"Hamburg dekolonisieren!": Senat beschließt Erinnerungskonzept
Hamburg will seine Kolonialgeschichte weiter aufarbeiten. Dazu hat der Senat heute ein Erinnerungskonzept beschlossen. Es umfasst Themen wie Raubkunst und Gedenkorte. Und auch Kitas und Schulen sollen sich mit der Kolonialzeit beschäftigen.
Auch das heiße Eisen "Straßennamen" ist Teil des Konzepts: Walderseestraße, Woermannstraße, Schimmelmannstraße - alles Erinnerungen an Männer, die in der Kolonialzeit Menschen anderswo ausgebeutet haben oder töten ließen. Der Senat könne die Straßen nicht umbenennen. Das sei Aufgabe der Bezirke. Aber es gebe da bereits eine Fachstrategie aus dem Staatsarchiv, sagt Kultursenator Carsten Brosda. "Natürlich haben wir Straßen, die nach Sklavenhändlern und anderen benannt worden sind, wo es durchaus sinnvoll wäre, sich Gedanken darüber zu machen, ob wir eigentlich der Meinung sind, dass das Persönlichkeiten sind, die wir mit Benennungen im öffentlichen Raum ehren wollen."
Die Hamburger Universität wird die Forschung zum Thema Kolonialismus intensivieren. So wird die postkoloniale Forschung künftig bei den Geisteswissenschaften fest verankert sein. Auch im Schulunterricht und in den Hamburger Kitas soll das Thema Kolonialismus stärker auftauchen.
Rückgabe von Raubkunst: Bestände sollen weiter geprüft werden
Der kritische Blick auf die Museen ist auch Teil des Konzepts. "Es geht um die Aufarbeitung der Herkunft von Kunstgütern und auch menschlichen Gebeinen in unseren Museen", sagt Brosda. Bei den Benin-Bronzen habe man die Restitution von Hamburg aus maßgeblich vorangetrieben. "Natürlich haben wir viele weitere Bestände, die erforscht werden müssen. Auch da wird es gegebenenfalls zu Wiedergutmachungen oder Rückgaben kommen." Die Benin-Bronzen waren erst der Anfang.
Reichtum durch Ausbeutung: Spuren im Stadtbild
Ein weiterer Schwerpunkt des Konzeptes ist der Umgang mit Gedenkorten in der Stadt. Denn im Stadtbild finden sich immer wieder Erinnerungen daran, wie Hamburg in der Kolonialzeit reich wurde, indem andere ausgebeutet wurden - zum Beispiel das Afrika-Kontorhaus oder die Askari-Reliefs in Jenfeld. Nach dem gescheiterten aufwändigen Versuch, das Bismarck-Denkmal im Alten Elbpark mit einem großen Wettbewerb künstlerisch neu zu deuten, sind in den kommenden Monaten lediglich eine neue Informationstafel am Denkmal und besondere Stadtführungen geplant.
Hauptamtliche Koordinierungsstelle für Dekolonisierung geplant
Mehr als 100 Jahre nach dem Ende des deutschen Kolonialreichs will Hamburg auch eine hauptamtliche Koordinierungsstelle Dekolonisierung einrichten. Die Einrichtung solle die post- und dekoloniale Erinnerungs- und Gedenkkultur in Hamburg stärken, erklärte Brosda. Das neue Konzept bündelt Maßnahmen und Ideen und ist in den vergangenen Jahren im Austausch mit zivilgesellschaftlichen Gruppen, die das Thema zum Teil seit den 1970er-Jahren immer wieder in die Stadt getragen haben, entstanden.
Vor zehn Jahren hat der Senat offiziell beschlossen, diese Zeit aufzuarbeiten. Das neue Konzept ist ein weiterer Schritt. "Es beschreibt eine Menge Arbeit, die als Gesellschaft vor uns liegt, die sich aber lohnt", sagt Kultursenator Brosda bei der Vorstellung des Konzepts im Hamburger Rathaus. "Sie kann uns helfen, mit der Vielfalt und der Freiheit in unserer Gesellschaft etwas fröhlicher umzugehen, als es uns in der Vergangenheit das eine oder andere mal gelungen ist."
DIGGAHH: Open-Air-Event zum Konzept vom 22. bis 26. Mai
Konkret anschaulich wird das Konzept vom 22. bis zum 26. Mai beim Open-Air-Event DIGGAHH - das Akronym steht für "dekolonial", "interaktiv", "gemeinsam", "gesellschaftlich", "aktuell" und "Hansestadt Hamburg". Veranstaltet wird DIGGAHH unter anderem im Park Planten un Blomen.