Hark Bohm: Der norddeutsche Vater des Autorenfilms
Sein Vater drängte ihn zum Jurastudium, doch Hark Bohm wollte lieber Geschichten erzählen - und wurde einer der bekanntesten Filmemacher Deutschlands. Der Drehbuchautor, Regisseur, Schauspieler und Produzent lebt in Hamburg. Nun hat er seinen 85. Geburtstag gefeiert.
Geboren 1939 in Hamburg-Groß Flottbek, verbringt Hark Bohm seine Kindheit bei seinem Großeltern auf der Nordseeinsel Amrum. Er soll dort dem Krieg entgehen. Die Insel, die Natur, das Dörfliche und der weite Horizont prägen ihn tiefgreifend: "Da hatte man nicht mal ein Radio. Man hatte das, was die Omas erzählten", so Hark Bohm.
Nach Abitur und Studium in Hamburg geht er für sein Referendariat Ende der 1960er-Jahre nach München. Dort bekommt er über seinen Bruder, den 2006 verstorbenen Schauspieler und Drehbuchautor Marquard Bohm, Kontakt zu jungen Filmschaffenden. "Es gab Kneipen, in denen man zusammen hockte. Und so fing man an, herumzuspinnen", erinnert sich Bohm.
Keimzelle des Neuen Deutschen Films
Er lernt die jungen Filmemacher Rainer Werner Fassbinder, Werner Herzog und Volker Schlöndorff kennen und spielte in ihren Filmen Nebenrollen, so etwa in den Fassbinder-Filmen "Der Ehe der Maria Braun" (1978) und "Berlin Alexanderplatz" (1980).
Doch auch die Arbeit hinter der Kamera fasziniert ihn. Mit Wim Wenders, Hans W. Geissendörfer und anderen Autorenfilmern gründet Bohm 1971 den Filmverlag der Autoren. Der Filmverleih versteht sich als Gegenmodell zur auf seichte Unterhaltung ausgelegten deutschen Filmindustrie. Der Filmverlag entwickelt sich zur Keimzelle des Neuen Deutschen Films, der für seinen politischen Anspruch bekannt wird - und dafür, dass die Regisseure ihre Drehbücher weitgehend selbst schreiben.
Erste Spielfilme handeln von Jugendthemen
1972 dreht Bohm mit "Tschetan, der Indianerjunge" seinen ersten großen Spielfilm: Das Regiedebüt wird mehrfach ausgezeichnet. Sein Kameramann ist Michael Ballhaus - für den jungen Regisseur ein Glücksfall, Ballhaus habe ihm das Filmen beigebracht, so Bohm. "Der erklärte mir erst, wie man ein Bild auflöst." 1975 und 1977 folgen mit "Nordsee ist Mordsee" und "Moritz, lieber Moritz" sozialkritische Jugendfilme. Bis heute genießt "Nordsee ist Mordsee", die Geschichte zweier jugendlicher Ausreißer, zu der Udo Lindenberg die Filmmusik verfasste, Kultstatus.
Hark Bohm als Lehrer und Drehbuchautor
1979 initiiert Bohm zusammen mit den Regisseuren Herzog, Schlöndorff und Wenders das Filmfest Hamburg. 1992 gründet er den Studiengang Film der Universität Hamburg, der 2004 in die Hamburg Media School integriert wird und hat dort auch einen Lehrstuhl inne. Ab 1992 hat er dort auch eine Professur. Viele seiner Studentinnen und Studenten werden später selbst bekannt.
2016 schreibt Bohm gemeinsam mit dem Hamburger Regisseur Fatih Akin und Lars Hubrich das Drehbuch zur Verfilmung des Romans "Tschick" von Wolfgang Herrndorf. Gemeinsam mit Akin entsteht auch das Drehbuch zu "Aus dem Nichts" (2017), für das Akin und Bohm 2018 mit dem Deutschen Filmpreis ausgezeichnet werden. Aktuell entsteht auf Amrum, in Dänemark und in Hamburg die neue Zusammenarbeit Akins und Bohms: "Amrum". Der Spielfilm basiert auf den Kindheitserinnerungen Bohms auf der Nordseeinsel.
Hark Bohm privat: Hobby-Ornithologe und Segler
Mit seiner Frau, der aus der Mongolei stammenden Filmproduzentin Natalia Bowakow, zieht Bohm sechs Adoptiv- und Pflegekinder auf, darunter Uwe Bohm, der bereits eine Hauptrolle in "Nordsee ist Mordsee" spielte und später als Schauspieler bekannt wird und 2022 unerwartet im Alter von 60 Jahren stirbt. Neben der großen Leidenschaft für den Film und für seine Familie hat Bohm vor allem zwei weitere Interessen: das Beobachten von Vögeln und das Segeln.