Fatih Akin © picture alliance/dpa | Daniel Reinhardt Foto: Daniel Reinhardt

Fatih Akin: Der Regisseur des Rauen ist 50

Stand: 26.08.2023 08:18 Uhr

Fatih Akin ist Regisseur, Produzent und Drehbuchautor. International gefeiert kam zuletzt die Gangsterbiografie "Rheingold" in die Kinos. Jetzt ist der Hamburger 50 Jahre alt. Eine Annäherung.

von Patricia Batlle, Danny Marques Marcalo

Zum 50. Geburtstag hat ihn das NDR Fernsehen bereits am Mittwoch geehrt und die NDR Koproduktion von 2009 "Soul Kitchen" gezeigt. Die Komödie mit Adam Bousdoukos, Jan Fedder und Birol Ünel steht bis Ende November 2023 in der ARD Mediathek.

Fatih Akins Helden sind oft auf der Suche nach sich selbst. Akins Filme zeigen meist ein Milieu, das nahe "an der Straße" liegt. Street credibility heißt das im Fachjargon. Bereits in seinem ersten, von der Kritik gefeierten Langspielfilm "Kurz und Schmerzlos" zeichnete Akin 1998 eine Kleinkriminellenstudie voller Schmerz und Härte, deutlich vom Gangsterkino seines Vorbilds Martin Scorsese beeinflusst. "‘Kurz und schmerzlos' war der Anfang von allem", sagt der Regisseur. "Eine Tür in die Filmwelt, in die ich immer hinein wollte. Ich weiß heute noch von fast jedem Drehtag Bescheid, was da so los war."

Der Hamburger Filmemacher Fatih Akin mit Brille und Norwegerpulli © picture alliance / Presse- und Wirtschaftsdienst | Bernd Kammerer Foto: Bernd Kammerer
AUDIO: "Gegen die Wand"-Regisseur Fatih Akin wird 50 (4 Min)

Fatih Akin stammt aus Hamburg Altona

Dabei entstammt der am 25. August 1973 in Hamburg-Altona geborene Sohn eines Arbeiters und einer Grundschullehrerin einem fast schon bürgerlichen Milieu, geprägt von der ersten Generation türkischer Einwanderer im Viertel. Seine Eltern haben mit Film und Kino nichts am Hut. Einmal passen Bekannte auf ihn auf. Sie haben eine Videothek. Sein Bruder darf Filme aussuchen - da ist Akin acht Jahre alt.

"Ich wollte so Kinderfilme gucken, aber mein Bruder, der hat die ganzen Horrorstreifen ausgesucht", erinnert sich Akin. "So Zombies im Kaufhaus und sowas. Guck das mal mit Acht. Ich konnte dann wochenlang nicht schlafen. Aber ich hab gelesen, es gibt da immer so Namen am Ende des Films. Ich wusste ja nicht, was das heißt, aber ich wusste, dass diese Leute das scheinbar gemacht haben, dass das nicht echt ist."

Nach den Abgründen seiner Filmfiguren befragt, antwortete Akin in einem Interview: "Ich bin mit solchen Leuten aufgewachsen. Ich kenne sie. Mein Freundeskreis besteht aus solchen Leuten." Obwohl die Eltern Fatih und den älteren Sohn Cem als gläubige Muslime erziehen, besuchen beide einen katholischen Kindergarten, später das Gymnasium.

Im Jahr 2000 macht Akin das Diplom für Visuelle Kommunikation an der Hamburger Hochschule für Bildende Künste. Denn schon mit 16 Jahren weiß der Fan von Box- und Bruce-Lee-Filmen, dass er Regisseur werden will. So jobbt er bei der Hamburger Wüste-Filmproduktion, die später seine ersten Filme produziert. "Jeder hat sein Ding. Und ich bin froh, dass ich meins sehr früh gefunden habe", sagt Akin rückblickend.

Goldener Bär für "Gegen die Wand"

Fatih Akin, Sibel Kekilli und Birol Ünel auf der Berlinale 2004 © Berlinale
Für "Gegen die Wand" bekommt Fatih Akin (Mitte) 2004 den Goldenen Bären - hier mit den Darstellern Sibel Kekilli und Birol Ünel.

Mit seinem dritten Spielfilm "Gegen die Wand", der Geschichte einer unglücklichen Scheinehe mit Birol Ünel und Sibel Kekilli in den Hauptrollen, gelingt dem Regisseur 2004 der internationale Durchbruch: Das Melodram erhält auf der Berlinale den Goldenen Bären - es ist das erste Mal seit 18 Jahren, dass ein deutscher Film die begehrte Trophäe bekommt.

Akin hatte den Film mit seiner 2003 gegründeten eigenen Produktionsfirma Corazón International mit Wüste Film und dem NDR koproduziert. Es folgt schließlich eine Einladung nach Cannes, wo der Drehbuchautor und Regisseur im Jahr 2005 den Juryvorsitz der Reihe "Un certain regard" übernimmt.

Drehbuchpreis in Cannes für "Auf der anderen Seite"

2007 wird "Auf der anderen Seite" auf dem französischen Festival sogar mit dem Drehbuchpreis ausgezeichnet. Das Migrationsdrama erzählt von sechs Menschen auf ihrem Lebensweg zwischen Bremen und Istanbul. Sein Kinofilm "Soul Kitchen", eine Komödie um den Kneipenbesitzer Zinos und seine persönliche Hommage an Hamburg, ist in Deutschland mit 1,3 Millionen Zuschauern sein kommerziell stärkster und auch im Ausland an der Kinokasse erfolgreich. Nicht zufällig spielt sein Jugendfreund Adam Bousdoukos die Hauptrolle - der Hamburger war zehn Jahre lang Tavernenbesitzer und schrieb das Drehbuch mit.

