Zwei Männer und eine Frau sitzen in einem Podcast-Studio und lächeln in die Kamera. © NDR
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AUDIO: (129) Tomato Soup Cake und KI (61 Min)

Illustrator Michael Mantel: "Das ist ein großer Urheberrechtsverstoß"

Stand: 19.01.2025 14:30 Uhr

KI-generierte Illustrationen haben in den vergangenen Monaten häufiger für Aufregung gesorgt, zum Beispiel als im Herbst vergangenen Jahres die Stiftung Lesen ihre neue Vorlesekampagne vorgestellt hat. Kinderbuch-Illustrator Michael Mantel im Gespräch.

Michael, du bist Illustrator vor allem von Kinderbüchern. Dich hat diese Kampagne der Stiftung Lesen sehr geärgert. Warum?

Michael Mantel: Das war vor allem, glaube ich, weil es die Stiftung Lesen gemacht hat. Wir haben alle damit gerechnet, dass KI irgendwann in unser Leben tritt, auch in unser Illustrator:innen-Berufsleben. Aber dass ausgerechnet die Stiftung Lesen damit anfängt - das war sehr unbedacht.

Was ist an dem Bild mit den süßen Eisbären auf den Plakaten der Stiftung Lesen so schlimm?

Mantel: Das ist für viele erst einmal ein buntes, schönes Bild. Aber es ist nicht von Menschen gemacht. Es ist zusammengewürfelt - und da kommen wir auch direkt zum Problem - aus vielen Illustrationen, die wir Illustrator:innen gemacht haben, und aus Fotos und allem, was in diesen Datenbanken zur Verfügung steht. Uns hat aber niemand gefragt, ob man diese Bilder benutzen darf, die wir im Internet zeigen, um für uns selber Werbung zu machen. Das ist ein großer Urheberrechtsverstoß. Das Hauptproblem, was wir gerade sehen und was uns wütend macht.

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Die KI wird dadurch trainiert, dass sie das Internet nach Beispielbildern absaugt und daraus etwas Neues macht.

Mantel: Genau, es ist eigentlich immer nur eine Replikation. Etwas wirklich Neues wird man kaum schaffen können, aber man kann die KI fragen: Erstelle mir ein Bild im Stil von Vincent van Gogh oder Michael Mantel. Dann könnte man sagen: Okay, das Bild sieht so aus, als hätte ich das gemacht. Ich habe es aber gar nicht gemacht. Das ist etwas, was ich mir über viele Jahre antrainiert habe, auf dem Weg zu einem eigenen Stil und einer eigenen Ausdrucksweise. Die KI kann das übernehmen und versuchen, meine Art und Weise des Zeichnens nachzumachen.

Ist das legal?

Mantel: Die Legalität ist ein großes Problem. Im Moment ist Vieles eine große Grauzone, wie das oft bei neuen Technologien ist. Die Gesetze hinken hinterher. Die Firma, die das alles ins Rollen gebracht hat, Open AI, hat eigentlich überhaupt keine rechtliche Grundlage. Die wurde damals als Stiftung gegründet und man hat ihnen gesagt: Okay, wenn wir das mit KI machen, muss es auf jeden Fall Open Source sein, also für alle zur Verfügung stehen und es darf nicht kommerziell sein. Dann haben sie, ich glaube vier Jahre später, eine Tochterfirma gegründet, Open AI Global, und die übernimmt den kommerziellen Zweck. Die benutzt die gleichen Programme, die die Stiftung erstellt hat. Es gibt Klagen dagegen. Erstaunlicherweise hat Elon Musk dagegen geklagt.

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Wir werden um KI nicht herumkommen. Siehst du eine Möglichkeit, dass man KI im Bereich der Illustration anwenden kann und es ethisch für dich vertretbar wäre?

Mantel: Man muss es auf jeden Fall trennen. Es gibt viele KI-Tools, die hilfreich sein können. Beim Erstellen eines Buches, zum Beispiel zu Recherchezwecken, finde ich es total toll. Wenn es darum geht, Texte und Bilder zu kreieren, würde ich das aus den Urheberrechtsgründen im Moment ablehnen, weil man sich da auch immer ein bisschen "mitschuldig" macht.

Wenn ich im privaten Bereich eine Einladung zu einer Party mache und da möchte ich gerne ein schönes Bild haben, ich kann aber nicht gut genug zeichnen und außerdem würde es ewig dauern - findest du es okay, wenn ich da einfach ein KI-generiertes Bild nehme und das nur an meine Freund:innen schicke?

Mantel: Dafür ist es natürlich super einladend, aber da würde ich eine Gegenfrage stellen. Worüber würdest du dich mehr freuen: über eine KI-generierte Einladung oder über etwas Selbstgemachtes? Ich würde es eigentlich vollkommen okay finden, was im privaten Rahmen passiert. KI ist ja generell für Forschungszwecke und für Schulungszwecke gedacht gewesen. Nur wenn es dann kommerziell verwertet wird, ist es ein Problem, weil dann uns natürlich Vieles entgeht.

Wenn ich in eine Buchhandlung gehe, werde ich da aktuell wahrscheinlich noch keine KI finden. Das Problem liegt aktuell bei Onlinehändlern und bei Amazon. Bei Thalia gibt es zum Teil auch schon ein paar Cover, aber Selfpublisher werden gerade von KI Sachen geflutet.

Mantel: Da muss man sehr aufpassen und am besten ins Impressum schauen. Vor allen Dingen bei Kinderbüchern stehen die Illustrator:innen auf dem Cover drauf. Bei Selfpublishing wäre ich sowieso aus verschiedenen Gründen vorsichtig.

Als Reaktion auf die Stiftung Lesen-Bilder und das Oetinger-Cover habt ihr euch als Illustrator:innen zusammengetan unter dem Hashtag #buchbrauchtmensch, um darauf aufmerksam zu machen.

Mantel: Nachdem wir gemerkt haben, dass ein Verlag bereit ist, so etwas zu veröffentlichen, haben wir gedacht: Okay, was kann man jetzt tun? Wie können wir Aufmerksamkeit generieren? Unter dem Hashtag haben sich ganz viele Illustrator:innen, aber auch andere Leute - Autor:innen, Übersetzer:innen und Blogger:innen - dargestellt und gezeigt, wer wir eigentlich sind. Da wurden Bücher vorgestellt, die von Menschen kreiert wurden, um einen Gegenpol zur KI zu schaffen.

Oetinger hat ja daraufhin erklärt, dass sie in Zukunft von KI-generierten Illustrationen absehen werden.

Mantel: Ich glaube, das passierte sogar schon vorher. Das hat uns ein bisschen verwundert, aber es ist natürlich toll, dass ein großer Verlag da ein Statement hinterlassen hat. Inzwischen sind es auch viele andere Verlage, die nachziehen. Die Illustratoren Organisation, so etwas wie unser Berufsverband, hat auch einen offenen Brief an alle Verlage geschrieben, damit die ein Statement abgeben - zumindest im Kinderbuch-Bereich. Auch, damit man sieht, woran wir eigentlich sind.

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Logo vom NDR Kultur Podcast "eat.READ.sleep" © NDR Foto: Sinje Hasheider
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Dieses Thema im Programm:

NDR Kultur | eat.READ.sleep. Bücher für dich | 18.01.2025 | 17:00 Uhr

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