König Charles in Deutschland: "Besuch zeigt, Europa ist wichtig"
Bei seinem Deutschland-Besuch wird König Charles morgen auch nach Hamburg kommen. Was bedeutet dieser royale Besuch für die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem britischen Königshaus?
Katja Lembke, Direktorin des Niedersächsischen Landesmuseums in Hannover, spricht im Interview über die Wichtigkeit des Staatsbesuchs und über die Verbindung zwischen Niedersachsen und dem britischen Königshaus.
Frau Lembke, wie haben Sie den gestrigen Besuch von Charles verfolgt?
Katja Lembke: Ich verfolge das schon seit einigen Wochen mit großer Spannung. Was wird der erste Ort sein, den er besucht? Leider hat es mit seinem Frankreich-Besuch nicht geklappt wegen des großen Streiks, aber zum Glück hat es jetzt mit Deutschland funktioniert, obwohl wir ja auch Streik hatten. Also, auch der König ist nicht gefeit vor solchen Experimenten.
Ist Ihnen persönlich der morgige Besuch in Hamburg morgen ein bisschen wichtiger als der in Berlin?
Lembke: Ich hoffe, dass ihm Hamburg wichtig ist. Immerhin hat er das als Ziel ausgesucht. Ich hätte mich auch sehr gefreut, wenn er nach Hannover gekommen wäre, denn da sind ja die Wurzeln seiner Familie.
Wie eng ist denn die Verbindung von Niedersachsen zum britischen Königshaus?
Lembke: Die Verbindung ist extrem eng. Eigentlich kann man sagen: Jeder, der heute den Königsthron besteigt, ist ein Hannoveraner. 1714 wurde mit Georg I. der erste Hannoveraner König gekrönt, weil er Protestant war, und die Linie der Stuarts wurde einfach übergangen. Diese Dynastie, diese Doppelmonarchie - er war sowohl Herrscher von Hannover als auch Herrscher in Großbritannien - hielt bis 1837. Dann kam Victoria - aber das passte den Welfen wiederum nicht, denn in der welfischen Thronfolge ist eine Frau ausgeschlossen. Das führte dazu, dass sie nur Königin von Großbritannien wurde und es stattdessen eine weitere Königsdynastie in Hannover gab.
Diese enge Verbindung ist den Royals heute noch durchaus bewusst und präsent, oder?
Lembke: Die ist bewusst, die ist auch nicht ganz unproblematisch. Victoria hat ja einen weiteren Deutschen geheiratet: mit Albert von Sachsen-Coburg und Gotha wiederum jemanden, der aus Deutschland kam und der nicht nur ein Gemahl war, sondern auch ein sehr enger Freund und Geliebter. Wir kennen heute die Royal Albert Hall und das Victoria and Albert Museum - insofern hat sie damals eine ganze Menge dafür getan, um auch ihren Mann zu protegieren. Aber er kam eben aus Deutschland, und das wurde im Ersten Weltkrieg zu einem Problem, als Großbritannien und Deutschland im Krieg miteinander waren. Also hat sich das Haus umbenannt: nicht mehr Sachsen-Coburg und Gotha, sondern seit 1917 Windsor.
Die Zeiten ändern sich: Wir haben den Brexit, den Charles auch vertreten muss; wir haben Diskussionen über Kolonialismus; der Commonwealth ist nicht mehr so fest zusammen, wie wir das kennen. Wie sehen Sie diese Schwierigkeiten?
Lembke: Charles hat jetzt eine große Bürde. Er hat nicht mehr diese lange Tradition, auf die seine Mutter fußen konnte, die so viele Jahre regiert hat, und er muss jetzt etwas Neues beginnen. Man sieht schon die ersten Brüche, etwa in Australien, wo das Bild von Prinz Charles nicht mehr auf die Münzen geprägt werden soll. Es gab auch im Vorfeld der Krönung eine lange Diskussion um die Krone, um den Koh-i-Noor-Diamanten, der sich normalerweise auf der Krone befindet. Da mussten schon Kompromisse gemacht werden, und es wird jetzt eine andere Krone für Camilla bereitgestellt, damit es nicht zu einem Fauxpas kommt. Denn dieser Koh-i-Noor stammt aus kolonialen Kontexten, aus Indien oder Pakistan, da sind sich nicht alle einig. Aber auf jeden Fall gibt es Rückgabeforderungen, und denen wollte man sich bei der Krönungszeremonie nicht stellen. Wir dürfen nicht vergessen, dass sowohl England als auch Schottland seit Neuestem von Menschen mit kolonialem Hintergrund regiert werden. Es sind beides indischstämmige Premierminister, und das ist auch eine besondere Herausforderung, die Charles jetzt hat.
Was was sind die wichtigen Punkte bei seinem Besuch? Umweltschutz wird eine wichtige Rolle spielen, Nachhaltigkeit, vielleicht auch Versöhnung im weitesten Sinne. Was wären gute Signale, die er hinterlassen könnte?
Lembke: Besonders wichtig ist uns der Brexit, der uns alle tief getroffen hat. Gerade wenn man, wie ich, viel mit Großbritannien zu tun hat, sich auch kulturell eng verbunden fühlt, war das schon ein herber Schlag und für mich auch vollkommen unerwartet. Großbritannien bindet sich durch einen solchen Besuch wieder an den Kontinent, und er zeigt, dass Europa wichtig ist. Wenn das sich fortsetzt und wir vielleicht in nicht allzu ferner Zukunft diesen Brexit wieder Vergangenheit werden lassen können, wäre das ein ganz wichtiges Zeichen.
Das Interview führte Philipp Schmid.