"Callas - Paris, 1958": Ihr legendärer Konzertauftritt restauriert und in Farbe
Der Film "Callas - Paris, 1958" zeigt einen legendären Konzertauftritt der Opernsängerin Maria Callas. Das Filmmaterial wurde technisch überarbeitet und koloriert. Zu sehen ist der Film in nun in einigen Kinos im Norden.
Ein Gespräch mit Friederike Westerhaus, die sich den Film angeschaut hat.
Es geht in dem Film um ein Konzert im Dezember 1958 in Paris. Was war denn so besonders an diesem Konzert?
Friederike Westerhaus: Ja, es war wirklich ein legendärer Abend, dieser 19.. Dezember 1958 in der Pariser Oper, dem Palais Garnier. Maria Callas war auf der Höhe ihrer Karriere. Sie hatte schon überall gesungen: an der Scala in Mailand, an der MET in New York, in Covent Garden in London - aber noch nie in Paris. Es war also ihr Debüt, und dem wurde regelrecht entgegengefiebert. Ein Gala-Abend mit unglaublich viel Prominenz im Saal, unter anderem dem französischen Präsidenten, außerdem Jean Cocteau, Charlie Chaplin, Brigitte Bardot und viele andere. Gesungen hat sie ein Programm mit Arien und Szenen aus Vincenzo Bellinis "Norma", Verdis "Il Trovatore" und Rossinis "Il barbiere di Siviglia". Der komplette zweite Akt bestand aus Giacomo Puccinis "Tosca". Das ist damals live übertragen worden, deshalb gab es auch immer schon Filmmaterial; das findet man auch zum Teil im Internet. Aber der Regisseur Tom Volf hat 2021 in einem Keller in Athen weitere Filmrollen entdeckt, und dieses Material ist jetzt akribisch nachbearbeitet und vor allem koloriert worden. Der Kinosaal wird also quasi zum Konzertsaal, und man erlebt dieses Konzert noch mal mit.
Wie wirkt Maria Callas in diesem Konzert auf der Bühne?
Westerhaus: Sie ist eine totale Erscheinung, wenn sie da die Treppe auf der Bühne in ihrem roten, langen Abendkleid mit kostbarem Schmuck hinunterschreitet. Das ist in dieser kolorierten Fassung schon sehr eindrucksvoll, mit ihren stark geschminkten Augen, blauem Lidschatten, roten Lippenstift. Und dann beginnt sie diese Arie "Casta Diva" aus Bellinis "Norma": Sie schlingt ihre Stola um sich herum, umarmt sich also quasi selbst damit. Man muss dabei bedenken, dass sie im Januar desselben einen echten Skandal erlebt hatte: Sie hat in Rom die "Norma" gesungen, auch da war ganz viel Prominenz im Saal, unter anderem der italienische Präsident - und dann musste sie nach dem ersten Akt abbrechen, weil sie sich nicht gut gefühlt hat. Das haben ihr die Menschen unglaublich übel genommen, weil sie den Präsidenten brüskiert habe. Und dasselbe Stück singt sie wieder in Paris, ist wieder unter den Augen der Weltöffentlichkeit, ein Stück, in dem Norma um Frieden bittet. Das muss ein enormer Druck für sie gewesen sein. Es ist musikalisch auch nicht perfekt, was da passiert, auch der Chor setzt falsch ein - aber Maria Callas hat diese enorme Präsenz und Ausdruckskraft, und sie hat die Pariser schon mit dieser ersten Arie für sich gewonnen.
Im zweiten Teil des Konzerts singt sie dann den kompletten zweiten Akt aus "Tosca". Inwiefern erlebt man sie da noch mal von einer anderen Seite?
Westerhaus: Ich finde, das wird noch mal viel intensiver. Sie hatte an dem Abend die Möglichkeit, ihre Stimme in ganz unterschiedlichen Facetten zu zeigen, und hier wird es wirklich dramatisch. In dem Akt geht es darum, dass die Opernsängerin Floria Tosca vom Polizeichef Scarpia unter Druck gesetzt wird, und nebenan wird ihr Geliebter Cavaradossi gefoltert. Da ist wirklich alles auf engstem Raum: Liebe, Hass, Wut, Verzweiflung, Angst. Und all das zeigt Maria Callas in einer derartig überzeugenden Art und Weise, dass man sich dem überhaupt gar nicht entziehen kann. Man fragt sich bei ihr: Wo beginnt die Rolle, und wo hört sie auf? Das hat auch ihren Weltruhm ausgemacht, dass sie nicht nur als Sängerin, sondern gerade als Darstellerin so unglaublich überzeugend war.
Das Konzert von 1958 in einer technisch gründlich überarbeiteten und auch kolorierten Form. Was würdest du unterm Strich sagen? Lohnt sich das?
Westerhaus: Ich finde ja. Callas-Fans haben diesen Auftritt sicher gut vor Augen, aber es ist tatsächlich noch mal etwas anderes in der kolorierten Form. Auch die Bild- und Audioqualität wurde noch mal deutlich bearbeitet. Maria Callas wird einfach greifbarer. Die Nahaufnahmen sind gestochen scharf; man kann genau die Mimik beobachten. Der Film zeigt übrigens auch Bilder vom Eintreffen der Prominenz am Opernhaus und von der Ankunft und Abreise von Callas. Dadurch kriegt man auch einen Eindruck von ihr als Person, und nicht nur als Darstellerin auf der Bühne. Und das liegt nicht zuletzt an einem kurzen Interview am Ende des Films, wo sie bei ihrer Abreise gefragt wird, wie sie den Abend erlebt hat. Sie sagt, sie habe das Gefühl gehabt, mit großer Wärme empfangen zu werden. Es habe ein Verständnis zwischen ihr und den Publikum gegeben, und sie habe Angst gehabt, weil es viel zu viel Publicity gab, viel zu viel von allem. Die Franzosen wollten zu viel, sagt sie, und sie wollten alles. Und sie wollte ihnen mehr als alles geben. Das sei etwas schwierig, aber alles sei gut gegangen. Und da spricht sie was aus, was ihre Karriere ausgemacht hat und weswegen wir sie auch jetzt, an ihrem 100. Geburtstag so feiern. Maria Callas hat immer alles gegeben. Sie hat sich nicht geschont. Sie ist ganz aufgegangen in ihrer Musik.
Das Interview führte Franziska von Busse.