Kampf gegen Wohnungsnot: Ist serielles Bauen die Lösung?
In Deutschland herrscht Wohnungsnot - und das nicht nur in den Ballungsgebieten. Jetzt soll es das serielle Bauen richten: Bauen mit vorgefertigten Modulen. Das geht schneller, aber ist das wirklich die Lösung? Wie vermeidet man es, die Fehler des Plattenbaus zu wiederholen?
Sie sehen aus wie riesige Waschmaschinen - und das sind sie auch: Fertigbäder für Menschen. Komplett vorgefertigt mit Anschlüssen außen wie innen. Das hat viele Vorzüge, sagt Jonathan Schliehe: "Wir haben die haustechnischen Anlagen schon drin. Wir haben alles fertig gefliest: zum einen Qualitätsvorteile, Preisvorteile und natürlich die Geschwindigkeit. Alles, was am Werk gefertigt wird, muss vor Ort nicht mehr einzeln hergestellt werden - Fachkräftemangel."
Serielles Bauen: Bezahlbarer Wohnraum für alle
Serielles Bauen: Wände und Elemente, die wie Lego zusammengesteckt werden, günstig in der Fabrik vorproduziert. Zum Teil entstehen so komplette Wohneinheiten. Das Fließband soll ein Wahlversprechen richten: bezahlbarer Wohnraum für alle.
Bundesbauministerin Klara Geywitz spricht sich für serielles Bauen aus und möchte, "dass wir natürlich auch produktiver werden am Bau, das heißt, wir müssen dringend serielles Bauen auch in Deutschland stärker als bisher betreiben. Das kann sehr schön aussehen, auch sehr individuell aussehen."
Schnellere Bauzeit und individuelle Zuschnitte
Im niedersächsischen Winsen entstehen so 29 geförderte Wohnungen aus Fertigteilen. Anschlüsse und Verbindungen sind vorproduziert, weniger Personal und Material sind nötig: Das spart Kosten. Da diese Teile frei kombinierbar sind, sind individuelle Zuschnitte möglich - bei stark verkürzter Bauzeit: etwa zehn statt 14 bis 16 Monate.
Neu ist die Idee nicht - und hat deshalb für viele einen faden Beigeschmack. Vor 50 Jahren wurde viel falsch gemacht: "Katalogartig werden die Häuser angeboten, wenig variabel, dafür aber schlüsselfertig", heißt es in einem Fernsehbeitrag aus den 70er-Jahren. "Uniforme Häuser, die sich zu uniformen Siedlungen reihen. Beton neben Beton."
Gigantische Monotonie?
Durchgesetzt hatte sich der Modulbau nicht - aber die schnelle und günstige Bauweise mit vorgefertigten Platten. Droht wieder so eine gigantische Monotonie?
"Wenn man das zu schlicht denkt, besteht natürlich eine Gefahr, wenn es nur um Masse geht und nur um Zahlen", sagt Franz-Josef Höing, Oberbaudirektor in Hamburg. "Genau das darf uns eben nicht passieren. Natürlich muss man sich jetzt bei diesem seriellen Bauen diese Fragen stellen. Ich glaube, es gibt Antworten. Das ist jetzt fast eine Plattitüde: Man kann alles gut machen und kann natürlich auch an vielen Stellen was sehr schlecht machen. Es sollte uns ein mahnendes Beispiel sein."
Wohnraumbedarf passt nicht zu standardisiertem Bauen
Hier soll es besser gemacht werden: 400 geförderte Wohnungen einer Hamburger Baugenossenschaft - herkömmlich errichtet, aber mit gleichen Grundrissen und technischen Standards. Das spart 10% Kosten durch weniger Planung. Aber: Es ist für große Flächen gedacht, die es immer seltener gibt.
"Wohnungsbedarf ist vor allen Dingen in den Städten und es ist klar, dass Städte wie Hamburg eher in der Stadt nachverdichten wollen", erklärt Architekturkritiker Claas Gefroi. "Das heißt: Wir haben hier nur noch wenige Flächen - das sind meistens schwierige Flächen. Es ist sehr eng. Darauf kann standardisiertes Bauen in der Regel gar nicht reagieren. Das heißt: Es passt nicht zu dem Wohnraumbedarf, den wir eigentlich haben."
Einsparungen kompensieren steigende Kosten nicht
Die Kritiker des seriellen Bauens sagen, die Einsparungen kompensieren nicht die steigenden Kosten durch Material und immer mehr Vorschriften. Vereinheitlichung gefährde die Baukultur und helfe nicht gegen ein grundsätzliches Problem.
"Da sind noch ganz andere Faktoren im Spiel, wo die Politik nur ungern ran will. Zum Beispiel könnte es einen Deckel geben für Grundstückspreise, weil das ein ganz wichtiger Faktor ist", meint Claas Gefroi. "Darüber möchten natürlich Landesregierungen nur ungern reden - und die Bundesregierung auch nicht."
Jedes Bundesland hat eigene Vorschriften
Und dann sind da noch die hausgemachten Probleme der Politik - auch für serielles Bauen. Jedes Bundesland hat eigene Vorschriften. Damit man passgenau sozial bauen kann, muss jedes Mal neu geplant werden - auch in Norddeutschland.
"Unsere Planer-Architekten beschäftigen sich mit vier Landesbauordnungen und vier Förderrichtlinien", sagt Jonathan Schliehe. "Andere Wohnungsgrößen, Raumgrößen, rollstuhlgerecht ja oder nein, Barrierefreiheit, Geländerhöhen - da gibt es unzählige Beispiele."
Wohnwert nicht aus den Augen verlieren
Das Bauen bleibt eine Baustelle. Die Politik versagte in den letzten Jahren, schaffte zu wenig bezahlbare Wohnungen. Es bräuchte jetzt genaue Stellschrauben, die effizientes Bauen erlauben, aber dafür sorgen, dass das schöne Wohnen nicht auf der Strecke bleibt.
"Kommunen müssen noch mal über ihre Regelungsdichte nachdenken und darüber, welche Standards man eigentlich anlegt", findet Franz-Josef Höing. "Ich glaube, es geht nicht darum - auch bei allem Verständnis für Kosten, für Einsparungen -, immer nur wegzunehmen und ein Haus am Ende so auszumergeln, dass es vielleicht keinen ausreichenden Wohnwert mehr hat."