einzelnen Auftraggeber hat.
Musikschulen bangen um ihre Existenz
Franziska Pfaff ist Leiterin der Carl-Orff-Schule in Rostock. Sie müsste ihre 30 Honorarkräfte nach den Sommerferien fest anstellen, um diesen Verdacht zu entkräften. Woher das Geld dafür kommen soll, weiß sie momentan nicht. Sie hofft auf eine moderatere Regelung. "Ich fühle mich wie ein Spielball, der hin und her geworfen wird und nichts tun kann."
Landesverband der Musikschulen fordert Unterstützung
Auch Wolfgang Spitz, Vorsitzender des Landesverbandes der 15 Musikschulen in Mecklenburg-Vorpommern, fordert Hilfe für die Träger. Er berichtet von Schulleitungen, denen das sogenannte Herrenberg-Urteil nachts den Schlaf raubt. Laut Spitz haben einige Musikschulen in ihren Häusern bereits kommuniziert, dass freie Mitarbeiter vom kommenden Schuljahr an nicht weiterbeschäftigt werden können, solange nicht klar sei, was auf sie zukommt. Er fordert Unterstützung.
Land erhöht Förderung um 350.000 Euro
Das Land Mecklenburg-Vorpommern habe unterdessen die Förderung für die Musikschulen im Nordosten um 350.000 Euro erhöht. Dies entspricht nicht einmal zehn Vollzeitstellen für Musiklehrer. Stattdessen greifen Musikschulen auf Mini-Stellen zurück: Gesangslehrerin Jana Podschun ist seit vier Jahren an der Rostocker Musikschule und eine von vier Kollegen, die so "gerettet" werden konnten. Seit April hat sie einen festen Arbeitsvertrag mit elf Stunden pro Woche. Das entspricht einer 30-Prozent-Stelle.
"Am Ende sind Musikschüler die Leidtragenden"
Claus Beigang befürchtet, dass am Ende die Schülerinnen und Schüler die Leidtragenden sind. Diese könnten nichts dafür, dass "die Politik sich rauszieht", wenn es darum ginge, die Gelder zur Verfügung zu stellen. Irmgard Duppel weiß noch nicht, ob sie den Violinen-Unterricht bei ihrem Lehrer nach den Sommerferien fortsetzen kann.