Carsten Brosda über Harbour Front, Oper und das Bismarck-Denkmal
Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda spricht im Interview mit NDR 90,3 über das umstrittene Bismarck-Denkmal, die Pläne für eine mögliche neue Oper und wie es mit dem Harbour Front Literaturfestival weitergeht.
Wird in Hamburg ein neues Opernhaus gebaut? Wie geht es weiter mit dem Bismarck-Denkmal? Und was wird aus dem Harbour Front Literaturfestival, das 2024 ausfällt. Viele Fragen bewegen die Kultur in Hamburg derzeit. Daniel Kaiser hat Kultursenator Carsten Brosda zum Sommerinterview getroffen.
Das Harbour Front Literaturfestival fällt in diesem Jahr aus. Wie geht es dort weiter?
Brosda: Das Festival hat angekündigt, dass sie 2025 wieder am Platz sein wollen und alle Gespräche dazu stimmen mich zuversichtlich, dass das auch passieren wird. Wir haben als Stadt auch immer gesagt, dass, wenn sich das Harbour Front neu aufgestellt hat, es immer für uns der Partner für ein Literaturfest in Hamburg ist. Ich bin ganz guter Dinge, dass sich die Versprechungen des Harbour Front Festivals auch in die Tat umsetzen lassen.
Rainer Moritz geht als Leiter des Literaturhauses an der Alster in den Ruhestand. Er war eher ein Kritiker des Festivals. Gibt es da jetzt eine harmonische und große Lösung für das Harbour Front, das Literaturhaus und die Bücherstadt Hamburg?
Brosda: Das liegt nicht an uns. Wir haben immer gesagt, dass die Veranstalter eine Lösung finden müssen, und nicht die Stadt.
Bei den Deichtorhallen gab es einen bemerkenswerten Vorgang. Sie zeigen in der aktuellen Ausstellung ein antisemitisches, aktivistisches Kunstwerk - und das Haus distanziert sich davon, mit einem Schild neben dem Kunstwerk. Sie sagen, wir finden das auch furchtbar, aber es ist Freiheit der Kunst. Wer zwingt die Deichtorhallen dieses Exponat zu zeigen? Kunstfreiheit bedeutet nicht, alles zeigen zu müssen.
Carsten Brosda: Die Deichtorhallen zwingt niemand dazu, alles zu zeigen. Es ist eine kuratorische Entscheidung gewesen, nicht eine Situation, von der man ein vermuten kann, dass sie von Teilen der Künstlerinnen und Künstlern heraufbeschworen worden wäre. Die Deichtorhallen setzen darauf, dass der kritische Besucher der Ausstellung sich selber ein Bild des Werkes macht und sich damit auseinandersetzt. In vielen Fragen sind wir fundamental uneinig. Es gibt eine ganze Menge Menschen, die in einigen Fragen Dinge glauben, behaupten zu müssen, die wir grundfalsch finden, aber die wir trotzdem aushalten müssen. Wir müssen auch viel mehr lernen, damit umzugehen, dass wir das, was wir grundfalsch finden, auch öffentlich als grundfalsch benennen, um nicht über Gesetze die Räume enger machen, sondern über eine harte, öffentliche und klare Debatte und Auseinandersetzung miteinander normieren, was wir richtig und falsch finden. Das geht mir manchmal zu sehr abhanden.
Wir glauben, wenn wir sagen, das darf jetzt nicht mehr sein, anschließend alles andere einfacher wird. Aber es wird nichts einfacher, diese Meinungen sind immer noch da. Was wir brauchen, sind die öffentlichen Auseinandersetzungen. Das war ein Versuch, von dem ich das Gefühl habe, er ist jetzt nicht optimal gelaufen, aber ich halte es für einen gut vertretbaren Weg, als Institution zu sagen, wir distanzieren uns davon, aber wir zeigen es, damit die Zuschauer und Besucher der Ausstellung sich selber ein Bild machen können.
Bekommt Hamburg ein neues Opernhaus?
Brosda: Das ist etwas, was noch genauso offen ist, wie es auch in den Jahren zuvor offen war. Herr Klaus-Michael Kühne hat mal angeboten, dass er sich vorstellen könnte, der Stadt ein Opernhaus zu schenken. Er hat einen Vorschlag gemacht, den wir in der Mechanik nicht so plausibel fanden, und seitdem reden wir weiter, ob es einen plausiblen Vorschlag gibt. Diese Gespräche finden regelmäßig statt, aber es gibt noch kein Ergebnis.
