Zum 100. von Maria Callas: Noch heute ein Vorbild für Gesangsstudentinnen
Zu Lebzeiten war Maria Callas DIE Ikone für viele Sängerinnen. Doch wie ist das heute? Was denken junge Gesangsstudentinnen über sie? Spielt "Die Callas" heute noch eine Rolle? Andrea Schwyzer hat sich an der Musikhochschule Hannover umgehört.
Für Marina Sandel, Professorin für Gesang an der Musikhochschule Hannover, ist Maria Callas nach wie vor eine ganz große Sängerpersönlichkeit: "Ich erinnere mich noch ganz genau: Als ich das erste Mal in 'Madama Butterfly' sang, hatte ich eine Schallplatte mit ihr als 'Butterfly' und ich war wirklich fasziniert, wie sie ein fünfzehnjähriges Mädchen darstellt."
"Wir sind uns einig: die Stimme ist nicht von großer Schönheit. Aber sie ist einfach so der Rolle und der Interpretation verhaftet, das höre ich heute wirklich sehr, sehr selten. Da muss ich wirklich sagen, ist sie ein großes Vorbild." Gesangsprofessorin Marina Sandel über Maria Callas
Callas habe eine "eine unglaubliche künstlerische Intelligenz" besessen, erklärt Sandel, sie sei sehr gut ausgebildet worden im Belcanto-Stil: "Für mich ist sie immer noch eine Referenz. Wenn ich jetzt eine Arie hören möchte, die ich mit einer Studentin erarbeite, dann hört man da schon mal rein, und ich bin nach wie vor fasziniert von dem Eindringen in die Rolle."
"Total anrührende Emotionalität"
Bewunderung für die 1977 gestorbene Callas gibt es nicht nur von der Lehrerin: Auch Sandels Studentinnen gucken sich von der Operndiva noch was ab - und das aus vielen unterschiedlichen Gründen: "Ihre Technik ist sehr sauber. Ich bewundere vor allem ihre Koloraturen. Sie geht da mit einer Leichtigkeit und einer Selbstverständlichkeit durch, die ich total bewundere", sagt Hannah Elizabeth Meyer. Die Studentin ist auch davon beeindruckt, dass Callas "das ganze Repertoire abdeckt, von den tiefen Mezzo-Sachen bis zu den hohen Sopranpartien".
Für ihre Kommilitonin Annemarie Pfahler hat die griechische Sängerin "eine unglaubliche Kontrolle und Selbstbeherrschung und eine total anrührende Emotionalität. Ich glaube, dass ist schon unvergleichlich." Für Susanne Veeh ist die Callas ein Vorbild - dank ihrer hervorragenden Ausbildung und durch ihre Disziplin: "Ich finde es sehr wichtig, mir das im Studium vor Augen zu halten: Dass mit der nötigen Disziplin und dem Willen viel erreicht werden kann."
Nicht nur als Künstlerin, auch als Frau schillernd und spannend
Für die jungen Sängerinnen ist die Callas aber auch als Frau schillernd und spannend - mit all ihren privaten Problemen und ihrer Art zu Leben. "Wenn man von ihrem Fall hört, von ihrer Krise, finde ich das auch sehr wichtig, weil wir im Gesangsstudium oft kleinere oder größere Krisen zu meistern haben und wir von unseren heutigen Stars dies oft nicht so hautnah miterleben", sagt Mezzosopranistin Veeh. Es sei wichtig, das auch stimmliche Probleme, die sogar so einem Star passieren können, nicht tabuisiert werden.
"Man muss sie ansehen, man muss ihr zuhören. Sie zwingt einen regelrecht dazu, mit ihrer Präsenz mit ihrer Ausstrahlung." Sopranistin Annemarie Pfahler über Maria Callas
Sie habe sich gerade noch einmal ein paar Aufnahmen angehört, erzählt Sopranistin Meyer: "Die Callas arbeitet trotz all ihrer perfekten Technik auch sehr emotional. Also man hört alles, was sie in dem Moment fühlt. Und da ist wirklich viel drin. Und ich glaube, das ist es, was da die Menschen mitgezogen hat - und was bis heute auch noch nachwirkt."