Roman "Amrum": Hark Bohms Hommage an eine Insel
Hark Bohm, der am 18. Mai seinen 85. Geburtstag feiert, erzählt von der schwierigen Kriegszeit, von seiner Kindheit und dem Erwachsenwerden. "Amrum" ist ein Erinnerungsroman mit wunderschönen Naturbeschreibungen, wehmütig und leicht bitter.
Der Filmemacher Hark Bohm ist zwar in Hamburg geboren, wenige Monate vor Kriegsbeginn, im Mai 1939, doch seine Kindheit hat er auf Amrum verbracht: Die Mutter kam von der Insel. Das hat sich eingeschrieben, in die Biografie, in die Namen. Der Vorname "Hark" ist friesischer Herkunft, ebenso wie der von Bohms Romanhelden: Nanning.
Nanning stand breitbeinig über einer der zahlreichen Furchen auf dem Acker. Er ließ eine Kartoffel hineinfallen. Dann stakste er voran, die Knie durchgedrückt. (….) Ein paar Schritte hinter ihm häufelte Hermann mit einer Hacke den aufgelockerten grauen Geestboden über die vorgekeimten Kartoffeln. Leseprobe
Bis Kriegsende ist es nicht mehr lang, doch noch dröhnen die Flugzeuge über Amrum hinweg, manchmal werfen sie Bomben über dem Meer ab. Nanning und Hermann helfen der Bäuerin Tessa regelmäßig beim Bestellen des Hofes und sichern so das Überleben auch ihrer Familien. Lebensmittel sind knapp, die Väter im Krieg, und Nannings Mutter wird in wenigen Wochen ihr viertes Kind zur Welt bringen.
Hark Bohms Kindheit in schwierigen Zeiten
Bohm erzählt eng an seinen Erinnerungen entlang, das spürt man. Es geht um seine Kindheit, nur ist Nanning schon zwölf und damit sechs Jahre älter als Bohm es 1945 war. Aber auch Bohms Eltern waren überzeugte Nationalsozialisten: In der "guten Stube" hingen ein Bild des Vaters und, selbstverständlich, ein Bild des Führers. Das führt immer wieder zu schwierigen Situationen. Im Roman verliert Nanning beispielsweise den "Job" bei Tessa, weil er seiner Mutter arglos berichtet hatte, dass die Bäuerin auf ein baldiges Ende des "Scheißkrieges" hoffe. Kurz darauf stellt der Ortsgruppenleiter Tessa zur Rede:
"Wehrkraftzersetzung, was, Nanning Hagener?" Tessa hob die Hand. Nanning zog instinktiv den Kopf zwischen die Schultern (...) und machte sich darauf gefasst, dass Tessas Handrücken jede Sekunde auf ihn niedersauste. Aber die Sekunden vergingen (...) Dafür presste sie das Wort vor zurückgehaltenem Zorn geradezu heraus: "Runter." Leseprobe
Runter vom Wagen, das bedeutet: keine Butter mehr, keine Milch, kein Hühnerfutter. Nanning muss erfinderisch werden und als ältester Sohn versuchen, die Familie auf andere Weise mit über die Runden zu bringen. So wird er früh erwachsen.
Hark Bohm erzählt von einer tiefen Freundschaft
Bohm erzählt von dieser schwierigen Kriegszeit, dem Dazwischen: zwischen Krieg und bald Frieden, Kindheit und Erwachsenwerden, Solidarität und Zweifel in dem wie abgeschlossen wirkenden Insel-Raum. Und doch steht im Mittelpunkt die tiefe Freundschaft zwischen Nanning und Hermann, die, man ahnt es, wohl eine fürs Leben sein wird und die ebenfalls geprägt ist durch die Insel.
Die Jungen lieben Amrum, sie kennen ihre Insel wie ihre Westentasche. Suchen, als das Essen immer knapper wird, in den Dünen nach Kiebitzeiern, fangen Schollen, ein Kaninchen, das Nanning unter Anleitung von Hermanns Opa schlachten und zerlegen muss. Am Ende verlässt Nanning auf Wunsch der Eltern die Insel - ein schmerzhafter Abschied.
"Amrum" ist ein Erinnerungsroman: wehmütig, bitter, insbesondere in der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus, warm und vor allem eine Hommage an die Insel.
Amrum
- Seitenzahl:
- 304 Seiten
- Genre:
- Roman
- Verlag:
- Ullstein
- Bestellnummer:
- 978-3-550-20269-8
- Preis:
- 23,99 €