Wenn man Investor Klaus-Michael Kühne zuhört, klingt das anders. Im Hamburger Abendblatt sagte er, bei der Oper gehe es voran. Wegen der Bürokratie sei noch nicht alles geklärt, aber die Einstellung der Stadt sei positiv. Wörtlich sagte er: "Die Oper kann realisiert werden, wir benötigen nur noch eine abschließende Rollenverteilung", das klingt so, als seien die Bagger schon unterwegs.
Brosda: "Alles ist noch nicht geklärt", das ist der Satz, den man nicht überlesen sollte. Ob wir eine Modalität finden, in der das gelingt, ist eine offene Frage.
Das heißt, es scheitert momentan noch an seiner Erwartungshaltung, die Stadt möge sich auch an den Kosten beteiligen.
Brosda: Nein, es scheitert daran, dass beide Seiten konkrete Vorstellungen davon haben, in welcher modernen Annahme das möglich ist, und wenn man jetzt daran arbeitet, kriegt man die übereinander. Das ist ein Prozess, der noch nicht von Scheitern oder Gelingen geprägt ist - oder von einem Suchen danach, ob das geht oder nicht.
Wo unterscheiden sich denn das Stadt-Hamburg-Modell und das Kühne-Modell?
Brosda: Das ist eine Sache, die wir intensiv mir der Stiftung diskutieren und sicherlich nicht übers Radio.
Es gibt Bedingungen - zum Beispiel, dass das unter Denkmal stehende alte "Nachkriegsopernhaus" bestehen bleibt. Das ist eine Bedingung der Stadt Hamburg.
Brosda: Das war die ursprüngliche Idee, die Herr Kühne mal hatte. Er hat gesagt, er reiße das alte Opernhaus ab und würde dort eine Immobilienentwicklung machen. Da können wir froh sein, dass Peter Tschentscher (SPD) und ich gesagt haben, dass wir das nicht für eine gute Idee halten. Wenn uns jemand ein Opernhaus schenken will, dann gerne ein Opernhaus und nicht einen Immobilieninvestmentdeal mit anderen Immobilien. Das Opernhaus steht unter Denkmalschutz, es ist eine herausragende Kulturimmobilie und wird auch künftig, sollte es gelingen ein Opernhaus in der Stadt zu bauen, als Kulturimmobilie zu nutzen sein.
Wie groß ist die neue Opernhauswahrscheinlichkeit?
Brosda: Ich könnte jetzt mit Herrn Kühne antworten, der sagt: "Es sei wahrscheinlicher, dass die Oper realisiert wird, als dass der HSV aufsteigt." Da ich aber zu wenig Ahnung vom HSV habe und Wahrscheinlichkeitsrechnung schon in der Schule nicht verstanden habe, sage ich, entweder es klappt, oder es klappt nicht. Momentan sind wir noch auf dem Weg das herauszufinden.
Die Bismarck-Statue ist fertig saniert, die ersten Graffitties sind bereits wieder zu sehen. Geplant war, diesen XXL-Bismarck neu zu deuten und zu kontextualisieren. Der künstlerische Wettbewerb hat noch kein konkretes Ergebnis gebracht. Es war zum Beispiel von einer Ausstellung im Sockel die Rede. Wie geht es da weiter?
Brosda: Was erst einmal kommen wird, sind Informationstafeln - allerdings nicht im Sockel, der bietet gar nicht so große Räumlichkeiten. Die Texte dafür liegen vor, die Ausschreibung für die Aufstellung der Tafeln läuft, so dass wir hoffen, diese Tafeln noch in diesem Jahr aufstellen zu können. Aber wir sind jetzt nicht an der Stelle, wo wir sagen, wir gehen jetzt in einen neuen künstlerischen Wettbewerb. Wir müssen erst einmal sehen, wie wir uns als Stadt und als Gesellschaft zu diesem Denkmal und Mahnmal verhalten.
Das heißt, diese Idee von der Ausstellung im Sockel ist jetzt nicht mehr auf der Tagesordnung?
Brosda: Sie ist nicht von der Tagesordnung runter. Es gibt durchaus erste Konzeptionen, wie man es machen kann. Aber wir würden erst einmal damit anfangen, Führungen durch den Sockel zu machen, um aus dem Denkmalschutz und aus der Baugeschichte heraus eine Zugänglichkeit zu ermöglichen. Inwiefern es dann gelingt, den Sockel dauerhaft zu öffnen, ist auch eine Frage der Betreuung des Ortes: Wie nutzt man das und wie ist eine Aufenthalts-Qualität sicherzustellen. Da sind noch viele Fragen offen.
Das Interview führte Daniel Kaiser.