Gefälschte "Hitler-Tagebücher" kommen ins Bundesarchiv
40 Jahre nach Veröffentlichung der gefälschten "Hitler-Tagebücher" im Magazin "Stern" werden diese im Laufe des Jahres an das Bundesarchiv übergeben. Am Standort Konstanz sollen sie zugänglich gemacht werden.
Am 25. April 1983 hatte die Zeitschrift des Hamburger Verlagshauses Gruner + Jahr vermeintliche Tagebücher von Adolf Hitler in einer medienwirksamen Pressekonferenz vorgestellt, die sich nur wenige Tage später als Fälschung herausstellten. Es war einer der größten Medienskandale der Bundesrepublik.
60 Kladden werden im Laufe des Jahres übergeben
Der Gütersloher Bertelsmann-Konzern - der "Stern" gehört inzwischen zum Firmenportfolio - und das Bundesarchiv teilten am Montag in Berlin mit, dass die 60 Kladden im Laufe dieses Jahres übergeben werden sollen. Bis Mittwoch veranstaltet das Münchner Institut für Zeitgeschichte in Berlin die Konferenz zur "Geschichte des 'Stern' und seiner prägenden Personen".
Kritik: "Menschlicher Anstrich" für NS-Verbrechen
Bundesarchiv-Präsident Michael Hollmann sagte, die gefälschten Tagebücher zeigten einen "dreisten Versuch, den brutalen Verbrechen des Nationalsozialismus einen menschlichen Anstrich zu geben, der in den 1980er-Jahren in der Gesellschaft auf Resonanz traf". Diese Darstellung hatte der NDR im Februar 2023 belegt, indem er die Fake-Schriften für die Öffentlichkeit digitalisierte und nachweisen konnte, dass in den "Hitler-Tagebüchern" der Holocaust geleugnet worden ist. So soll Hitler angeblich nichts von den Entscheidungen zur Ermordung der Juden gewusst haben.
Die Dokumente sollen laut Bundesarchiv am Standort Koblenz auf Dauer aufbewahrt und im Rahmen des gesetzlichen Auftrags zugänglich gemacht werden. Das Institut für Zeitgeschichte (IfZ) untersucht zudem die gefälschten Tagebücher.
Bertelsmann lässt auch Nannens Wirken untersuchen
Bertelsmann will mit diesem Vorgehen ein möglichst objektives Bild erhalten, wie und warum es zur Veröffentlichung kommen konnte. Die Forscher untersuchen im Auftrag von Bertelsmann zudem die Zeit von der Gründung des Magazins durch Henri Nannen 1948 bis zu seinem Ausscheiden 1983. Im Mai 2022 war die Debatte um den Ex-"Stern"-Chefredakteurs und Magazininitiator Nannen (1913-1996) und dessen Rolle in der NS-Zeit neu entfacht worden.
Auslöser war ein Beitrag des Rechercheformats "STRG_F" des Norddeutscher Rundfunks gewesen. Darin ging es um antisemitische Flugblätter im Zweiten Weltkrieg. Es wurde in dem Beitrag eine Verbindung zu Nannen hergestellt. Angesichts der Untersuchung wurde die renommierte Journalistenauszeichnung "Nannen Preis" vorläufig in "Stern-Preis" umbenannt. Die Auszeichnung wird in dieser Woche bereits zum zweiten Mal mit dem alternativen Namen verliehen.