Der ausgesprochene Schauspielregisseur

Fatih Akin, dem seit Mai 2011 auf dem "Boulevard der Stars" am Potsdamer Platz in Berlin ein Stern gewidmet ist, gilt wie sein spanischer Regiekollege Pedro Almodóvar als ausgesprochener Schauspielregisseur. Vielleicht, weil er selbst als Darsteller gearbeitet hat, etwa in Stefan Thiels kaum bekannten Thriller "Kismet".

Zusammenarbeit mit Bleibtreu und Kekilli

Szenenbild aus "Soul Kitchen" © Pandora
Mit Moritz Bleibtreu (links) - hier in einer Szene aus "Soul Kitchen" - hat Akin schon mehrere Filme gedreht.

Er hat den Mut, neben Weggefährten wie Moritz Bleibtreu ("Im Juli", "Soul Kitchen") wenig bekannte Gesichter zu besetzen, und gibt ihnen nach seinem Motto "Go with the flow" beim Dreh Raum zur Entfaltung. Sein Darsteller Mehmet Kurtulus, mit dem der Hamburger bereits in seinem Kurzfilm "Getürkt" zusammenarbeitete, wurde der erste türkische Ermittler beim "Tatort". Auch Sibel Kekilli hat es zum "Tatort" geschafft. Inzwischen spielte sie in internationalen Serienproduktionen wie in "Game Of Thrones".

Dem heimischen Kiez ist Akin stets treu geblieben. Der passionierte Hobby-DJ und Amateur-Boxer fühlt sich in Hamburg-Altona am wohlsten. Dort wohnt er mit seiner Frau, der Schauspielerin und Regisseurin Monique Akin, und den zwei gemeinsamen Kindern in einer alten Fischfabrik von 1836. Denn "das Neue altert schneller als das Alte", so der Hamburger in einem Interview.

Golden Globe für "Aus dem Nichts" - aber keine Oscar-Nominierung

Diane Kruger und Fatih Akin bei den Golden Globes 2018.  Foto: Jordan Strauss
Das NSU-Drama "Aus dem Nichts" mit Diane Kruger in der Hauptrolle gewinnt Anfang 2018 einen Golden Globe.

Das NSU-Drama "Aus dem Nichts" hat Akin, der im Juli 2017 als Jurymitglied in die Oscar Academy berufen wurde, mit Diane Kruger in Hamburg gedreht. Der Film wurde Anfang 2018 als bester nicht-englischsprachiger Film mit einem Golden Globe ausgezeichnet und ging zunächst für Deutschland ins Rennen um den Oscar 2018 - erhielt dann aber nicht die Nominierung. Diane Kruger wurde bei den Filmfestspielen in Cannes im Mai 2017 zudem als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Danach hat Fatih Akin Heinz Strunks Buch "Der goldene Handschuh" in Hamburg verfilmt.

Hauptpreis für Produktion in Locarno, neue Filme "Rheingold" und "Amrum"

2021 erhielt ein von Akins Firma bombero international produzierter Film "Die Rache ist mein, alle anderen zahlen bar" den Hauptpreis beim Filmfest Locarno. Im Film thematisiert der indonesische Regisseur Edwin die von Gewalt geprägte jüngere Geschichte seines Heimatlandes. Beim 30. Hamburger Filmfest 2022 feierte Akins neuester Film "Rheingold" Weltpremiere. Darin porträtiert der Regisseur mit Xatar einen der bekanntesten Rapper Deutschlands.

In Vorbereitung ist bereits sein nächster Film "Amrum" erneut eine Zusammenarbeit mit Hark Bohm. Das Filmdrama wird von Bohms Kindheit auf der Insel Amrum erzählen: Seehundjagd, Fischen bei Nacht, Schuften auf dem Acker. Das Drehbuch schreibt er gemeinsam mit Bohm.

Fatih Akin: Auszeichnungen (Auswahl)

  • 2001: Adolf-Grimme-Preis für "Kurz und schmerzlos"
  • 2004: Goldener Bär der Berlinale, Deutscher Filmpreis, Europäischer Filmpreis für "Gegen die Wand"
  • 2007: Prix du Jury oecuménique der Internationalen Filmfestspiele von Cannes für "Auf der anderen Seite"
  • 2007: Preis für das beste Drehbuch bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes für "Auf der anderen Seite"
  • 2007: Europäischen Filmpreis 2007 als bester Drehbuchautor für "Auf der anderen Seite"
  • 2008: Karlsmedaille für europäische Medien
  • 2009: Spezialpreis der Jury der Filmfestspiele von Venedig für "Soul Kitchen"
  • 2010: Verdienstkreuz am Bande
  • 2014: Douglas-Sirk-Preis des Filmfests Hamburg
  • 2018: Golden Globe bester fremdsprachiger Film für "Aus dem Nichts"
  • 2018: Bayerischer Filmpreis 2017 für die beste Regie für "Aus dem Nichts"
  • 2021: Goldener Leopard für die Produktion der Koproduktion "Die Rache ist mein, alle anderen zahlen bar" von Regisseur Edwin
  • 2023: Bayerischer Filmpreis für die Produktion "Rheingold", Nominierung als "Bester Spielfilm" beim Deutschen Filmpreis für "Rheingold"

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Dieses Thema im Programm:

Film im NDR | 23.08.2023 | 22:50 Uhr

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