Hörbuchsprecher Torben Kessler: "Roman 'Amrum' hat mich stark berührt'"
Für die NDR Kultur Reihe Am Morgen vorgelesen hat der Schauspieler Torben Kessler den Debütroman des Regisseurs, Schauspielers und Produzenten Hark Bohm eingesprochen, der am 18. Mai seinen 85. Geburtstag feiert. Im Interview spricht Kessler über "Amrum".
Herr Kessler, was waren Ihre Gedanken, Ihre Gefühle, als Sie diese Geschichte zum ersten Mal gelesen haben?
Torben Kessler: Ich bin eingetaucht in diese Inselwelt und bin sehr empathisch mit der Hauptfigur, einem zehnjährigen Jungen, mitgegangen in eine eigentlich entfernte Zeit des Zweiten Weltkriegs - aber das kam mir sehr nah, hat mich stark berührt und mich zum Lachen gebracht, zum Weinen und gleichzeitig beides. Ich war sehr fasziniert und beglückt, das zu lesen.
Die Hauptfigur Nanning muss sich um seine schwangere Mutter und seine Geschwister kümmern. Das ist nicht ganz leicht, einem Zehnjährigen oder anderen Figuren eine Stimme zu geben, oder?
Kessler: Ja, klar. Die Stimme hat ja erst mal Hark Bohm ihm gegeben, und man vermutet sehr stark oder weiß es auch ein bisschen, dass es seine eigene Stimme ist, die jetzt noch mal aus einem älteren Körper heraus gefiltert zu uns spricht. Insofern hat man schon einen Erzähler, der Nanning begleitet, aber auch die einzelnen Figuren. Es sind ganz starke Figuren, wo man auch merkt, dass Hark Bohm auch ein toller Drehbuchautor und Filmemacher ist. Da konnte man so ein bisschen unterscheiden zwischen einem Erzähler, der durch die Geschichte führt und sehr beobachtend ist, und diesen Figuren, die sehr saftig, kräftig und in den Dialogen stark sind. Wenn man sich auf den Text einlässt, wenn der gut geschrieben ist, dann hat man es als Hörbuchsprecher auch nicht mehr ganz so schwer.
Also muss man die Figuren vor Augen haben und denen eine Gestalt geben, die sich dann auch durchs ganze Buch hält, richtig?
Kessler: Genau. Mein Versuch bei Hörbüchern ist, weniger irgendwelchen Figuren Stimmen zu geben, die ich verstelle, sondern den Charakteren nahe zu kommen, indem man ihnen gewisse Haltungen gibt. Und die versucht man schon durchzuhalten, das stimmt. In dem Fall war es ein bisschen schwieriger, weil auch ein bisschen ein norddeutscher Akzent mit eingeschrieben war. Ich habe mütterlicherseits eine Prägung: Meine Großmutter kommt aus der Nähe von Husum und die habe ich immer am Telefon gehört, wie sie Plattdeutsch redete. Von daher war ich ein bisschen vorbereitet. Aber ehrlich gesagt muss ich mich im Vorhinein entschuldigen bei manchen, die sich auf den Schlips getreten fühlen, wenn jemand, der es nicht wirklich kann, versucht, das zu tun. Ich habe aber das Okay von der Regisseurin Anna Hartwich bekommen und es dient auch mehr dazu, diesem Charakter näher zu kommen, weil so eine schnoddrige Aussprache manchmal auch etwas macht. Und genau das gehört irgendwie auch dazu, dieser gewisse Slang der Insel.
Amrum ist Ihnen auch nicht so vertraut, dass Sie sagen könnten: Da kenne ich mich bestens aus.
Kessler: Nein, überhaupt nicht, ich war noch nie da. Als ich die Anfrage bekam, war das eine Gelegenheit, da mal hinzufahren - und dann hat mich das Theater so okkupiert, bevor die Aufnahmen anfingen, dass ich es nur bis Cuxhaven geschafft habe. Aber ich habe mir schon ein paar Dokus im Internet angeschaut und mich so ein bisschen angenähert. Hark Bohm beschreibt die Insel auch wunderschön. Vor allen Dingen die Natur dieser Insel hat mich sehr beeindruckt - den Besuch muss ich jetzt nachholen.
Es ist der Debütroman von Hark Bohm. Wie besonders ist es für Sie, ihn einzulesen?
Kessler: Ich hatte erstmal eine Hochachtung und dachte: Oh Gott, der große Hark Bohm, wie kann ich da mithalten, wie kann ich dazu was beisteuern? Ich war dann ganz beglückt, dass es ganz einfach war - wie letztlich seine Filme auch sehr zugänglich sind und einen sehr direkten und klaren Blick auf Menschen haben. Und auch immer in dieser Widersprüchlichkeit bleiben. Das finde ich so toll an diesem Roman, dass man Gut und Böse irgendwo klar unterscheidet, aber es fällt oft in einzelnen Personen zusammen: Gut und Böse ist dann schwer zu trennen und beide Seiten gehören zu jedem Menschen. Das hat er auf so eine einfache Art geschrieben, die Sätze sind einfach, sodass es mir dann doch recht leicht fiel. Ich bin recht gut durch den Text geflogen, es werden oft viele Vögel beschrieben, es gibt einen richtigen Flug über Amrum. Und ein bisschen ging es mir beim Text so, dass man durch den Text gut fliegen konnte.
Das Interview führte Philipp Schmid.