"Katapult Ukraine" - Gründer Benjamin Fredrich spricht über Vorwürfe
"Katapult"-Gründer Benjamin Fredrich spricht im Interview mit NDR MV über die gegen ihn erhobenen Vorwürfe, er habe ukrainische Journalisten ausgenutzt. Spenden für das Projekt seien von Anfang an nicht allein für die Förderung ukrainischer Journalisten gesammelt und ausgegeben worden.
Nach einem Bericht des Online-Magazins "Übermedien" war Fredrich vergangene Woche als Geschäftsführer und Chefredakteur des "Katapult"-Magazins zurückgetreten. Ein Vorwurf: Das Projekt "Katapult Ukraine", das durch Spenden und Gehaltsverzicht der Mitarbeitenden finanziert wird, habe anderes versprochen als eingehalten: nicht "jeden Cent an Journalisten und Medien in der Ukraine" gesendet. Am 25. Februar 2022 hatte Benjamin Fredrich dies in einem Spendenaufruf "für Journalist:innen in der Ukraine" des "Katapult"-Magazins angekündigt. "Warum? Im Krieg sind frei arbeitende Medien unfassbar wichtig", heißt es darin.
Unterstützung für Journalisten als erste Idee
Unter dem Eindruck des russischen Angriffs auf die Ukraine habe er mit seinen Mitarbeitenden überlegt, was man tun könne. Der Aufruf, Medienschaffende zu unterstützen, habe ganz am Anfang gestanden, sagt Benjamin Fredrich im Gespräch mit dem NDR in Mecklenburg-Vorpommern. "Dann kam also der erste Aufruf: wir wollen die Journalistinnen in der Ukraine unterstützen, die jetzt ihren Job verloren haben durch den Krieg. Das haben wir zum Teil auch gemacht. Ob wir es gut gemacht haben, kann man sich in dem Transparenzbericht angucken, ob man das irgendwie für glaubwürdig oder stark hält oder nicht." In einem Artikel, der Transparenz herstellen soll, hat Fredrich am Dienstag aufgeschlüsselt: Insgesamt seien durch Geld, -Gehalts und Buchpreis-Spenden 442.147 Euro eingegangen. Davon seien 231.898 Euro für Pauschalisten, freie Journalisten und das Redaktionsbüro in Odessa in der Ukraine geflossen. 54.500 Euro in den Umbau eines Teils des "Katapult"-Gebäudes zu einem Geflüchteten-Heim, 10.000 Euro sei als Soforthilfe für die Versorgung von Erstankömmlingen an die Stadt Greifswald gegangen und 100.000 Euro seien für insgesamt drei Reisen in die Ukraine und dorthin gelieferte Ausrüstung und Hilfsgüter ausgegeben worden. In den Tagen nach dem ersten Spendenaufruf seien immer neue Ideen entstanden, auch die, Geflüchtete in Greifswald unterzubringen.
"Wir haben das, was wir gemacht haben, angekündigt"
Über alle Projekte und Entwicklungen seien Abonnenten auch regelmäßig in Newslettern informiert worden. Am 29. März 2022 erschien ein Transparenz-Artikel bei "Katapult". Darin heißt es "unsere Redaktion steht", insgesamt würden 21 Journalisten für "Katapult" arbeiten. Unter Ausgaben für die "Infrastruktur der ukr. Redaktion" sind zu diesem Zeitpunkt 25.000 Euro ausgewiesen, auch eine Spende an "Reporter ohne Grenzen Ukraine" in Höhe von 10.000 Euro. Ebenso wie Ausrüstung für ukrainische Reporter in Höhe von 70.000 Euro.
Im April 2022 reiste Benjamin Fredrich selbst in die Ukraine. "Dass ich auch teilweise Sachen an eine Kirche zum Beispiel in der Ukraine übergeben habe, hat einfach auch damit zu tun, dass ich dann vor Ort war, in einem Kriegsgebiet war, und dort sehr genau überlegt habe: Wem gebe ich hier die Sachen? Und wo habe ich das Gefühl, dass sie dort auch gebraucht werden", sagt er im Gespräch.
Journalistischer Leitfaden
"Ich glaube, ich habe das zu hektisch und zu schnell gemacht, sodass ein Team zusammengestellt wurde, bei dem nicht ausreichend geprüft wurde, ob die Standards für uns ausreichend sind", sagt Fredrich. Darum sei bereits Anfang März ein journalistischer Leitfaden in drei Sprachen erstellt worden, der dem NDR vorliegt. "Wir stellen die Sachen so dar, wie sie sind. Eine Übertreibung würde der Aufklärung schaden". Und: "Wir sind hypertransparent. Wir veröffentlichen alle internen Verträge und Abhängigkeiten."
Ukrainischer Journalist wiederholt Vorwürfe
Der von "Übermedien" zitierte ukrainische Journalist Sergey Panashchuk, der 2022 damit begonnen hatte das Redaktionsbüro von "Katapult" in Odessa aufzubauen, sagt auf Anfrage des NDR, seit dem Herbst 2022 "fühlten wir uns allein gelassen. Ich selbst fühlte mich, als würde ich wie ein Idiot behandelt." Und: "Wir begriffen, dass etwas nicht stimmt - weil sie unsere Artikel nicht veröffentlichten und der verantwortliche Redakteur, der auch die Website verantwortete, ständig weg war und nicht auf unsere Nachrichten antwortete: für drei, vier oder fünf Tage. Das war sehr verstörend, denn wir hatten den Eindruck, dass sie nicht wirklich an diesem Projekt interessiert waren." Benjamin Fredrich habe die Zusammenarbeit beendet und ihm Korruption vorgeworfen. "Statt Unterstützung bekamen wir Misstrauen und wurden von Herrn Fredrich entlassen."
Benjamin Fredrich hingegen sagt: "Das Problem war eben irgendwann, dass dieses Büro in Odessa meiner Ansicht nach eingeschlafen ist." Und: "Ich möchte unbedingt vermeiden, schlecht über unsere ehemaligen Mitarbeitenden zu reden. Am Ende hat nicht alles geklappt. Ich hätte das früher erkennen müssen."
Wie weiter?
Unterschiedlich die Aussagen zu angeblich gestiegen Bürokosten oder nicht bezahlter Rechnungen. Es ist kompliziert. Trotz einiger Chatverläufe und Korrespondenzen, die dem NDR vorliegen, lassen sich gegenseitige Vorwürfe nicht abschließend bewerten. Nach wie vor seien auch in Odessa Journalisten für "Katapult Ukraine" tätig, sagt Fredrich. Warum er als Chefredakteur und Geschäftsführer des "Katapult"-Magazins und "Katapult MV" zurückgetreten ist. Weil er zugeben müsse, dass ein Teil der Kritik korrekt sei. Er habe sich eingestehen müssen, dass das Ukraine-Engagement mehr Zeit als vorherige von ihm brauche. "Ich bin kein Freund von Leuten, die irgendwie an ihrem Sessel kleben", antwortet er, "und nicht merken, dass sie da falsch an der Stelle sind oder sie ihre Kräfte besser einsetzen müssen." Er lebe für seine Projekte und habe nun die Freiheit, "die Leute, mit denen wir zusammenarbeiten, in der Ukraine kennenzulernen, dort länger zu sein." Viel überregionale Aufmerksamkeit hat "Katapult" aus Greifswald erhalten. Nun wird sein Gründer Fredrich sich ausschließlich um das Ukraine-Engagement kümmern.