"'Nie wieder' ist jetzt!": Autor*innen lesen Texte gegen Antisemitismus
Am Dienstagabend haben Hamburger Autorinnen und Schriftsteller im Lichthof der Staats- und Universitätsbibliothek Texte gegen Antisemitismus gelesen. NDR Kultur hat im Vorfeld mit der Autorin Katharina Hagena gesprochen.
Seit den Terrorattacken der Hamas auf Israel wächst der Antisemitismus. Bei der Solidaritätsveranstaltung "'Nie wieder' ist jetzt!" haben Bestsellerautor*innen wie Isabel Bogdan, Katrin Seddig und Simone Buchholz Texte jüdischer Autoren und Autorinnen vorgelesen. Organisiert wurde die Veranstaltung vom Schriftstellerverband PEN Berlin und dem jüdischen Salon im Grindel.
Frau Hagena, was sind das für Texte, die gelesen werden?
Katharina Hagena: Das sind Texte durch die deutsche Literaturgeschichte hindurch, von Heine bis Dana Vowinckel, eine junge jüdische Autorin. Es sind aber nicht nur jüdische Stimmen, es sind auch nichtjüdische Stimmen - denn, so wie Sartre sagt: "Der Antisemitismus ist kein jüdisches Problem, er ist unser Problem."
Was werden Sie selbst lesen?
Hagena: Ich habe mir Heine ausgesucht. Ich wollte diesen Hamburger Bezug haben, und ich liebe einfach Heinrich Heine. Ich wollte gerne auch eine Geschichte erzählen - das kann ich, glaube ich, besser oder das entspricht mir mehr als ein eher theoretischer Text. Ich wollte die Geschichte des "Rabbi von Bacherach" erzählen oder zumindest den Anfang davon.
Es ist eine Veranstaltung des PEN Berlin, die in ähnlicher Form schon in Berlin und in Frankfurt stattgefunden hat. Wie ist es jetzt zu dieser Lesung in Hamburg gekommen?
Hagena: Eigentlich war es auch vom PEN Berlin initiiert. Wir Hamburger Mitglieder des PEN Berlin haben gesagt: "Wir sind die zweitgrößte Stadt - es kann ja wohl nicht sein, dass wir so eine Veranstaltung nicht hinbekommen." Daraufhin haben wir angefangen, uns die Leute zusammenzusuchen. Was uns von den anderen beiden Lesungen unterschiedet, ist, dass wir den Anspruch oder den Wunsch hatten, mit dem Jüdischen Salon am Grindel zusammenzuarbeiten, nicht nur über das jüdische Leben oder das Jüdischsein zu sprechen, sondern auch mit jüdischen Menschen im Gespräch zu bleiben. Darüber sind wir besonders glücklich.
Der PEN Berlin stand vor Weihnachten ziemlich in der Kritik, es sind Mitglieder ausgetreten, weil sich der Schriftstellerverband nicht zu Israel geäußert hatte beziehungsweise sich erst sehr spät geäußert hat. War das jetzt auch ein Thema für Sie?
Hagena: Ja das war schon zunächst ein Thema. So, wie Sie es es dargestellt haben, ist es jetzt auch nicht, dass sich der PEN Berlin nicht geäußert hätte - das hat er natürlich schon getan. Aber in unserer Veranstaltung geht es auch nicht darum, den Nahost-Konflikt zu lösen. Wir werden auch nicht über Netanjahus Militärpolitik sprechen. Sondern uns geht es wirklich um den Antisemitismus in Deutschland, es geht uns darum, dass Gewalt gegen jüdische Menschen wieder zunimmt, dass ein gewisser Antisemitismus von links und von rechts salonfähig wird, dass es jetzt so einen neuen Anti--Anti-Antisemitismus gibt, dass also Leute gegen Antisemitismus-Gegner sind. Wir gucken mehr auf das, was in Deutschland los ist.
Wie schauen Sie persönlich auf die Hasstiraden und die täglichen Übergriffe auf jüdische Menschen, die ja stark zugenommen haben?
Hagena: Es ist schockierend. Wir gucken mit ohnmächtigem Entsetzen auf die Dinge, die da passieren. Umso wichtiger ist es für uns als Kulturschaffende, als Schreibende ein Zeichen zu setzen. Ich bin sehr stolz, dass es viel Zuspruch bekommt. Wir haben viele Anmeldungen, schon fast zu viele. Dass so viele Menschen Teil dieser Veranstaltung sein wollen, finden wir ein sehr gutes Zeichen.
Was können Texte an der Stelle tatsächlich bewirken?
Hagena: Ich glaube, Texte können immer ein Bewusstsein schaffen. Ich finde es interessant, dass zum Beispiel Jakob Wassermann sagt: "Wollte man eine Kulturgeschichte über den Antisemitismus schreiben, würde man immer auch eine Geschichte über Deutschland schreiben müssen." Das sind schon Sätze, die im Kopf haften bleiben, über die man nachdenken muss. Ich glaube schon, dass Literatur es vermag, noch mal einen anderen Blick zu werfen. Auch wenn wir vielleicht im Elfenbeinturm sitzen, kann man von da oben manchmal weiter gucken. Ich glaube, dass das auch die Aufgabe von Literatur ist, darüber zu sprechen und diese Sichtweisen zu formulieren.
Verbinden Sie auch eine bestimmte Hoffnung mit diesem Abend?
Hagena: Ich glaube, die Hoffnung hat sich dann schon erfüllt, wenn es voll wird, wenn die Menschen zuhören, wenn es ein Bewusstsein gibt für diese Probleme, wenn die Leute hinterher rausgehen und das Gefühl haben, dass sie mehr Frieden wollen und versuchen, auch selber aktiv zu werden, an diesem Frieden mitzuarbeiten, Antisemitismus zu sehen und zu bekämpfen und nicht einfach nur hinzunehmen. Viel mehr kann so eine Veranstaltung nicht machen. Wir sind nicht missionarisch tätig, und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass viele Leute dahin kommen, die nicht ohnehin schon unserer Meinung sind. Aber trotzdem ist es wichtig, so eine Gemeinschaft zu bilden und zu sehen, dass es viele Menschen gibt, die so denken wie wir. Und dann kann es auch ruhig noch mehr davon geben.
Das Interview führte Katja Weise.